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von Thomas Wagner | 01.01.2015

Die Zukunft bleibt dunkel. Das ist wenig überraschend. Wobei das nicht heißt, dass sie deshalb gleich finster werden muss, ganz gleich, was im Neuen Jahr mit der kalendarischen Ziffernfolge 2015 so alles geschehen wird.
Das weiß auch Dirk Helbing. Er ist Physiker und Mathematiker und lehrt an der ETH Zürich Soziologie mit dem Schwerpunkt Modellbildung und Simulation. Da mit Hilfe von Sensoren, Big Data und eines „Internets der Dinge“ immer mehr Daten über den Zustand des Klimas, unseres Kühlschranks und unserer Socken verfügbar sein werden, möchte Helbing ein ganz besonderes Messgerät entwickeln: eine Art „Echtzeit-Google“, das für jedermann zugänglich sein soll. In diesen Weltsimulator gäbe man, so er denn existierte, eine Frage ein und erhielte aufgrund vorliegender Daten und mittels eines ausgeklügelten Algorithmus eine Antwort – beispielsweise zur Kriegsgefahr in Asien oder zur Anzahl von Lebensmitteln mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum in Kühlschränken in Herford – oder ähnliches.

Irgendwie kommt einem die Idee eines solchen Weltsimulators seltsam vor, weshalb dessen Realisierung – mitsamt all den Folgen – sehr wahrscheinlich erfolgreich sein wird. Unweigerlich denkt man dabei aber auch an den Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams und die darin etwas unklar gestellte Frage „nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest“. Im Roman jedenfalls rechnete und rechnete der zweitgrößte existierende Computer des Universums, um am Ende zu dem Ergebnis zu kommen, die Antwort laute: 42. Womit naturgemäß keiner etwas anfangen kann, weil niemand weiß, wie genau die Frage lautete. Womit wir wieder bei einer Zahl angekommen wären, die Antwort auf alle Fragen der Welt also ebenso gut 2015 sein könnte. Lassen wir das etwas mulmige Gefühl beiseite, auch Dirk Helbing könnte am Ende sowohl ein Dr. Jekyll als auch ein Mr. Hyde sein, so legitimiert die Überlegung doch zumindest unsere alljährliche Spekulation mit allerlei zahlenmystischen Annahmen.

Die 20, wir wissen es schon, ist in dieser Hinsicht keine besonders interessante Zahl, bildet aber in vielen Kulturen eine wichtige Basis der Zählung. Finger und Zehen zusammen ergeben 20 und im Französischen wird 80 ja auch noch immer als quatre-vingt, als vier mal 20, ausgedrückt. Auch wo es ums Messen geht, hat die 20 einst eine wichtige Rolle gespielt: Ein „Ries“ Papier sind 20 „Buch“, eine „Stiege“ enthält 20 Eier oder Schafe und eine „Schneise“, wie wir sie aus dem Wald kennen, war ursprünglich ein Band, an dem 20 Thunfische zum Trocknen aufgehängt wurden. Was in Helbings Weltsimulator zur Folge haben könnte, dass das Aufhängen von Thunfischen zum Hype des Jahres 2015 werden könnte, sofern nur genügend Menschen sich dazu bereit fänden, 20 Thunfische zum Trocknen aufzuhängen. Dann spielt es (und auch das sagt etwas über den Zustand der Welt im Jahr 2015 aus) kaum mehr eine Rolle, dass das christliche Mittelalter die 20 als Verwirklichung der 10 Gebote im Handeln erklärte oder als Vielfaches der 5 Bücher Moses und der 4 Evangelien sowie als Leitung der fünf Sinne durch die Evangelien.

Und die 15? Die 15 gilt, was immer daraus folgen mag, als Mondzahl und stellt den Höhepunkt der Mondmacht dar, wobei sich dies in dem Maß der „Mandel“ widerspiegelt, die, abgeleitet von mande, den halben Mond bezeichnet. Astronomisch wird der Halbmond, bei dem die angestrahlte Mondoberfläche genau zur Hälfte sichtbar ist, auch als Halbphase bezeichnet. Als zunehmender Halbmond markiert sie das Ende des ersten Viertels und als abnehmender Halbmond den Beginn des letzten Viertels eines Mondzyklus. Wie auch immer, in der 15 haben Überreste eines alten Mondkults überdauert. Begleitet wird diese Mondmachtfantasie von der arithmetisch-mystischen Bedeutung der 15 als Summe der Zahlen von 1 bis 5 (1+2+3+4+5 = 15) und der Tatsache, dass die 15 das Produkt der heiligen Zahlen 3 und der 5 ist. Vielleicht kann man daraus ja schließen, dass wir uns 2015 an einem Wendepunkt in der Zeit befinden. Von nun an nimmt etwas – was immer es außer dem Mond auch sei – ab oder zu.

Wie lebendig die mystische Bedeutung der 15 in unserer rationalen Welt geblieben ist, zeigt sich an einem anderen Aspekt. Die 15 spielt nämlich eine zentrale Rolle in einem der häufigsten, um die heilige 5 herum aufgebauten, magischen Quadrate, bei dem die Summen der Ziffern auf den Balken der zwei Kreuze x und + immer gleich 15 sind.

Und, welch Überraschung, heutzutage entspricht einem solchen magischem Quadrat mit der 5 im Zentrum die Anordnung der Ziffern auf Taschenrechnern.

Ob die Magie des Taschenrechners einen Hinweis darauf enthält, dass 2015 ein Jahr des Rechnens und Berechnens werden wird? Wir wissen es nicht. Sicher ist nur, dass es im noch jungen Jahr 2015 noch mehr Roboterjournalisten geben wird – Maschinen, die in Echtzeit Meldungen produzieren –, die Züchtung der ersten unsterblichen Maus unmittelbar bevorsteht, unsere Städte drohnensicher gemacht werden und von 100 Menschen auch weiterhin 21 über-, 63 normalgewichtig, 15 unterernährt sind und 1 am Verhungern sein wird. Und dass die Antwort auf all unsere Fragen 42 lautet. Wir wünschen trotzdem ein gutes, glückliches, erfolgreiches, friedliches und zufriedenes 2015. Cheerio!