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Den Teppich-Tiger streicheln: Jürgen Dahlmann kennt seine Schätze. Foto © Martina Metzner, Stylepark
Bodenschätze
von Uta Abendroth
14.01.2014

In Hannover stehen bei der Messe Domotex Ideen, Experimente und Neuheiten im Vordergrund. Ob aus Garn, Holz oder elastischen Fasern – die Neuheiten in Sachen Bodenbeläge bieten ein breites Sortiment und eine hohe Gestaltungsvielfalt. Mit dem neuen Format „Innovations@Domotex“ wird der Anspruch der Messe deutlich, Innovationen explizit herauszustellen. Hierfür wählte eine Jury unter dem Vorsitz des Designers Stefan Diez die spannendsten Neuheiten aus. „Die Hersteller produzieren sehr interessante und neuartige Bodenbeläge, aber das kommt leider selten beim Kunden an“, sagt Stefan Diez. „Oft erfahren nur die Handwerker von den Innovationen.“ Die Domotex, die international führende Messe für Bodenbeläge, ist die Gelegenheit, sich einen Überblick über den Stand der Dinge in der Branche zu verschaffen. In diesem Jahr zeigten 1350 Aussteller aus 54 Ländern ihre Teppiche, Holz- und Laminat- sowie Vinylböden.

Boden zum Mitnehmen

Das Kölner Unternehmen Objectflor beispielsweise stellte mit „SimpLay Design Vinyl“ Fliesen und Planken vor, die sich aus einzelnen, thermisch verpressten Schichten zusammensetzen. Die rückseitige Wabenstruktur und das hohe Eigengewicht erlauben ein Verlegen ohne Kleben oder Klicken. Die Einzelelemente sind leicht austauschbar und können bei einem Umzug einfach wieder verwendet werden, denn der darunter liegende Belag wird nicht beschädigt. Für die Oberflächenprägung kann der Kunde aus verschiedenartigen und -farbigen Feinholz- und Feinsteinstrukturen sowie Leder- oder Perloptik wählen.

Auch Vinylböden werden jetzt geklickt. Das Unternehmen Ziro aus Kenzingen zeigt einen Design-Vinylboden, dessen Oberfläche wie Textil anmutet und einfach auf eine Hochdichte Faserplatte (HDF) mit Kork-Trittschalldämmung aufgebracht. Für Feuchträume ist der Boden auch als „Vinylan Tex Hydro“ mit Hydropolymer-Platte erhältlich.

Der spanische Hersteller Floover World präsentierte eine Art Outdoor-Fliese, deren Aussehen man bisher nur von Holzplatten kannte: Das Quadrat aus einem Holz-Kunststoff-Verbundwerkstoff (WPC) mit gewebter Vinyl-Oberfläche lässt sich auf jedem Untergrund verlegen und ist – man ahnt es– leicht wieder zu entfernen. Die aus vier Streifen zusammengesetzten Module sind wasserbeständig und resistent gegen UV-Licht.

Recycling-Könige

Wiederverwertung ist bei vielen Herstellern ein wichtiger Aspekt, so dass gerade diese Branche ständig neue Recycling-Verfahren von Materialien entwickelt. So auch das schwedische Unternehmen Bergo Flooring. Seine leichten und strapazierfähigen Kunststoffplatten, die zu 100 Prozent aus recycelten alten Obst- und Gemüsekisten bestehen, eignen sich für die Neugestaltung eines Tenniscourts ebenso wie als schützender Belag für Schiffdecks. Der gitterartig strukturierte Boden ist in unterschiedlichen Farben und Ausführungen erhältlich.

Papilio aus Belgien geht auf eine ganz andere Art mit dem Thema Ökologie um: Das Unternehmen stellt Teppiche aus alten Fahrradschläuchen und gebrauchten Auto-Keilriemen her. Die wenig geschmeidigen Gummi-und Kunststoffreste werden durch Hanf- oder Juteschnüre zusammengehalten. Auch alte Ledergürtel und die Überreste von Lederschuhen werden von Papilio zu Teppichen verarbeitet – allerdings eignen sich diese, im Gegensatz zu den ersten beiden Beispielen, nur für den Innenbereich.

Holz und fast-wie-Holz

Das Salzburger Unternehmen Kaindl beschäftigt sich auch 2014 mit der Optimierung von Laminat, mit Holzböden und dem sogenanntem „Design Flooring“. Laminatdielen aus der „Classic Touch“-Kollektion bietet Kaindl in zwei Meter Länge und mit strukturierter Oberfläche an. Die „Magnum“-Dielen werden in einer Länge von 2,40 Metern produziert. Bei den Holzfurnierböden, die seit fünf Jahren von Kaindl hergestellt werden, ist der Altholzboden hervorzuheben, für den das Holz unter anderen von alten Scheunen wiederverwendet wird. Die Stärke dieses Altholzes, auch als „Holz mit Geschichte“ bezeichnet, beträgt 0,9 Millimeter und wird zum Schutz vor Schmutz und „neuen“ Gebrauchsspuren mit Lack oder Öl behandelt.

Auf möglichst natürliches Holz setzt Trapa. Die ebenfalls in Österreich ansässige Firma fertigt Holzdielen mit einem 3-Schichten-Aufbau. Die bis zu 12 Meter langen Dielen eignen sich gut in Räumen mit Fußbodenheizung. Für die Oberflächenbehandlung dieser Holzdielen setzt Trapa keine Farbstoffe ein, sondern verändert die Farb-Nuancen durch unterschiedliche Laugen. Das Holz bleibt durch die kristallisierenden Öle diffusionsoffen, muss nicht abgeschliffen werden und altert mit Patina. In diesem Jahr neu ist das Wandsystem „Parete“, das die gleichen Farbtöne der Bodendielen aufnimmt und sich für eine einheitliche Gestaltung von Wand und Boden eignet.

Seit Jahren bekannt für seine Klicksysteme ist Parador aus Coesfeld. Die Neuheit 2014: „ClickTex“. Dabei handelt es sich um HDF-Trägerplatten, auf die zwei Textilqualitäten, Melange Velours und Vliese, aufgebracht sind. Die Teppichdielen zum Klicken werden in dreizehn Uni-Farben und in zwei Designmustern angeboten. Eine weitere Neuheit des Herstellers ist die Design Edition von dem Architekten Hadi Teherani, der für Parkett- und Laminatböden traditionelle Verlegemuster, wie Fischgrät, modern interpretiert hat.

Teppich als Kunstwerk

Der Teppich wird wieder zu einem Kunststück. Wie in einer Gemäldegalerie werden die handgefertigten Einzelstücke von Jan Kath präsentiert. Seine Kollektion „Riot“ zeigt Teppiche in vermeintlich organisch gewachsenen Formen und mit sanften Rundungen. Ein weiteres Kunstwerk ist „Rug Star“ von Jürgen Dahlmanns, der wieder mit leuchtenden Farben spielte.
Die Teppiche des Hamburgers Hossein Rezvani stehen für modernes Design aus dem Iran. Die feinsten Teppiche haben mehr als 400.000 Knoten pro Quadratmeter und sind aus persischer Hochlandwolle und/oder Seide hergestellt. „Ich entwerfe die Muster in Hamburg am Computer,“, sagt Hossein Rezvani, „aber umgesetzt werden die Entwürfe im Iran.“ Dafür skalieren die Teppichzeichner die Muster auf die jeweils gewünschte Teppichgröße. Für einen sechs Quadratmeter großen Teppich benötigen die Knüpfer knapp 3,5 Monate. „Der Teppich wird wieder ein „Fashion item“, davon ist Hossein Rezvani überzeugt. Mit seinen modernen Perserteppichen, die geometrische Linien anstatt von floralen Mustern zieren, setzt er Trends.

Dass auch industriell hergestellte Teppiche Einzelstücke sein können, bewies Steffen Kehrle mit seinen „industriellen Unikaten“ für Dura. Der Münchner Designer und der hessische Teppichbodenhersteller waren im vergangenen Jahr zusammengekommen, als Stefan Diez eine „Carte Blanche“ für die Sonderschau „Flooring Deluxe“ erhielt und verschiedene Designer und Künstler sogenannte „Concept Rooms“ inszenieren ließ. Steffen Kehrle hatte sich damals die Produktion bei Dura angeschaut. Hier ist der Teppich im Herstellungsprozess ständig in Bewegung: Hunderte von Rollen tragen das eben erst getuftete Textil über einen langen Weg durch die Produktionshallen zur Färberei. Kehrle griff an dieser Stelle mit unkonventionellen Maßnahmen in die Herstellung ein. Mit perforierten Rohren, Feuerwehrschläuchen und Farbrakeln verspritzte er Farbe satt über den Teppichen. Die dabei entstandenen Spritz- und Verlaufsmuster geben den Bodenbelägen den Charme von Bildern eines „Action Painting“.

Auch der englische Designer Sebastian Wrong war im vergangen Jahr Teil der „Concept Rooms“. Für die dänische Firma Fletco hatte er Teppichstreifen mit Mustern bedruckt. Das Experiment mündete jetzt in einer Art Teppichfliese, die sich mit über 65.000 Farben bedrucken lässt und sich zu 60 Prozent aus Recycling-Material zusammensetzt. Kehrles und Wrongs Arbeiten sind ein Beweis dafür, dass sich Experimente wie „Flooring Deluxe“ nicht nur für Designer, sondern auch für Hersteller auszahlen können – und geben der Domotex einen neuen Charme.

Den Teppich-Tiger streicheln: Jürgen Dahlmann kennt seine Schätze. Foto © Martina Metzner, Stylepark
Das Ausstellungsdesign von "Innovations@Domotex" stammt von Jürgen Mayer H.
Foto © Deutsche Messe
Das Ausstellungsdesign von "Innovations@Domotex" stammt von Jürgen Mayer H.
Foto © Deutsche Messe
Stefan Diez führt auf den "Guided Tours" durch die Messen. Foto © Deutsche Messe
Stefan Diez führt auf den "Guided Tours" durch die Messen. Foto © Deutsche Messe
"SimpLay Design Vinyl" Fliesen von Objectflor. Foto © Mathias Dürr
"SimpLay Design Vinyl" Fliesen von Objectflor. Foto © Mathias Dürr
Jürgen Mayer H bei den "Innovations Talks". Foto © Deutsche Messe
Jürgen Mayer H bei den "Innovations Talks". Foto © Deutsche Messe
Design-Vinyl Boden von Ziro. Foto © Mathias Dürr
Floover World präsentiert eine Art "Outdoor-Fliese". Foto © Mathias Dürr
Design-Vinyl Boden von Ziro. Foto © Mathias Dürr
Floover World präsentiert eine Art "Outdoor-Fliese". Foto © Mathias Dürr
Viele Farben für den Boden bietet Bergo Flooring. Foto © Mathias Dürr
Viele Farben für den Boden bietet Bergo Flooring. Foto © Mathias Dürr
Bergo Flooring setzt auf Recyclingmaterial. Foto © Mathias Dürr
Ein Teppich aus Hanf und Papierresten von Papilio. Foto © Martina Metzner, Stylepark
Bergo Flooring setzt auf Recyclingmaterial. Foto © Mathias Dürr
Ein Teppich aus Hanf und Papierresten von Papilio. Foto © Martina Metzner, Stylepark