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Can-Can oder Der Tanz der tausend Möbel
von Claudia Beckmann | 11.11.2008

Möbel und Museum - da denkt man an Design-Ausstellungen mit Entwürfen von herausragender Gestaltung, an klingende Gestalternamen und stilistische Kategorisierungen. Auf viel Raum stehen wenige Objekte, die Designgeschichte geschrieben haben. Was aber, wenn man versucht, auf achtzig Quadratmetern möglichst viele Möbel unterzukriegen? Was, wenn einem die Gestalter der Objekte gänzlich gleichgültig sind? Und wie verändert sich der Raum, wenn man gar versucht, tausend Objekte darin aufzustellen?

Mit diesen Fragen hat sich die Berliner Künstlerin Carolina Kecskemethy in ihrer Installation "Can-Can" beschäftigt. Mit ihrer umfangreichen Sammlung von Miniaturmöbeln hat sie im „Museum der Dinge" in Berlin eine ungewöhnliche Möbel-Landschaft unter dem Titel "Mobilien - 1000 Möbel auf 80 qm" entworfen. Auf einem schrägen Podest aus Spanplatten sind Puppenmöbel unterschiedlicher Epochen dicht nebeneinander angeordnet, sortiert nach einzelnen Produktgruppen wie Geschirrschränke, Doppelbetten Stehlampen, Badewannen, Liegen, Couchtische, Hollywoodschaukeln, Stühle und Sofas - alles von ausgesucht zweifelhaftem Geschmack.

Die Installation reflektiert einerseits die Art und Weise wie Möbel-Design im musealen Kontext ausgestellt wird. Sie hinterfragt Präsentationsformen, Zuschreibungen an einen Entwerfer oder einen stilistischen Zusammenhang. Aber darüber hinaus geht es auch generell um das Verhältnis von Mobiliar und Raum, Objekt und Kontext.

In der kulturellen und epochalen Vielfalt der ausgestellten Miniaturmöbel, die mal inhaltlich verbunden, mal einzeln als Relikt der Geschichte erscheinen, ist der museale Ansatz noch lesbar.

Dabei wirkt Kecskemethys Arbeit wie ein Schrei aus der Kehle des Sammelwahnsinns, der Unüberschaubarkeit und des Ordnungszwangs. Es ist aber auch ein Aufschrei gegen museale Strukturen und das Präsentieren in einer den Objekten aufgezwungenen Ordnung. Sie stellt Objekte kleinbürgerlicher Gemütlichkeit dicht an dicht neben Designklassiker und führt sie in ihrer sozialen Disparität vor - atmosphärisch irgendwo zwischen Volkskundemuseum und Rudis Reste-Rampe.

Die Möbel-Landschaft steht aber nicht isoliert da, sondern in Beziehung, unter anderem zu einer Videoarbeit zu Jaques Offenbachs Musikstück "Can-Can" aus "Orpheus in der Unterwelt". Immer wieder hört man über Lautsprecher das gleiche Motiv, eine Dauerbeschallung, die die Skurrilität des Ganzen spiegelt und verstärkt. Die musikalische Untermalung, die Wandzeichnungen von Kecskemethy, die manische Sammlung der Puppenhausmöbel - staunend steht man der ganzen Skurrilität gegenüber und fragt sich: woher das Unbehagen?

www.museumderdinge.de

All photos © Franziska Holzmann