top
„Der Berliner Verkehr ist nervig“
von Martin Lewicki | 02.11.2014
Der Verkehr in einer Metropole wie Berlin ist eine echte Herausforderung. Foto © Martin Lewicki

Berlin hat sich in den vergangenen zehn Jahren zu einer der angesagtesten Metropolen Europas und zum Hotspot der Kreativ-Szene entwickelt. Umso spannender ist die Frage, wie gut die deutsche Hauptstadt mit dem Ansturm neuer Bewohner und Touristen zurechtkommt. Wir sprachen mit dem Werbeprofi Susi Nestrashil, wie sie sich in ihrer Wahlheimat Berlin fortbewegt, was sie an der Stadt liebt und was sie nervt.

Susi Nestraschil lebt seit 2005 in Berlin. Zuerst wohnte sie im beliebten Prenzlauer Berg, nach einigen Jahren tauschte sie die Wohnung für ein beschauliches Haus mit Garten im Berliner Randbezirk Frohnau ein. Für den Gewinn an Lebensqualität muss sie jeden Tag fast eine Stunde ins Stadtzentrum zur Arbeit und wieder zurück pendeln. Doch Sie kann dem langen Weg auch etwas Gutes abgewinnen und dabei sogar Spaßhaben.

Welche Verkehrsmittel nutzen Sie am liebsten?

Nestraschil: Ich fahre sehr gerne S-Bahn, aber ich nutze täglich Bus, Fahrrad, Auto, S- und U-Bahn – also eigentlich fast alles.

Können Sie Ihren normalen Arbeitsweg beschreiben?

Nestraschil: Je nach Wetter entscheide ich morgens, ob ich mit dem Fahrrad, Bus oder Auto zur S-Bahn fahre. Der Bus nervt mich am meisten, weil er nur in 20-Minuten-Intervallen fährt, das heißt, ich muss immer pünktlich dort ankommen, sonst verspäte ich mich um 20 Minuten.

Ich brauche von Zuhause bis zum Bus etwa fünf Minuten zu Fuß. Dann fahre ich weitere fünf Minuten mit dem Bus zur S-Bahn. Die Alternative wäre mit dem Fahrrad zur S-Bahn zu fahren. Oder mein Freund kann mich mit dem Auto dorthin fahren. Dann fahre ich mit der S-Bahn 20 Minuten bis zur Umsteigestation „Gesundbrunnen“. Dort steige ich um in die U-Bahn U8. Zum Glück kommt sie meistens schon nach etwa 2-3 Minuten. Das ist eigentlich eine ganz gute Verbindung. Und mit der U8 fahre ich noch mal 15 Minuten. Anschließend sind es noch fünf Minuten zu Fuß, bis ich direkt auf der Arbeit bin.

Funktioniert das immer reibungslos?

Nestraschil: Wirklich nervig ist es abends. Tagsüber ist es nicht so schlimm, weil dann die Intervalle der einzelnen Verkehrsmittel ganz gut aufeinander abgestimmt sind. Wenn ich aber spätabends nach Hause fahre, weil ich noch mit Freunden unterwegs war, dann muss ich knapp 15 Minuten auf die S-Bahn warten…Im Winter ist es grauenhaft. Wenn mein Fahrrad nicht gerade an der Endstation steht, bin ich auf den Bus angewiesen und der kann schon mal direkt an meiner Nase vorbei fahren. Dann muss ich nachts 20 Minuten alleine an der Bushaltestelle warten. Und so was ist natürlich nervig. Im schlimmsten Fall kann so meine Fahrt sogar eineinhalb Stunden dauern, wenn die Anschlüsse nicht passen.

Wäre Car-Sharing etwas für Sie?

Nestraschil: Ich habe mich auch mit Car-Sharing auseinandergesetzt, weil ich ein Auto für die Arbeit gebraucht habe. Ich dachte zunächst, dass es eine tolle Erfindung sei. Das Problem ist, dass das Angebot nur auf die Innenstadt begrenzt ist. Eigentlich müsste man für die Zukunft dort Car-Sharing anbieten, wo viel Pendelverkehr ist und wo noch viele mit dem Auto ins Umland fahren. Dann wäre es auch für mich sinnvoll. Das Problem ist aber, dass wenn ich nach Frohnau fahre und das Auto dort über Nacht steht, ich die anfallenden Parkgebühren an den Betreiber zahlen muss. Und das ist für mich ein Ausschlusskriterium.

Wie lange dauert Ihr normaler Arbeitsweg?

Nestraschil: Wenn es gut läuft, brauche ich knapp 50 Minuten, wenn es schlecht läuft, dann können es eineinhalb Stunden sein, im schlimmsten Fall sogar bis zu zwei Stunden, wenn ich auf den Nachtbus warten muss, weil die S-Bahn nicht mehr fährt.

Was würden Sie am Berliner Verkehr optimieren?

Nestraschil: Die Abstimmung der Intervalle und Abfahrtszeiten. Es funktioniert eigentlich ganz gut, es gibt aber immer noch Momente, wo es aufgrund von Baumaßnahmen beispielsweise nicht klappt. Da merkt man, dass jede Viertelstunde zählt.

Was ich mir auch vorstelle, ist, dass man die öffentlichen Verkehrsmittel stärker nach individuellem Bedarf ausrichtet –gerade in Randbezirken. In Wien gab es beispielsweise kleine City-Busse, in die ungefähr zehn Personen reinpassten. Der Bus, mit dem ich in Frohnau fahre, ist die halbe Strecke nahezu leer. Da wären eigentlich kleinere Busse mit einem größeren Fahrradius sinnvoller. Den wöchentlichen Pendler-Bedarf könnte man beispielsweise mit einer App abfragen, dann braucht man auch nicht einen großen Doppeldecker-Bus, der nicht genutzt wird.

Benutzen Sie eine Verkehrs-App?

Nestraschil: Ich habe eine Zeit lang die Fahrinfo-App der „Berliner Verkehrsbetriebe“(BVG) benutzt. Dann habe ich aber festgestellt, dass in der App andere, nicht aktuelle Ergebnisse für meine Routen angezeigt wurden als auf der Website. Deswegen informiere ich mich über die besten Verbindungen auf der mobilen Website der BVG. Die nutze ich regelmäßig, gerade auch abends, weil dann einige S-Bahnen nicht bis zu meiner Station fahren, sondern schon vorher enden.

Problematisch bei der App-Nutzung ist allerdings der Internetempfang in der U-Bahn. Denn gerade dort möchte ich prüfen, wann mein Anschluss mit der S-Bahn ist. Und das Internet in der U-Bahn ist sehr langsam bis gar nicht vorhanden. Auch einen Ticketkauf per App könnte man bei der BVG einführen. Das gibt es bereits bei der S-Bahn und erspart einem so den Kauf am Automaten. Das würde ich auf jeden Fall nutzen.

Können Sie die Zeit beim Pendeln produktiv nutzen?

Nestraschil: Produktiv für mich, weil es meine Zeit ist und ich sehr viel lesen kann. Das konnte ich eine Zeit lang, als ich noch viel mit dem Auto gefahren bin, nicht machen. Und jetzt nutze ich die Möglichkeit, um Bücher oder News auf Websites zu lesen und private Nachrichten zu verschicken, ebenso wie Musikhören und Rätsellösen. Neuerdings beobachte ich auch sehr gerne die vielfältigen Menschen auf meinem Weg zur Arbeit und küre so meinen persönlichen „Freak of the Day“.


Mehr Artikel zur Audi Urban Future Initiative 2014


Je nach Wetter entscheidet Susi Nestrashil, ob sie mit Fahrrad, Bus oder Auto zur S-Bahn fährt. Foto © Martin Lewicki