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Designer sollten ihren Beruf als einen Job verstehen, nicht als eine Show
03.11.2008
Rodolfo Dordoni

Seit über zehn Jahren arbeitet der Designer Rodolfo Dordoni eng mit dem italienischen Designmöbelhersteller Minotti zusammen. Sein jüngster Entwurf, die „OneWorld Collection", wurde letztens in München in den Neuen Werkstätten präsentiert. Robert Volhard traf Rodolfo Dordoni und sprach mit ihm über seine Zusammenarbeit mit Minotti, sein Selbstverständnis als Art Director und die Aufgaben des Designs in der Zukunft.

Was waren die gestalterischen Ausgangsüberlegungen für die „OneWorld Collection"?
Rodolfo Dordoni: Als ich vor über zehn Jahren für Minotti zu arbeiten begann, baten sie mich, über einen neuen Weg nachzudenken, Möbelkonzepte zu präsentieren. Am Anfang dachten wir, es wäre wichtig jedes Jahr eine neue Idee zu finden, die als Ansatz für eine Kollektion dient, weil wir die Produkte als geschlossene Kollektion zeigen wollten, nicht einfach als eine Reihe einzelner, voneinander unabhängiger Produkte.
Unsere Strategie war es, ein Thema für eine Kollektion zu finden, eines, das es ermöglicht, über Farbe, Materialien und in zuverlässiger Weise über die Formen von Produkten nachzudenken. Wir haben Bilder von Produkten und von Räumen kreiert, auf denen beide in einem ganz bestimmten Zusammenhang präsentiert wurden. Eines war „Das Haus des Rauchers". Ein Raucher mit Zigarette. Alles darin war braun koloriert, die Materialien waren warm wie in einer privaten Wohnung.
Zwei Jahre später nahmen wir die Musik als Thema. Wir setzten Elemente der Ausstellung in Verhältnis zur Musik. Dieses Jahr haben wir mit dem Thema „OneWorld" sogar eine doppelte Bedeutung, das heißt, den Gedanken einer globalen Welt und der Welt, die wir bereisen. Wir dachten generell über das Reisen nach und stellten fest, dass sich jedes Land unterscheidet, ein wenig anders ist im Vergleich zu den anderen. So sollte unser Ergebnis der Versuch einer Mischung der Geschmäcker sein, so dass für jeden etwas dabei ist. Dennoch es ist komisch zu sagen „international", weil heute alles international ist. Aus diesem Grund haben wir die Kollektion auch bewusst nicht „international style" genannt, sondern „OneWorld".

Sie arbeiten jetzt seit zehn Jahren mit Minotti zusammen. Darüber hinaus aber auch mit einigen anderen großen Unternehmen. Wie lässt sich das vereinen?
Dordoni: Ja, das ist richtig, Minotti ist einer meiner wichtigsten Kunden, aber ich arbeite ebenso für verschiedene andere Firmen. Ich versuche mit jedem Unternehmen an einer bestimmten Typologie zu arbeiten, dass heißt für zwei verschiedene Unternehmen auch zwei verschiedene Strategien zu finden. Früher war das leichter, weil die Produktionspalette von Fabriken spezialisierter als heute war. Es gab Unternehmen die Betten produzierten, andere Sofas - heute stellt jedes Unternehmen alles her. So arbeite ich mit Cassina ebenfalls an Sitzmöbeln, aber sie werden hauptsächlich aus Holz hergestellt. Holz ist wiederum kein Material, das Teil der Produktionskultur von Minotti ist. Auch mit der Firma Flou arbeite ich an Betten, aber dort sind sie eher aus Sofas heraus entwickelt. Es ist natürlich immer auch ein bisschen Slalom dabei!

Slalom ist ein gutes Stichwort für meine nächste Frage: Neben Produktdesign sind auch Architektur, Innenarchitektur, Ausstellungsgestaltung und Privatvillen Tätigkeitsfelder von Ihnen. Worin liegen die zentralen Unterschiede und Reize?
Dordoni: Das ist im Grunde gar kein Slalom gewesen. Ich habe Architektur studiert, dabei lernte ich Giulio Cappellini kennen. Als wir die Universität beendet hatten, entschieden wir uns ein neues Konzept für das traditionsreiche Möbelunternehmen seiner Familie zu entwickeln. Wir kamen auf die Idee das Unternehmen neu auszurichten. Es war für mich das erste Mal, dass ich mit Möbeln in Verbindung kam. Ich machte mir über mein Verhältnis zu Möbeln Gedanken und begann schließlich für Cappellini zu arbeiten. Aber es war gar nicht anderes. Im Vergleich zur Architektur veränderten sich nur die Maße der Projekte. Aber die Absichten, der persönliche Gedankenprozess, unser Geschmack, das Gefühl für Proportionen und Form - all das bleibt gleich. Ich kann kein rundes Gebäude schaffen und ebenso kann ich kein rundes Sofa entwerfen. Ich bin rational, ich arbeite kubisch!

Das war zu der Zeit als sie Art Director bei Capellini waren. Wie würden sie die Funktion des Art Directors generell definieren? Was beinhaltet der Job für Sie?
Dordoni: Als ich begann für Capellini zu arbeiten gab es überhaupt keine Art Direction, so wie sie sich eine Art Direction heute vorstellen. Zu der Zeit gab es Giulio und mich. Wir machten einfach alles: beispielsweise das Verpacken der Produkte, oder wir nahmen alle Telefonate an und sagten „Guten Tag, hier ist Capellini" - wir machten wirklich alles! Wir waren jung, so wuchsen wir auf und die Aufgabe des Art Directors änderte sich. Ich glaube, sie besteht darin, eine Vorstellung von außen und innen zu bekommen und einen Weg, eine neue Bedeutung und Richtung für ein Unternehmen und deren Produkte zu finden. Art Director eines Unternehmens zu sein heißt, einen 360° Überblick über ein Projekt zu haben. Ich meine nicht, dass man als Art Director die Person sein muss, die sich um die Kataloge und die Werbung kümmert. Es ist nur wichtig, dass man alles im Blick behält.

Wenn Sie unterscheiden müssten: Bei welchem Auftraggeber gibt es die größeren Handlungsspielräume, beziehungsweise Freiheiten?
Dordoni: Für mich ist Freiheit gar nicht so wichtig, entscheidender ist die Atmosphäre in einem Unternehmen. Die ist für mich ausschlaggebend, ich möchte, dass sich eine gute Stimmung auf die Leute, mit denen ich zusammenarbeite, überträgt, und dass das stabil bleibt. Ich möchte glücklich sein, wenn ich zur Arbeit gehe.

Wo sehen Sie die zukünftigen Fragen und Aufgabenstellungen des Designs?
Dordoni: Wenn ich darüber nachdenke, was Design heute ausmacht, dann hoffe ich, dass die Leute, die in diesem Bereich arbeiten, maßvoller werden als es gegenwärtig der Fall ist. Ich glaube, dass wir den Auftraggebern heute beinahe zu sehr versuchen zufrieden zu stellen. Wir sollten bescheidener und schlichter auftreten. Ich mag diese Einstellung nicht, mit der Designer ihre Arbeit machen: nicht mehr aus Leidenschaft, sondern ausschließlich für Ruhm und Ehre. Ebenso wenig schätze ich die daran beteiligte öffentliche Wahrnehmung. Ich möchte meine Zeit lieber ausschließlich auf Produkte verwenden. Designer sollten ihren Beruf als einen Job verstehen, nicht als eine Show.

Rodolfo Dordoni