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Die Sicht auf das Licht
von Thomas Wagner | 11.04.2008

Die Light+Building oder Dunkle Gedanken zu einem hellen ThemaDie Erde war wüst und leer. Es gab noch keine Große Koalition, keine Stromsparbirnen und keine OLEDs, überhaupt war noch längst nicht alles so überfüllt wie heute. Da sprach Gott: es werde Licht! Es hat schon etwas magisches, wenn man mit einem leichten Druck auf einen Touchscreen den Raum erhellen, sanft sämtliche Lichter dimmen und obendrein noch die Illumination des Gartens aktivieren kann. Ob wir das brauchen oder gar wollen - nun, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Jedenfalls ist die Licht produzierende Industrie bei der „Light + Building" in den Frankfurter Messehallen sichtbar darum bemüht, es überall komfortabel und energieeffizient Licht werden und das die dunkle Nacht erhellende Medium möglichst stimmungsvoll mit der Architektur verschmelzen zu lassen. Ergo flutet und glitzert und tropft das Licht aus immer raffinierter gestalteten Gehäusen, es funkeln die Kristalle und wie von Geisterhand erstrahlen ganze Wände und Decken in unterschiedlich schimmernden Farben. Keine Frage, die Debatten um Energieeffizienz und CO2 -Ausstoß sowie die Entwicklung neuer, sparsamer und obendrein ästhetisch effektvoller Licht-Technologien haben die Branche beflügelt. Das ist auf der Messe überall zu spüren. Und die Designer tun alles, um den trüben Schein der Vergangenheit noch aus dem letzten Lampenladen zu verscheuchen. Die Zeit der Glühlampe ist ohnehin vorbei. Die Zukunft trägt Leuchtstoffröhre, LED und schon bald OLED, Licht lässt sich komfortabel steuern und ist präzise für jeden nur erdenkbaren Zweck einsetzbar. Wie die schöne neue Lichtwelt des Jahres 2008 aussehen könnte, das lässt sich in Trendkojen besichtigen, die das stilbüro bora.herke ersonnen hat. Vier verschiedene „persönliche Stile" glauben die Scouts im Lampenland der Gegenwart ausgekundschaftet zu haben: Das reicht von „sober mind" ganz in High-End-Trend-Weiß bis zu „boldly modern", einem schrillen urbanen Schlafzimmer, in dessen wolkenkratzer-tapezierten „forward power" die Leuchten verschwinden, vom dunklen Edelglitzern des „seduktive glamour" bis zur Öko-Bricolage von „vegetal technology", einer etwas zu glatt gehobelten Dachlatten-Natur mit schwerem Ledersessel. Der Wille zum Zusammendenken in Ehren, aber nach dem Ende aller Stile könnte man die kontingente Gegenwart des Leuchtens auch anders collagieren. Das penetrante Aufspüren von Trends liegt eben nicht in demselben, und überdies mangelt es den allzu künstlichen und wirklichkeitsfernen Paradiesen bedenklich an Ironie. Die liefert mal wieder Ingo Maurer nach, verspielt, narrativ und lustig, mit der Beschwörung von „Alizzcooper", einer veritablen Schlangenlampe aus schwarzem Gummigartenschlauch mit giftgelber Wellenlinie auf dem Rücken. Hier wird auch, weniger über den Sündenfall meditierend, aufs Kommende geblickt - etwa mit dem Phönixhaften Lichtobjekt „Early Future" aus rechteckigen OLEDs, die direkt aus den Laboren von Osram kommen. Als „Flying Future" werden die leuchtenden Plättchen zur High-Tech-Variante des fliegenden Teppichs und lassen allen Orientkitsch hinter sich. Überhaupt schafft es der Altmeister wieder einmal, der technoiden Lichtlangeweile im Jahr der ubiquitären (und immer größer werdenden) Halbkugeln, Zylinderscheiben und rechteckigen LED-Kartons mit pfiffigen Ideen aufzuhelfen. Naoto Fukasawa ist ein kluger Mann, der nicht nur lange für Muji viele wohltuend unprätentiöse und selbstverständlich zu gebrauchende Dinge entwickelt hat, sondern auch gemeinsam mit Jasper Morrison der Frage nachgeht, wann etwas mehr als nur normal, eben „super normal" erscheint. Es sei, erläutert er im Gespräch, nicht das Neue, das heutzutage zähle, sondern das Bessere. Dinge gebe es längst mehr als genug. „Leia" heißt die kleine Leuchtenfamilie, die Fukasawa für Belux gestaltet hat. Zurückhaltend und präzise sind die gestalterischen Mittel eingesetzt, wenn sich ein opaker, sanft glimmender Doppelzylinder nach oben streckt und das Licht überdies zur Decke strahlt, als übersteige es seine Bindung an die Materie. Bei der kleineren Variante und der Tischleuchte lässt sich der Lampenschirm dann mit einem Griff zur Seite neigen, wodurch - dank eines eingebauten Halogenstrahlers - zusätzlich eine Leseleute entsteht. „Gute Dinge", sagt Fukasawa, der seine Leuchten aus der Interaktion des Nutzers mit dem Objekt heraus denkt, „fallen nicht auf. Wenn wir nach einem Becher greifen, um zu trinken, denken wir nicht an den Becher. Wir trinken einfach." Es versteht sich von selbst, dass bescheidenes Auftreten in Messehallen eher selten anzutreffen ist. Hier gibt es nichts, was es nicht gibt, vom riesigen Kronleuchter für Fürstensäle bis zur perlenden Lichtkaskade aus Strasssteinen, vom beleuchteten Pflasterstein bis zu etwas, das wie eine Glocke aussieht, überraschenderweise aber „Caravaggio" heißt. Auch ist, was wir schon befürchtet hatten, nun eingetreten: Fabien Baron hat - Damien Hirst und sein diamantenbesezter Hundertmillionen-Totenschädel lässt schön grüßen - für das Glitzerimperium Swarovski einen kleinen Edel-skull geschaffen: Vanitas im Wohnzimmer, wahlweise hell oder dunkel. Bei all dem chromblitzenden Edelkitsch von Rashid bis Murano und all den likörhaften Farbtonwandraumleuchtensystemen kann, wenn sie mich fragen, die Zukunft nur japanisch werden. Aber über Geschmack lässt sich ja bekanntlich streiten. Fest steht jedenfalls: Es ward Licht! Oder muss es nicht, glauben wir einem blitzgescheiten Wiener Kybernetiker mit Namen Heinz von Foerster, heißen: Es werde Sicht?!

Alizzcooper von Ingo Maurer
Skull von Fabien Baron für Swarovski
Early Future von Ingo Maurer
Early Future von Ingo Maurer
Leia von Naoto Fukasawa für Belux