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Die Zukunft des 3D-Druckens

von Martina Metzner | 05.12.2014

Die Dingwelt wird aktuell kräftig aufgemischt: 3D-Druckverfahren ermöglichen neue Konstruktionen und Herstellungsprozesse von komplexen Objekten und die Fertigungsverfahren verändern Luftfahrt- und Automobilindustrie, Medizintechnik, Design und Architektur. Wir haben die Messe Euromold in Frankfurt am Main besucht, um die spannendsten Neuentwicklungen ausfindig zu machen. In Halle 11 des Frankfurter Messegeländes surren raumhohe Maschinen von Marktführern wie Stratasys, EOS, SLM Solutions und 3D Systems – und zeigen das ganze Panorama des 3D-Druck-Potenzials. Aber auch kleinere Anbieter wie Makerbot, dessen 3D-Drucker gerade Furore bei Endkonsumenten und Designer machen, 3D-Scanner-Hersteller wie 3D Shape, Dienstleister wie Renishaw, die additive Lohnfertigung anbieten oder Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer Institut oder das Direct Manufacturing Research Center (DMRC) der Universität Paderborn waren vor Ort. Die Branche profitiert vom Medienhype um den 3D-Druck – das sieht man auch daran, dass sich nicht nur Ingenieure und Informatiker, sondern auch Designer und Architekten an den Ständen tummeln.

Das gedruckte Auto

Ein prägnantes Beispiel für die Ausweitung des 3D-Druck in Richtung Serienfertigung von komplexen Bauteilen ist General Electric Aviation, die gerade ein ganzes Werk im US-Bundesstaat Alabama auf EOS-Drucker umrüsten, um dort in den kommenden fünf Jahren 40.000 Einspritzdüsen für Flugzeuge wie den Airbus A320 in Serie anzufertigen. Denn durch die verbesserte Technologie der additiven Fertigungsverfahren können nun Objekte mit Hohlräumen und Gitterstrukturen von höchster Genauigkeit hergestellt werden. Gleichzeitig sinken dabei die Kosten für die Herstellung der Bauteile und technische Veränderungen können direkt umgesetzt werden.

Während die Luftfahrt und Großindustrie aufwendige Bauteile aus Metall durch Verfahren wie selektives Laser-Schmelzen (SLM) und selektives Laser-Sintern (SLS) oder Laserauftragsschweißen drucken lassen, kommt der 3D-Druck in der Automobilindustrie bislang hauptsächlich für den Bau von Prototypen aus Kunststoff zum Einsatz. So stellte die RWTH Aachen auf der Euromold ihr Auto „StreetScooter C16“ vor, dessen Bauteile aus Photopolymeracrylharz-Kunststoffen auf dem „Objet1000“ Drucker der amerikanischen Firma Stratasys angefertigt wurden – derzeit der größte Polyjet-Drucker auf dem Markt, der bis zu drei verschiedene Kunststoffe im Connex-Verfahren und in einer Baugröße in von 1000 mal 800 mal 500 Millimeter anfertigen kann.

Die so hergestellten Fahrzeugteile wie Türen, Frontschürze, Seitenschweller und Radläufe konnten schneller produziert werden und sind deutlich kostengünstiger im Vergleich zu Bauteilen, die mit dem Gussverfahren produziert werden. So rühmen sich die RWTH Aachen-Ingenieure, ihr fahrtüchtiger „StreetScooter C16“ von der Skizze auf die Straße in nur neun Monaten gebracht zu haben. Neu im Bereich des Kunststoff-Prototypenbaus ist die Entwicklung von Materialmischungen, wie man sie etwa auf dem Stand des amerikanischen Anbieter 3D Systems bewundern konnte. Die Firma bietet nun das patentierte Epoxidharz „Accura“ an, das sich durch die Beigabe von Keramikkörnchen stabiler als herkömmliche, zum 3D-Druck geeignete Kunststoffe erweist und bereits Windkanal-Tests bei der Formel 1 bestanden hat.

Die Prothese aus dem Drucker

Derzeit prosperiert der Markt für den 3D-Druck besonders bei der Dentalmedizintechnik. Der Grund liegt auf der Hand: In diesem Bereich muss hochpräziser und individuell angepasster Zahnersatz hergestellt werden. Was vorab mühevoll in Handarbeit von Zahntechnikern geformt, gefräst und angepasst wurde, wird nun gescannt, gedruckt und passgenau eingesetzt, etwa Titan-Basen für Kronen oder Kronenkäppchen aus Zirkonoxid-Keramik. Ein Kronenkäppchen aus dem Drucker komme in der Produktion auf drei bis vier Euro – natürlich nur bei entsprechender Auslastung, erklärt man am Stand vom deutschen Anlagenhersteller EOS, Marktführer für die additive Fertigung in Sachen Metall und für 3D-Drucker zum Preis ab 400.000 Euro aufwärts. Bei dieser Investitionssumme können sich also nur die großen Dentallabore einen 3D-Drucker leisten.

Für die Medizintechnik dürften auch die Forschungen des Fraunhofer-Institutes interessant sein. So setzen die Ingenieure vom Fraunhofer-Institut für Lasertechnik (ILT) aus Aachen auf noch feinere Strukturen beim Metall-SLM: Sie können durch ein neuartiges gepulstes Schmelzverfahren Mikrostrukturen unter 100 Mikrometer erzeugen. Außerdem arbeiten die Fraunhofer Ingenieure daran, die Bauraum-Größe fürs Metalldrucken zu erweitern und stellten hierfür einen Druckkopf mit fünf Diodenlasern vor, der auf mehreren Achsen bewegt werden kann und dadurch die Bearbeitungsfläche vergrößert.

Funktionen in die Form integrieren

Im Vergleich zur Medizintechnik ist die Anwendung von 3D-Druckern in der die Lifestyle- und Konsumgüterwelt noch ganz am Anfang. Beispiele wie die belgische Firma Materialise oder der deutsche Dienstleister Cirp, die additiv gefertigte Möbel und Leuchten anbieten, sind da erste Knospen. Cirp etwa vertreibt unter seiner Marke Purmundus lasergesinterte Leuchten aus Kunststoff, die mittlerweile schon 50 Einzelhändler führen. Sie kosten um die 350 Euro und verblüffen mitunter durch mechanische Funktionen wie ein nachgebildetes aufgehendes Blütenblatt, sodass dass das Licht weiter streut – ein weiterer Vorteil des 3D-Drucks für das Design, denn mechanische Funktionen können nun direkt mitdruckt werden.

Handwerkskunst áde

Auch die Schmuckbranche entdeckt den 3D-Druck für sich: So arbeiten Firmen wie Chopard mit Stereolithographie-Druckern von Stratasys im großen Stil, während die italienische Firma DWS einen kleinen Drucker für Goldschmiede ab 10.000 Euro anbietet. Im Schmuckbereich wird das Gold und Silber jedoch nicht direkt gedruckt, sondern hier dienen Kunststoff-Protoypen als Gussform.

Nicht minder spannend fürs Design zeigt sich der futuristisch geformte Stuhl „Cellular Loop“, den die Fraunhofer-Institute UMSICHT sowie IWM gemeinsam mit der Folkwang Universität der Künste entwickelt haben. Hierbei wurde bionische Konstruktionsprinzipien aufgegriffen und auf das Möbelstück übertragen. So besteht der Stuhl aus einer Wabenstruktur, die sich dort verdichtet, wo eine höhere Belastung auftritt. Vergleichbar ist dies mit dem Aufbau von Knochen. Dadurch wird nicht nur präziser konstruiert, auch der Materialeinsatz verringert sich.

Neues Werkzeug für den Modellbau

Spannend für Architekten dürfte diese Technologie sein: MCor Technologies aus Irland stellt einen 3D-Drucker vor, der Modelle aus Papier ausschneidet – und damit eine Weiterentwicklung des Laminated Object Modelling (LOM) darstellt. Papier für Papier wird hierbei aufgelegt und an den notwendigen Stellen verklebt. Daraus entstehen kleine Modelle, die besonders leicht und nach der Meinung der Hersteller „ecofriendly“ sind, da hierfür keine Kunststoffe verwendet werden. Der größte Vorteil dürfte aber die Kostenersparnis sein, da hier herkömmliches Papier zum Einsatz kommt – auch wenn die Maschine 34.000 Euro kostet. Teures Material, wie es die anderen 3D-Drucker-Hersteller verbindlich mit ihren Geräten anbieten, ist hier obsolet.

Kleider für den Mars

Neri Oxman, Direktorin der Forschungsgruppe „Mediated Matter“ am Bostoner Massachusetts Institute for Technology (MIT), stellte auf der Euromold ihre „Wanderers“ aus – Kleidungsstücke, inspiriert von der Tier- und Pflanzenwelt, die Menschen befähigen sollen, auf unwirtlichen Planeten wie Mond, Mars, Jupiter und Merkur zu leben. Oxman vergleicht die 3D-Druck-Technologie durch die additive Konstruktionsweise mit organischem Wachstum. Noch sind die Kapillaren der „Wearables“ aus Photopolymereacrylharz-Kunststoff und die biologischen integrierten Prozesse nur Konzept – doch es gibt bereits Versuche, organisches Gewebe zu drucken.

Die nächste Generation

Nach dem Besuch der Euromold ist klar: Bei der Luftfahrt, Großindustrie, Automobilbranche und Medizintechnik sind die Weichen für eine Serienfertigung mittels additiven Technologien bereits gestellt. Nicht so im Konsumgütermarkt – hierfür sind die Verfahren noch immer zu teuer. Doch für Ingenieure und Designer ergeben sich neue, vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, deren Resultate – siehe Neri Oxman – nicht abschätzbar sind. Der Hype um 3D-Drucker für den Endkonsumenten, die ab 500 Euro aufwärts erhältlich sind, wird die Herstellung noch lange nicht von der Fabrik ins Wohnzimmer rücken. Auch das ist ein Fazit der Messe. Erst, so ein Experte, wenn beispielsweise Siemens seine Baupläne für Ersatzteile ins Netz stellt und sich der Endkonsument mit CAD-Programmen auseinandersetzt, käme dieser Markt richtig in Schwung. Noch ist er etwas für technikbegeisterte Tüftler. Aber das wird sich ändern: Auf der Messe gab es einen 3D-Druck-Workshop für Kinder und Jugendliche. Wer weiß, vielleicht wird der Umgang mit dieser Technologie bald in Schulen auf dem Lehrplan stehen und der 3D-Drucker für diese Generation zu einem Alltagsgegenstand wie es heute bereits der Computer ist.


www.euromold.com
www.stratasys.com
www.eos.info
www.stage.slm-solutions.com
www.3dsystems.com
www.dmrc.uni-paderborn.de
www.fraunhofer.de
www.materialecology.com
www.cirp.de
www.purmundus.de

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Materialinnovation in der Stereolithographie: 3D Systems bietet sein patentiertes Epoxidharz Accura nun mit Keramikkörnchen als „Bluestone“ an.
Foto © Martina Metzner, Stylepark
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Komplexe räumliche Geometrien – wie hier im Bild – sind durch additive Fertigungstechnologien überhaupt erst möglich. Foto © Martina Metzner, Stylepark
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Sinterprozess: das Metallpulver wird durch den Laser präzise verschmolzen.Foto © Martina Metzner, Stylepark
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Design, gedruckt: Die Wabenstruktur des „Cellular Loop“ ist dort enger, wo eine höhere Belastung auftritt. Foto © Martina Metzner, Stylepark
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Mit dem Polyjet-Verfahren gedrucktes „Wanderers“ Kleidungsstück von MIT-Professorin Neri Oxman, die Menschen befähigen soll, auf dem Planeten Merkur zu überleben. Foto © Martina Metzner, Stylepark
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Gesinterte Leuchte „Cynara SLS” der Marke Purmundus vom Dienstleister Cirp. Foto © Martina Metzner, Stylepark
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Die Funktion des aufgehenden Blütenblatts ist mitgedruckt. Foto © Martina Metzner, Stylepark
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„Streetscooter 16“ der RWTH Aachen: Von der Skizze bis zum Prototypen-Endmodell dauert es nur neun Monate – dank additiver Fertigung. Foto © Martina Metzner, Stylepark
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Prototype für Prototypen: der „XFab”-Stereolithographie-Drucker von DWS soll im kommenden Jahr auf den Markt kommen. Foto © Martina Metzner, Stylepark
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Üben für die Zukunft: Jugendliche auf der Euromold. Foto © Martina Metzner, Stylepark