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Ein Garten in der Schleife: Venezianische Streifzüge Folge 2
von Thomas Wagner | 16.07.2009

Im Nachhinein fragt man sich, wo man eigentlich gewesen ist, ob im Pavillon der Tschechoslowakei oder einfach in den Giardini. Gab es da überhaupt einen Pavillon? War es bloß eine Narretei, der man aufgesessen ist? Oder gehört es schlicht zu den Grundmustern der zeitgenössischen Kunst, dass sie den Betrachter in einer Schleife gefangen hält, in der sich, was er noch eben zu kennen glaubte, verdoppelt und als etwas Fremdes wiederholt?

Der von Roman Ondák gestaltete tschechische und slowakische Pavillon ist eine irritierende Schleife. Der Künstler vereint mit seiner in situ realisierten Installation nicht nur die offiziell getrennten Staaten Tschechien und Slowakei wieder miteinander - repräsentiert also ein Gebilde, das es nicht gibt; er macht auch Innen- und Außenraum auf ebenso simple wie wirkungsvolle Weise ununterscheidbar, da - Türen gibt es keine - drinnen mehr oder weniger derselbe Park existiert wie draußen. Man betritt den Pavillon, über dem noch immer Tschechoslowakei steht, und bleibt doch zugleich draußen; man fühlt sich zwischen Sträuchern und Bäumen wie ein Flaneur auf den Wegen der Giardini - und ist doch mittendrin im Raum der Kunst. Man schaut auf reale Pflanzen, und doch erscheinen diese zugleich wie Kopien oder Fakes ihrer selbst.

Als Jasper Johns seine ersten Flaggenbilder malte, musste sich der Betrachter fragen: Is it a flag or is it a painting - ist es eine Flagge oder das Gemälde einer Flagge? Ähnlich irritierend, weil zwischen einem realen Gegenstand und seiner Kopie, einer Waschmittelpackung und einem Kunstwerk schwankend, wirkten auch Andy Warhols „Brillo"-Boxes. Nun muss man fragen: Ist es ein Park oder ist es das Bild eines Parks? Ondáks „Loop" ist eine hintersinnige Passage zwischen realer und symbolischer Ordnung, in der man den Riss zwischen beiden wahrnehmen kann. Spielerisch lässt sich zudem erfahren, was in der Theorie Territorialisierung und Deterritorialisierung heißt. Also läuft man immer wieder durch diesen Park, der ein Park ist und das dreidimensionale Bild eines Parks, in dem die zweite Natur eines angelegten Gartens zu Kunst wird, und Fiktion und Realität aufs Schönste beginnen, sich im Kreise zu drehen.

53. Internationalen Kunstausstellung der Biennale Venedig
7. Juni - 22. November 2009
www.labiennale.org