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Fließender Stein
von Nancy Jehmlich | 19.12.2009

Als er nach Feierabend mit dem Auto auf dem Heimweg war, kam Matthias Bach die Idee zu einer neuen Steinoberfläche. Matthias Bach arbeitet seit zwölf Jahren bei der Firma Ströhmann Steinkult im hessischen Hofheim-Wallau, einem familiengeführten Unternehmen, in der Produktion- und Entwicklungsabteilung. In seinem Büro stehen Kisten voller unterschiedlicher Gesteinsproben und den Ergebnissen diverser Verarbeitungsexperimente. Bei seinen neuesten Versuchen, wird Stein fast zu einem fließenden Material. Einmal sind zwei Steinbänder, zusammen heißen sie zu recht „Steingeflecht", luftig ineinander verwoben, das andere Mal, beim Steindekor „Change", ähnelt das Muster grob dem Prinzip von Streckmetall. Beide Dekore durchbrechen die Oberfläche und dringen in die Tiefe des Steins vor, womit die Grenze zwischen Oberflächenbehandlung und Formgebung durchbrochen wird.

„Tendenza S" heißt die neue Art der Steinbearbeitung bei Ströhmann: Das italienische Wort „Tendenza" steht für Strömung oder Neigung, das „S" für Ströhmann. Dahinter verbirgt sich eine Steinmodulation, in der sich Kunst und Handwerk verbinden. Schon seit ungefähr fünf Jahren beschäftigt sich das Unternehmen mit dieser Art der Oberflächenbearbeitung. Dabei verdankt sich die Entwicklung neuer Oberflächen stets einem Experiment, entwickelt sich aus einem stetigen Prozess, der sich auf der Basis der Zusammenarbeit von Designer, Architekt und Innenarchitekt entfaltet. Es wird ein Muster entworfen, von dem eine Probe gefertigt wird, aus der dann wiederum Rückschlüsse auf das weitere Vorgehen gezogen werden, einschließlich aller Rückschläge, die natürlich dazugehören.

In einem solchen Labor - auch „Entwicklungsabteilung" genannt - arbeiten bei Ströhmann Steinkult fünf verschiedene Fachkräfte. Doch Ideen einbringen kann jeder im Unternehmen. Denn egal, ob einem auf dem Weg zum Zahnarzt etwas auffällt oder am Sandstrand, jeder kann überall einen guten Einfall zu einer neuen Steingestaltung haben. Besonders die Natur ist ein ständiger Ideengeber, meint Uwe Ströhmann, einer der Geschäftsführer. „Schaut man sich beispielsweise die Rinde eines Baumes an, dann ist sie bei jedem Baum anders." Auch jeder Stein hat seine ganz eigene Oberflächenstruktur, denn Stein ist ein Naturprodukt, das heißt, jeder hat eine andere Beschaffenheit. Außerdem verändert sich der Stein im Lauf der Zeit und bekommt eine Patina.

Im Gegensatz zu seinem industriell gefertigten Konkurrenten, der Keramik, ist Stein ein sehr individuelles Material. Dementsprechend behandelt Ströhmann seine Aufträge. Hier wird keine Massenware produziert. Jeder Auftrag wird zusammen mit dem Kunden besprochen und zugeschnitten auf dessen spezielle Bedürfnisse entwickelt. So entstehen maßgefertigte Einzelstücke, die die Mitarbeiter vor immer neue Herausforderungen stellen. Wie stark oder schwach muss man den Sandstrahl einstellen, damit ein ausgewählter Stein bei einer bestimmten Dicke nicht durchbohrt wird? Wie muss eine Steinabdeckung aufgebaut sein, um hinterleuchtet werden zu können? Wie kann man eine Bar aus Naturstein bauen, die so leicht wie möglich ist?

„Tendenza S" beispielsweise entstand aus dem kreativen Experimentieren im Zusammenspiel von Mensch und Maschine. Denn es braucht eben beides: Menschen wie Matthias Bach und all die anderen Mitarbeiter, die eine Idee bis zu ihrer Verwirklichung verfolgen, und neue Technologien, die helfen, Ideen umzusetzen, die sich bislang nicht haben realisieren lassen. Damit sich die Möglichkeiten der Natursteingestaltung und deren Genuss vervielfachen. Alles andere gibt es schon.

www.stroehmann.de