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Hauptsache extravagant
von Martina Metzner | 28.08.2015
Hier bekommt der Holzkopf eine ganz neue Bedeutung: Baseball-Cap vom italienischen Label Tête de Bois. Foto © Tête de Bois

Der Hut ist mehr als nur eine Kopfbedeckung. Er ist ein Kleidungsstück, das wie kein anderes symbolisch und metaphorisch aufgeladen ist: Schließlich hat derjenige etwas zu sagen, der den Hut auf hat. Mitunter zieht man seinen Hut vor jemanden und angeblich stecken unter alten Hüten oft die klügsten Köpfe – und nicht hinter Zeitungspapier, wie es uns die Frankfurter Allgemeine Zeitung seit den 1960er Jahren weismachen will. Berthold Brecht dichtete einst: „Der Mensch ist gar nicht gut / drum hau ihn auf den Hut. / Hast du ihn auf den Hut gehaut / Dann wird er vielleicht gut.“ Nun, die etwas grobe Maßnahme, die hier beschrieben wird, würde heute gar nicht möglich sein. Denn die Kopfbedeckung ist aus unserem Alltag fast gänzlich verschwunden. Und bitte: eine Baseball-Kappe akzeptieren wir nicht als Hut, ist sie doch nur das Pendant zur Narrenkappe. Selten noch blitzt der Hut als modisches Accessoire wieder auf, dann nämlich, wenn ein Star oder Sternchen die Kopfbedeckung zur Schau trägt – der Aufmerksamkeit wegen.

Anhand der Geschichte des Hutes lassen sich Entwicklungen und Ansichten in Gesellschaft und Arbeitswelt, in Freizeit und Mode gut ablesen. Bis in die 1950er Jahre war der Hut ein selbstverständliches Kleidungsstück. Für Frauen war er sogar ein Muss – barhäuptig auf die Straße zu gehen war früher verpönt. Noch vor knapp 50 Jahren galt er als Statussymbol; „Signature Piece“ würde man heute dazu sagen. Man schmückte sich immer mit den neusten Kreationen. Ausgefallen durften sie sein, gerne garniert von Blumen und Federn exotischer Vögel.

Zur Zier, aber vorrangig zum Schutz vor der Sonne waren es seither robuste Strohhüte, die – abgeleitet von den einfachen Exemplaren der Landbevölkerung – auch zunehmend bei den Städtern en vogue wurden. Berühmte Beispiele sind etwa die großen Strohhüte einer Brigitte Bardot oder einer Silvana Mangano, wie in dem Film „Bitterer Reis“. Auch Andrey Hepburn und Grace Kelly ließen sich gerne mit großen, sommerlichen Strohhüten blicken – ganz „ladylike“ mit Schleife bien sûr. Aktuell bevorzugen die Damen Schlapphüte, die aus Stroh aber auch aus Filz gefertigt werden, während die Herren Strohhüte mit kleiner Krempe tragen. Auch der Panama-Hut hatte in den vergangenen Jahren ein Comeback.

Wer aber aus dem modischen Allerlei herausstechen möchte, für den haben wir ganz besonders ungewöhnliche Stücke für das Haupt herausgesucht. Etwa jene von dem Hutkünstler Philip Treacy. Der Ire stattet nicht nur die Besucherinnen des Pferderennens in Ascot, sondern auch den englischen Hofadel aus. Nichts für Holzköpfe sind die Exemplare des italienischen Labels Tête De Bois, die – man ahnt es – Hüte aus Holz fertigen. Die Kopfbedeckungen der Niederländerin Eugenie van Oirschot und vom australischen Label Aniss erwecken allesamt den Eindruck, als hätten hier Ingenieure mitgewirkt, erinnern die Hut-Konstruktionen doch an Pergolen, Triebwerke und Absperrgitter. Freilich sollte auch der Anlass und das Outfit zu dem extravaganten, egozentrischen Schattenplätzen für den Kopf passen – und nicht zuletzt die Persönlichkeit, wie Treacy betont. Denn: Wer solch einen Hut trägt, der kann sich kaum in dessen Schatten verstecken.

www.philiptreacy.co.uk
www.lunehats.nl
www.tetedebois.it
www.studioaniss.com


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