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Heiße Marken
von Thomas Edelmann | 17.03.2015
Groß, größer, Buderus: Auf einer gigantischen Videoleinwand präsentierte das Unternehmen seine Markenbotschaften. Foto © Adeline Seidel, Stylepark

Nicht allein die öffentliche Infrastruktur Deutschlands ist erneuerungsbedürftig. Neben Brücken, Straßen und Bahntrassen rumpelt es auch in der installierten Heiztechnik. In vielen privaten Haushalten entweichen dem Schornstein dank veralteter Gerätschaften zu viel CO2 und zu viel ungenutzte Abwärme. Jahr für Jahr untersuchen Schornsteinfeger im Rahmen der Feuerstättenschau bundesweit Heizanlangen in rund 14 Millionen Gebäuden. Nach der zuletzt bekannt gewordenen Erhebung von 2013 sind jeweils etwa 20 Prozent der Öl- und Gasfeuerungsanlagen über 22 Jahre alt oder sogar älter als 30 Jahre. Trotz vieler Ausnahmen und Übergangsfristen müssen etliche Betreiber nun über eine neue Heizung nachdenken und stehen mehr denn je vor der Qual der Wahl. Wo vor Jahrzehnten noch darüber spekuliert wurde, ob eine Gas- oder eine Ölheizung vorzuziehen sei, ist der heutige Markt von Geräten zur Wärmeerzeugung, -verwandlung und -nutzung beinahe so unübersichtlich wie die Branche der Automobilhersteller.

Es gibt Nischenprodukte jeder Art und Größe. Die meisten Anbieter haben ihre frühere Spezialisierung aufgegeben und haben nahezu alle technischen Systemvarianten im eigenen Portfolio. Doch anders als beim Auto geht es nicht um Image, Form, Funktion und Technik von SUV oder Cabrio, Kombi oder Limousine und deren Derivaten, sondern vor allem um eine Investition. Und die soll zukunftssicher, wirtschaftlich, komfortabel und ökologisch vertretbar sein. Neben veralteter Technik gibt es für die Branche einen positiven Effekt, dank bereits erfolgter Dämm- und Sanierungsmaßnahmen. Denn etliche Heizanlagen sind heute überdimensioniert und produzieren mehr Wärme als nötig, was zu einem schnelleren Verschleiß der Technik führt. Womöglich müssen die Betreiber bestehende Installationen also schneller ersetzen, als ihnen lieb ist.

Das Familienunternehmen Vaillant macht auf seinem Messestand sichtbar, was in den oftmals glatten und glänzenden Gehäusen der Heizanlagen steckt. Foto © Adeline Seidel, Stylepark

Raus aus dem Forschungsstadium

Als gegenwärtiges Optimum für privat betriebene Gas- und Ölheizungen gilt die Brennwerttechnik. Nur ein knappes Viertel der heute betriebenen Anlagen entspricht bereits diesem vergleichsweise sparsamen Standard. Eine Brennwert-Therme kühlt das Abgas weitestgehend ab und verwertet durch Kondensation selbst die im Rauchgas enthaltene Wärme. Eine zunehmende Rolle spielt die Energiegewinnung aus nachwachsenden Rohstoffen, die im Privathaushalt durch eine Kombination mit herkömmlichen Brennstoffen in komplexen Anlagen genutzt werden kann.

Nicht nur Brennstoffe wie Holzpellets kamen in den letzten Jahren hinzu, sondern auch Wärmepumpen verschiedener Art, die aus Erde, Luft und Wasser Wärme gewinnen. Sie werden betrieben mit Strom oder neuerdings mit Gas. Sollen sie wirtschaftlich arbeiten, erzeugen sie drei Mal mehr Wärmeenergie als sie als Antriebsenergie benötigen. Vom Exotenprojekt zum verbreiteten Standard hat sich die Warmwasserbereitung und Heizungsunterstützung per Solarthermie entwickelt. Zur Speicherung von Wärme oder zur Umwandlung von Energie werden gedämmte Wasserspeicher benötigt. Langsam verlassen Techniken wie die Brennstoffzelle oder die Kraft-Wärme-Kopplung das Stadium der Feldforschung und Erprobung. Mit ihnen wird es möglich, aus einer einzigen Energiequelle zugleich Wärme und Strom zu produzieren, was unter bestimmten Prämissen eine reizvolle Option sein kann. Für private Anwender sind diese Zukunftstechniken trotz gewisser Subventionen meist noch zu teuer, um wirtschaftlich zu sein.

Buderus bietet seinen Kunden nun auch ein App mit dem man eine Bestandsaufnahme des Heizungsraums vor Ort durchführen und sodann passende, neue Produkte bestellen kann.
Foto © Thomas Edelmann

Ökodesignrichtlinie und Heiz-Apps

Am anderen Ende der Produktpalette stehen die Kaminöfen, die seit einiger Zeit zurück in Haus und Wohnung drängen. Sie lassen Wärme als Feuerstelle wieder anschaulich werden. Zudem bilden sie einen Gegenpol zum automatisierten Heizsystem. Geradezu vormodern wirken die Abläufe der Lagerung und Aufbereitung von Holz, die nötig sind, um einen Kamin zu nutzen. Als zusätzliche Stufe der Komplexität lassen sich auch Kamine und Öfen mit anderen Techniken von Heizung und Warmwasserbereitung kombinieren. Trotz neuer, verpflichtender Energieverbrauchs-Labels der „Ökodesignrichtlinie“ ist genaues Planen und Rechnen nötig. Denn erstaunlich genug: Das Perpetuum mobile gibt es nicht, schon gar nicht bei der Heizung der Zukunft.

Doch was offeriert die ISH an veränderten Leitbildern? Wie verhalten sich Marken und Herstellergruppen zueinander? Das Internet der Dinge, die digitale Steuerung komplexer Heizungstechnik in den Händen der Nutzer, wird mit der aktuellen Gerätegeneration zum Normalfall. Mit Apps, Smartphone und Tablet lassen sich individuelle Einstellungen vornehmen und die Energienutzung dokumentieren. Zugleich erlaubt die Vernetzung dem Installateur die Ferndiagnose der Heizung, was Zeit und Kosten sparen soll. Mit der damit veränderten Beziehung von Hersteller und Kunde erhält die Bekanntheit der Marken neues Gewicht. Für die Bosch Thermotechnik, mit 3,2 Mrd. Euro Umsatz und rund 13500 Mitarbeitern (Stand: 2013) derzeit weltweit größter Anbieter der Branche, hat dies Konsequenzen.

Die Marken Buderus (deren Anfänge auf das Jahr 1731 zurückgehen) und Junkers, (die 1895 in Dessau gegründet wurde und zu den wenigen Unternehmen gehörte, die während der 1920er Jahre tatsächlich Aufträge ans Bauhaus vergaben, etwa Messestände von Joost Schmidt gestalten ließ), sind beim Endkunden von heute nicht bekannt genug. Bosch, bislang nur mit Großanlagen für die Industrie im Heizungsmarkt aktiv, soll als Marke in den kommenden Jahren stärker in den Vordergrund treten. Werden die Traditionsmarken tatsächlich verschwinden? Buderus hat für die Strategen eher regionale Bedeutung. In Zeiten der Globalisierung und mit einem Exportanteil von 55 Prozent ist dies für das Marketing anscheinend keine Auszeichnung, sondern ein schwerer Makel, den man nicht gedenkt durch erhöhten Werbeaufwand zu kompensieren. Und so werden die Marken Buderus wie auch Junkers bereits seit Langem wenig präzise positioniert und in Zukunft zur Disposition gestellt.

Nebeneinander präsentiert, soll sich der etablierte Markenname „Bosch“ positiv auf die Tochtergesellschaft „Junkers“ auswirken. Foto © Thomas Edelmann

Stefan Diez bleibt ungenannt

Bei Junkers werden am Stand die Wortbildmarken von Mutter- und Tochtergesellschaft parallel nebeneinander präsentiert. Auf digitalen Nutzeroberflächen erscheinen beide untereinander. Bosch soll so positiv auf Junkers abstrahlen. Ob das gelingen wird? Buderus, bislang mit Blautönen etabliert, die bislang auch das Gehäusedesign prägten, zeigt plötzlich sein Logo weiß auf schwarz auf einer monumentalen Videowand. Auch die neuen Produkte der „Titanium“-Linie künden vom Wandel. Sie sind verkleidet in schwarzes oder weißes Glas und deuten darauf hin, dass Heiztechnik in Zukunft höhere Weihen der Wohnzimmertauglichkeit erhalten soll (bei Bosch heißen die Geräte „Logamax“, bei Junkers „Cerapur“).

Während Bosch bei den Hausgeräten längst mit durchgängiger Klarheit auftritt, erlauben sich die Tochtermarken ein vielseitiges Durcheinander. Auf der einen Seite gibt es neue Kaminöfen von Stefan Diez (von dessen Autorenschaft am Stand niemand etwas erfährt), auf der anderen werden Heizthermen und ein neues digitales Regelsystem für Großanlagen („Logomatic 5000“) präsentiert. Kurz: So sehr die Geräte technisch miteinander interagieren und aufeinander abgestimmt sind, so wenig bilden sie gestalterisch eine Einheit.

Seit 1899 ist ein Osterhase im Ei das Markenzeichen von Vaillant, das zuletzt 2009 neu entworfen wurde. Foto © Thomas Edelmann

Vaillant goes green

Ganz anders sieht es bei der zweitgrößten Marke aus, der Vaillant Group (2,38 Mrd. Umsatz, 12000 Mitarbeiter), die mit Vaillant, der einzigen in Deutschland aktiven Marke auftritt. Einheitliche Farbigkeit und eine durchdachte Präsentation des Firmenstandes schärfen das Profil des Familienunternehmens. Seit 1899 ist ein Osterhase im Ei das Markenzeichen, das 2009 zuletzt neu entworfen wurde. Um auf vernetzte, effiziente und selbstadaptierende Technik hinzuweisen, hat man sich das eigene Label „Green iQ“ ausgedacht, das als „nachhaltigste und intelligenteste Produktreihe“ des Unternehmens präsentiert wird. Zeichen dieser Art funktionieren, doch wirken die Bemühungen wenig originell und etwas überstrapaziert. Erst recht, wenn es um die Sicherheit in der Zukunft gehen soll. Bekanntlich hält sich die Innovation von morgen nämlich nicht an gestalterische Formen und Konventionen der Jetztzeit. Doch insgesamt erscheint die Mischung aus Neuerung, Forschung, Information und Unterhaltung am Stand ausgewogen, auch wenn einzelne Geräte und Techniken nicht in Erinnerung bleiben.

Bei Viessmann präsentiert man stolz die neue Brennstoffzellen-Heizung mit dem prätentiösen Namen „Vitovalor 300“, mit der sich bis zu 40 Prozent Energiekosten einsparen lassen sollen. Foto © Adeline Seidel, Stylepark

Klare Designsprache bei Viessmann

Die derzeitige Nummer drei unter den deutschen Heizungstechnik-Unternehmen Viessmann scheint den Wettbewerbern gestalterisch längst enteilt. Mit 2,2 Mrd. Euro Umsatz und derzeit 11500 Mitarbeitern ist das Unternehmen wie Vaillant bis heute im Familienbesitz und präsentiert die gesamte Breite der Heizungstechnik. Trotz der damit verbundenen Vielfalt konzentriert sich Viessmann auf drei Hauptthemen „Hybrid“, „Connect“ und „Power“. Das Standdesign korrespondiert perfekt mit der im Jahre 1967 von Rambald von Steinbüchel entworfenen Messehalle. Drei jeweils acht Meter hohe Türme bilden den Blickfang des Messeauftritts. „Hybrid“ steht für Heizanlagen, die Brennwert- und Wärmepumpengeräte kombinieren, wobei jeweils automatisiert die günstigste Betriebsweise abhängig von Außentemperatur und Energiepreis optimiert eingestellt wird. Unter dem Stichwort der Vernetzung wird das Gebäude-Energiemanagement per Touchdisplay oder App vorgestellt. Beim Thema „Power“ geht es um Stromerzeugung, Nutzung und Speicherung, wobei die Kraft-Wärme-Kopplung mit Stirling-Motor und Brennstoffzelle im Vordergrund steht.

Viessmann bietet für Neubauwohnungen mit geringem Wärmebedarf Geräte an, die Strom- und Wärmeproduktion mit einem Doppelgerät („Vitovalor 300-P“) und einheitlicher Abgasführung ermöglichen. Die Brennstoffzelle stammt dabei von Panasonic. Immer wieder überraschend ist, wie logisch und sicher die gestalterischen Bausteine von der Fernbedienung über die Nutzeroberfläche einer App, wie unterschiedliche Objekte und Softwareoberflächen bis hin zur Industrie-Großanlage in variantenreicher und dennoch abgestimmter Formensprache von Phoenix Design zueinander passen. Und über allem scheint noch immer der Geist von Anton Stankowski zu schweben, der 1960 das Erscheinungsbild der Marke schuf und von seinen Nachfolgern bis auf den heutigen Tag wohl doch verstanden wurde. Ein Einzelfall.

Am Stand von Junkers wird die Wärmepumpe „Cerapur“ präsentiert, ein Hybridgerät, das Luft- Wasser- und Wärmepumpe miteinander kombiniert. Foto © Adeline Seidel, Stylepark

Die Welt der Gitterchen und Roste

Betritt man die Halle der Kaminofenhersteller, so gerät man in eine gänzlich andere Welt. Gestaltendes Handwerk trifft hier nur sehr vereinzelt auf Design. Formen und verwendete Materialien gleichen sich. Hier feiert eine Gestaltungswelt der Gitterchen und Roste, der gedrehten Knebel und Materialspielereien fröhliche Urstände, die vom Industrie- und Produktdesign längst überwunden schien. Technisch müssen die Kamine mit den Heizungsanlagen mithalten, sie sind längst mit ihnen vernetzt und Teil der großen häuslichen Wärmemaschine. Und doch unternehmen die meisten Aussteller alles, damit dies in Vergessenheit gerät. Keine Form ist hier zu krude, kein Display zu verspielt.

Das Thema Marke spielt bei den meist kleinen Betrieben eine wesentliche Rolle, allerdings überwiegend in einem traditionell handwerklichen Verständnis, bei dem Zeichen eingraviert, geschraubt und eingestanzt werden. Umso erfreulicher die Ausnahmen: Etwa der Schweizer Hersteller Attika Feuer, der nicht einfach nur puristische Kamine anbietet (gestaltet von Designer Stefan Stauffacher und Firmenchef Erwin Hauenstein), sondern auch auf simple Bedienung und geringe Abgasbelastung hohen Wert legt. Bei einer Gerätereihe werden die Rauchgase nachverbrannt, was die Abluft säubert. Anders als die Heiztechnik-Giganten, setzt er dabei nicht auf die Steuerung per App. Die wäre bei einem Kaminofen auch kaum sinnvoll. Im Gegenteil Hauenstein konstruiert seine Kamine so, dass der Nutzer nahezu nichts falsch machen kann. Im unübersichtlichen Markt der Wärmeerzeugung mal ein origineller Ansatz.


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