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Labeljogging ist nicht mein Ding
IM GESPRÄCH:

Dietrich F. Brennenstuhl


25.02.2014

Der Firmensitz von Nimbus in Stuttgart-Feuerbach liegt inmitten eines Gebiets, in dem man den fundamentalen Wandel mit einem Blick erfassen kann, den die Industrieregion am Neckar in den vergangenen Jahrzehnten durchgemacht hat. Hier haben einige schlichte Einfamilienhäuser samt Hecke und Vorgarten aus der Nachkriegszeit überdauert, die neben Industriebauten, mehrstöckigen gläsernen Showrooms namhafter Automobilhersteller und „Mr. Wash“, einer monumentalen, amerikanisch wirkenden Autowaschanlage, wie eingestreute idyllische Inseln auf einer Modelleisenbahnanlage wirken. Gleich neben der Einfahrt zu Nimbus wirbt ein Plakat von „Jonny M.“ mit einem straffen Waschbrettbauch für schweißtreibende Work-outs. Dass hier puristische LED-Leuchten entwickelt, gestaltet und produziert werden, ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen.

Dabei hängen Leuchten von Nimbus nicht nur in Galerien, Villen und Vorstandsbüros oder versorgen ganze Bürogebäude mit blendfreiem Arbeitslicht. Auf Wunsch produziert das 1988 gegründete Unternehmen, das heute weltweit als einer der Vorreiter in Sachen LED-Technik gilt, auch maßgeschneiderte Unikate, die auf ein bestimmtes Projekt und die Anforderungen des Architekten zugeschnitten sind. Da er selbst Architekt ist, kann Dietrich F. Brennenstuhl gut einschätzen, für welche individuellen Lösungen sich seine Kollegen begeistern können. Zwischen 10 und 15 Prozent des Jahresumsatzes erzielt das Unternehmen heute mit solchen Sonderleuchten. Dabei hat das von LEDs erzeugte Licht, da die Leuchtelemente selbst immer kleiner werden, auch noch ganz andere Qualitäten.

Thomas Wagner: Herr Brennenstuhl, hat Licht für Sie auch eine Bedeutung, die über das Physikalisch-Technische hinausgeht? Die Metaphysik des Lichts spielt ja etwa im Christentum eine große Rolle. Ihre Firma heißt ja schließlich „Nimbus“?

Dietrich F. Brennenstuhl: Da muss man aufpassen, dass man den Bogen nicht zu weit spannt. Ich habe während meines Studiums angefangen, mich bewusst mit Licht auseinanderzusetzen. Schon damals ist mir aufgefallen, dass wir uns – im Architekturstudium – gar nicht mit Licht auseinandergesetzt haben. Da hat man vielleicht noch, was die Zeit der alten Griechen angeht, über irgendwelche Lichteinfallsmöglichkeiten in Gebäuden durch Fensterflächen gesprochen oder wie man in Räumen bewusst mit künstlichem Licht umgeht. Mehr ist vor 30 Jahren nicht gelehrt worden. Obwohl Licht für den Menschen lebenswichtig ist.

Wie beurteilen Sie das Verhältnis zwischen der materiellen Gestalt der Leuchte und dem Licht selber? Was bedeutet es für das Design, dass die Leuchte, die Licht produziert und in den Raum aussendet, immer weniger in Erscheinung tritt? Licht, das einfach erscheint – das hat doch etwas Magisches?

Brennenstuhl: In der Auseinandersetzung mit der LED sind solche Gedanken schon hier und da aufgekommen. Wenn Sie sich eine Glühbirne vorstellen und daneben ein winzig-kleines LED-Element, das vor sich hin glimmt und in der Summe vieler solcher Element sehr viel Licht erzeugt, dann hat das schon eine sehr starke, in gewisser Hinsicht poetische oder magische Wirkung.

Was denken Sie, wie wird sich die Formensprache Ihrer LED-Leuchten weiterentwickeln?

Brennenstuhl: Ich würde sagen: Sie wird bestimmt werden durch die Weiterentwicklung der LED und der technologischen Möglichkeiten, die dahinterstehen. Nehmen Sie die Kegelsenkung. Sie ist mittlerweile zum typischen Erkennungsmerkmal von Nimbus geworden. Es kann sein, dass die Kegelsenkung irgendwann überholt sein wird. Es könnte aber auch sein, dass wir die Kegelsenkung als typisches Nimbus-Gestaltungselement wie ein Hologramm in das Material einbinden, sie also nur noch eine bedingte oder vielleicht gar keine Funktion mehr hat. Vielleicht läuft sie noch eine Zeit mit und verschwindet dann. Ich würde schon sagen, dass sich das Design – zumindest bei Leuchten – stark am technologischen Fortschritt orientiert. LEDs sind heute wesentlich kleiner als vor fünf oder sechs Jahren. Damals waren es fünf mal fünf Millimeter, heute gibt es LEDs mit einer Kantenlänge von einem Millimeter. Die Folge ist: Auch eine Kegelsenkung sieht plötzlich ganz anders aus. Als Hersteller oder Designer wünscht man sich ja immer, einen Klassiker gemacht zu haben. Die Chancen, das mit einem sehr reduzierten Licht-Element zu schaffen und etwas Zeitloses zu entwerfen, stehen meiner Ansicht nach nicht schlecht.

Wenn Sie auf die Designgeschichte zurückblicken – gibt es eine Leuchte, die Sie besonders schätzen?

Brennenstuhl: Kennen Sie die Tischleuchten von Christian Dell für Kaiser? Das, finde ich, ist ein wunderbarer Klassiker!

Haben Sie noch andere Favoriten?

Brennenstuhl: Wen ich immer stark fand – ich habe es schon erwähnt – ist Ingo Maurer. Einfach aufgrund seiner poetischen Orientierung. Ansonsten habe ich mich eigentlich nie an Entwürfen anderer orientiert.

Wenn Sie sich unter den Zeitgenossen eine Designerin oder einen Designer aussuchen könnten – mit wem würden Sie gern zusammenarbeiten? Wen würden Sie fragen?

Brennenstuhl: In unserer Kantine hängt groß an der Wand ein Ausspruch von Picasso, der besagt: Mir geht es nicht um das Suchen, sondern um das Finden. Will sagen: Ich muss jetzt nicht auf einen Konstantin Grcic zugehen. Ich finde die Arbeiten von Konstantin Grcic ganz toll und vielleicht ergibt es sich einmal, dass wir gemeinsam etwas entwickeln. Ich könnte mir aber auch sehr gut vorstellen, dass ein völlig unbekannter Designer – Rupert Kopp, der die Roxxane-Leuchte entworfen hat, kannte ich vorher auch nicht – auf uns zukommt und es einfach passt und wunderschöne Dinge entstehen. Ich finde es schwierig, sich mit großen Namen zu schmücken. Labeljogging ist nicht mein Ding. Das passt nicht zu uns. Ich sehne mich ehrlich gesagt gar nicht so sehr nach Designern, sondern mehr nach Architekten. Das hängt sicher damit zusammen, dass ich selbst Architekt bin. Ein Designer geht vom Produkt in den Raum – wenn er überhaupt den Raum mitdenkt. Ein Architekt kommt immer vom Raum und schaut erst dann aufs Produkt. Aus diesem Unterschied im Gestaltungsansatz entsteht ein interessantes Spannungsfeld. Deswegen arbeite ich gerne mit Architekten zusammen, verstehe mich, was Architektur, aber auch was Licht angeht, zum Beispiel gut mit Stefan Behnisch und empfinde Gespräche mit ihm als sehr anregend und befruchtend. Wo in einem Gebäude wird Licht gebraucht? Wie kann eine Lichtquelle sinnvoll eingesetzt werden?

Nun muss ich Sie wohl auch fragen, welche Favoriten Sie bei den Architekten haben?

Brennenstuhl: Dann würde ich mal sagen – Tadao Ando.

Ganz generell japanische Architektur oder speziell Tadao Ando?

Brennenstuhl: Speziell Tadao Ando. Ich beobachte ihn seit Jahrzehnten und finde, ihm gelingt nach wie vor eine sehr ausdrucksstarke Architektur. Stefan Behnisch habe ich ja bereits erwähnt. An ihm schätze ich nicht nur, wie er mit Architektur umgeht, sondern auch, dass er das Thema „Nachhaltigkeit“ in seine Architektur einbezogen hat, als andere noch gar nicht gewusst haben, wie man das Wort schreibt. Und was Bauwerke angeht, nun ja, ich liebe die Gebäude von Le Corbusier, etwa die Kirche „Notre Dame de Haut“ in Ronchamp, was für mich mit Kindheitserlebnissen zu tun hat. Mein Vater war auch Architekt und hat uns natürlich durch sämtliche Baudenkmäler geschleust, teilweise gegen unseren Willen. Aber auch das muss man mit Kindern manchmal machen. Als ich vor Kurzem zum Motorradfahren in Mugello auf der Rennstrecke war und es geregnet hat, bin ich mit einem befreundeten Architekt nach Florenz gefahren, wo wir stundenlang staunend vor dem Dom gestanden, jedes Detail angeguckt und uns gefragt haben „Wie ist das gemacht worden“? Solche Bauten üben eine unglaubliche Faszination auf mich aus.

Und wie sieht es bei den Künstlern aus?

Brennenstuhl: Es ist nicht so, dass ich in ein Museum gehe, um mich inspirieren zu lassen. Man sammelt punktuell Information, saugt alles auf wie ein Schwamm. Ich gehe mit meiner Frau gern ins Ballett oder in die Oper, in zeitgenössische Choreografien oder Stücke. Ich liebe die Bühnenbilder und die Inszenierungen und manchmal erinnere ich mich Wochen später an einzelne Bilder, die mich gefangengenommen haben. Auf diese Weise entstehen Energien, die mir vielleicht einen Impuls geben, der in meine tägliche Arbeit einfließt.

Meine Frage war nicht funktional gemeint. Jeder hat seine Vorlieben. Wie halten Sie es mit Künstlern, die mit Licht arbeiten?

Brennenstuhl: Was das angeht, würde ich James Turrell nennen. Wichtiger aber ist mir die Natur.

Die Natur?

Brennenstuhl: Ja, Natur. Das ist für mich ein ganz wichtiger Faktor. Am Ende ist es aber eine Mischung aus Design, Architektur, Kunst und Natur, auf die es ankommt.

An welchen Projekten arbeiten Sie gerade?

Brennenstuhl: Im Moment ist es spannend, die richtige Positionierung im Markt zu finden oder beizubehalten. Sie müssen sich das so vorstellen: Als wir vor acht Jahren ins Thema „LED“ eingestiegen sind, hatten wir ein Alleinstellungsmerkmal. Kaum jemand kannte LEDs und es war nicht leicht, ein weitgehend unerprobtes Leuchtmittel in einem Gebäude einzusetzen. Deswegen war es dann auch gut, gemeinsam mit Stefan Behnisch ein Großprojekt realisieren zu können und im Fall von Unilever auf Leute zu treffen, die Verständnis für die neue Technik und Vertrauen in unsere Marke aufgebracht haben – und das Risiko eingegangen sind, ein ganzes Gebäude damit ausstatten zu lassen. Wer damals bereit war, die neue Technologie anzunehmen, hatte kaum Alternativen zu Nimbus. Heute gibt es Alternativen. Manche sind hin und wieder günstiger im Preis. Ob sie aber unbedingt schöner, qualitativ besser oder effizienter sind, das interessiert bei der Ausstattung eines gesamten Gebäudes nicht immer in erster Linie. Unter den veränderten Bedingungen unsere Position zu finden, das ist für uns eine Herausforderung.

Die Art der Herausforderung hat sich also verändert?

Brennenstuhl: Die hat sich verändert, ja. Es war klar, dass wir unsere Position als Vorreiter nicht lange würden aufrechterhalten können. Deswegen rennen wir heute nicht mehr jedem Großprojekt hinterher. Ergibt sich die Möglichkeit, dann gehen wir da gerne mit. Ansonsten liegt unser Schwerpunkt heute eher auf repräsentativen Bereichen wie Foyers, Eingangshallen und Vorstandsetagen, in denen unser technologischer Vorsprung greifen kann. Bei der Lichtsteuerung haben wir mit sehr intelligenten Schaltsystemen von Leuchten nach wie vor die Nase vorn. Ein anderer Bereich, den wir aus Kapazitätsgründen in den letzten Jahren etwas aus dem Auge verloren hatten, aktuell aber ausbauen, sind Sonderleuchten.

Was muss man sich darunter vorstellen?

Brennenstuhl: Der Architekt möchte das Rad ja immer wieder neu erfinden. Mit seiner Architektur, aber auch in seiner Architektur. Also möchte er keine Leuchten von der Stange, sondern selbst Leuchten gestalten und etwas Besonderes entwerfen. Wir arbeiten schon seit geraumer Zeit daran, die LED-Technologie so zu nutzen, dass man über ein modulares System, über eine Art Baukasten, relativ einfach unterschiedliche Formensprachen realisieren kann.


Heißt das, Sie bieten eine Art von „Customizing“ für Architektenleuchten an?

Brennenstuhl: Genau. Gepaart mit unserem Wissen und unserer Flexibilität haben wir in diesem Bereich sehr gute Chancen, bei Architekten auf entsprechende Resonanz zu stoßen. Große Firmen tun sich da eher schwer. So wird beispielsweise aktuell bei Rheinenergie in Köln ein großes Projekt realisiert, das wir nur bekommen haben, weil man für den Vorstandsbereich einen LED-Lichtring mit elf Meter Durchmesser geplant hat. Bei dieser Aufgabe hat die Konkurrenz die Waffen gestreckt. Wir hingegen haben gesagt: Das machen wir, das bekommen wir hin! Und so haben wir den Gesamtauftrag – mit Sonderleuchte, aber auch Grundbeleuchtung – bekommen. Wir haben permanent etwa 250 Projekte im Haus, an denen wir arbeiten – kleine und große. Vor allem auf den europäischen Markt. Unser Hauptabsatzmarkt ist nach wie vor Deutschland. Hier machen wir rund 55 Prozent des Umsatzes – und den Rest in Europa, wie etwa in der Schweiz, Österreich, Frankreich, Belgien oder den Niederlande. Unser bisher wichtigster Übersee-Markt ist Australien. Dort ist man mit einem Glühlampenverbot sehr früh in neue Technologien eingestiegen. Wir haben auch schon einen Schritt nach China gemacht, es ist aber – wie man ja oft hört – eine zähe Geschichte. Was solche Dinge angeht, so muss man aufpassen, dass man das nicht nur tut, um sich auf die Fahne schreiben zu können, dass man weiß Gott wo unterwegs ist. Man braucht ja für sämtliche Länder unterschiedliche Zertifizierungen. Auch was die Produkthaftung angeht, muss man vorsichtig agieren. Sich nicht zu verzetteln ist schlussendlich eine der größten Herausforderungen des täglichen Tuns.

Lesen Sie in Teil 1 unseres Gesprächs mit Dietrich F. Brennenstuhl, welche Vorteile der Chef von Nimbus in der LED-Technik sieht, mit welchen Vorurteilen LED-Licht nach wie vor zu kämpfen hat, und weshalb es am Ende auf das Zusammenspiel von Architektur und Licht ankommt.