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Man fühlt die Dreidimensionalität unter den Füßen
IM GESPRÄCH:

Petra Blaisse


27.01.2014
Los geht’s auf die Teppich-Tour: Robert Volhard, Vorstand Stylepark AG, Petra Blaisse, Inside Outside, und Autorin Uta Abendroth auf der „Innovations@Domotex“-Area in Halle 6.
Foto © Mathias Dürr

Wir beginnen unsere Messe-Tour auf der Sonderfläche „Innovations@Domotex“, die Jürgen Mayer H. gestaltet hat. Schwungvoll geformte Displays präsentieren die ausgewählten Produkte, die eine Jury unter Vorsitz von Stefan Diez als besonders innovativ ausgezeichnet hat und die hier zusätzlich zu den jeweiligen Firmen-Messeständen gezeigt werden. Petra Blaisse ist zum ersten Mal auf der Domotex und schaut sich interessiert um.

Uta Abendroth: Was ist Ihr erster Eindruck von der Messe?

Petra Blaisse: Das wirkt hier alles sehr luftig und weitläufig. Ich bin gespannt auf den Rundgang. Toll ist, dass man so viel auf einmal sehen und alles anfassen kann.

Abendroth: Das ist Ihre Domotex-Premiere. Wie haben Sie sich bisher mit Bodenbelägen vertraut gemacht?

Blaisse: Am liebsten fahren wir direkt zu den Herstellern, um uns zu informieren. Schließlich kommen die Produkte nicht zu uns ins Büro. Vieles kann man sich am Computer zusammensuchen, aber dafür hat man ja auch nicht den ganzen Tag Zeit. Und manchmal bekommt man online auch kein Gefühl für die tatsächlichen Qualitäten eines Materials. Der Vorteil meiner Generation ist, dass wir ein Grundverständnis für die Materialien und die Möglichkeiten haben – und natürlich viel Erfahrung. Aber oft genug sind wir so auf unsere eigenen Projekte fokussiert, da verpasst man manchmal andere Dinge, Neuentwicklungen, die auch für uns interessant sein könnten. So eine Veranstaltung wie diese hier erweitert auf jeden Fall den eigenen Horizont.

Abendroth: Wir haben eben auf der „Innovations@Domotex“-Sonderfläche schon eine kleine Version von Sebastian Wrongs Teppichfliesen für den dänischen Hersteller Fletco gesehen. Hier am Stand sind sie jetzt in einem größeren Format und auch mit verschiedenen Mustern ausgestellt. Was denken Sie über diesen Entwurf?

Blaisse: Teppichfliesen – waren die schon jemals ein Thema für einen Designer? Diese hier sind wirklich besonders in Bezug auf Form und Farbe. Und sie haben einen ganz kurzen Flor, so dass man sie schnell und gut sauber machen kann. Damit eignen sie sich sogar für öffentliche Gebäude wie etwa Bibliotheken. Bei der Ausstattung solcher Projekte sind Teppichfliesen geeignete Alternativen zu anderen Bodenbelägen, denn die kleinen Teile lassen sich leicht und schnell austauschen, wenn mal wirklich etwas kaputt oder allzu schmutzig ist. Und das hat dann wieder etwas mit Nachhaltigkeit zu tun, das schätze ich sehr.

Petra Blaisse diskutiert mit Uta Abendroth über die Teppichfliesen von Sebastian Wrong für Fletco. Fotos © Mathias Dürr

Die in London geborene Niederländerin entwirft selbst Textiles für drinnen und draußen, so zum Beispiel eine Teppichauslegeware mit aufsehenerregendem Muster für Rem Koolhaas’ Seattle Library: Blaisse zeigt dort fotorealistisch, stark vergrößerte Blätter und Gräser, die sie selbst in ihrem Amsterdamer Stadtgarten fotografiert und auf Textilien hat drucken lassen. Da sie in ihrer Arbeit Innen- mit Landschaftsarchitektur verbindet, interessiert sich Petra Blaisse sehr für Outdoor-Produkte. Wir sind am Stand der schwedischen Firma Bergo Flooring angekommen, die sich auf die Entwicklung und Herstellung von Fußbodenprodukten aus Kunststoff spezialisiert hat.

Abendroth: Das dürfte Sie interessieren: diese Kunststoff-Fliesen eignen sich für die Verlegung im Freien. Ob mit genoppter oder glatter Oberfläche, in vielen verschiedenen Farben oder sogar mit den Markierungen eines Tennisfeldes.

Blaisse: Das ist tatsächlich ein Produkt, das ich sehr praktisch finde. Ich würde mir gerne mehr erklären lassen.

Emil Lindén: Bei Bergo Flooring haben wir diese extrem robusten Fliesen aus dem Granulat recycelter Kunststoffkisten, wie sie für den Transport von Gemüse genutzt werden, entwickelt. Ob extreme Hitze oder Kälte, UV-Licht oder ein hohes Gewicht – 10 mal 10 Zentimeter sind mit sechs Tonnen belastbar. Dieser Kunststoffbodenbelag hält einiges aus.

Blaisse: Und wie verlegt man die Einzelteile beziehungsweise verbindet sie?

Lindén: Auf der Unterseite der Fliesen sehen Sie kleine Ringe, in die Verbindungsstücke des Gegenstücks passen. Mit einem Gummihammer kann man auf die Oberfläche klopfen – einen Bergo Flooring Boden zu verlegen ist eine Frage von Minuten. Wir bieten zwei verschiedene Größen an, 30 mal 30 Zentimeter und 38 mal 38 Zentimeter. Bei dem zweiten Maß ergeben genau sieben Fliesen einen Quadratmeter. Der Boden sollte eben sein, dann kann man die Fliesen sehr schnell verlegen. Für die Gestaltung eines Tennisplatzes bieten wir schon vorgefertigte Platten von 1,1 Quadratmeter an. Nimmt man 600 von diesen Platten und fängt am Morgen hat, hat man am Nachmittag einen fertigen Tennisplatz.

Blaisse: Und wenn ich mit dem Maß auf meiner auszulegenden Fläche nicht genau hinkomme?

Lindén: Die Fliesen lassen sich mit einem elektrischen Messer zuschneiden, so dass sie sich passgenau von Wand zu Wand verlegen lassen.

Am Stand von Bergo Flooring, Hersteller von Kunststoff-Fliesen: „Hier müsste mal ein Designer eingreifen”. Fotos © Mathias Dürr

Wir verlassen den Stand...

Blaisse: Mir gefällt die Idee, die hinter dem Produkt steht, aber das Ergebnis sieht nicht so gut aus. Wenn da mal ein Designer eingreifen würde, könnte man das gestalterische Niveau ganz sicher verbessern. Die Fliesen haben ja immerhin eine ganz eigene Ästhetik, wie Spitze.

Auf unserer Tour sehen wir en passant extreme Teppiche mit kreischenden Farben und schrillen Mustern...

Blaisse: Diese „lauten“ Teppiche sind so schrecklich, die sind schon fast wieder schön! Wir sind so vorsichtig mit unserem europäischen Geschmack, das ist in der arabischen und asiatischen Welt ganz anders. Das ist auch das Schwierige an unserer Tätigkeit: Wenn man für so viele verschiedene Kulturen arbeitet, dann muss man berücksichtigen, dass jeder eine andere innere Einstellung zu Geschmack oder Qualität oder dem Umgang mit Farbe hat. Man muss sich wirklich immer wieder in jedes Projekt hineinarbeiten, je nachdem wo man ist und für wen man etwas macht, man passt sein Design an. Am Anfang, wenn man jung ist, hat man schon mal Angst, seinen eigenen Stil zu verlieren. Aber mit der Erfahrung verliert sich das, denn man hat doch immer einen persönlicher Einfluss und es bleiben viele Aspekte, wo man als Designer frei ist in seinen Entscheidungen.

Inzwischen haben wir den Stand der belgischen Marke Papilio erreicht. Die Begeisterung für den Bodenbelag, der im Entrée liegt, ist groß.

Blaisse: Der sieht ja ungewöhnlich aus! Aus was ist der Teppich?

Kim de Cabooter: Das sind alte Keilriemen, die mit einem Polypropylengarn zusammengeknotet sind. Der Look ist sehr rustikal und das Produkt ist äußerst robust. Es kann drinnen und draußen eingesetzt werden.

Blaisse: Das gefällt mir, weil das neue Produkt eine Geschichte von etwas, was einmal war, erzählt. Es ist erstmal ungewohnt darauf zu laufen, aber der Teppich ist wirklich schön!

Abendroth: Hier sind weitere Bodenbeläge aus recycelten Materialien wie alten Armeezelten, Ledergürteln, alten Lederschuhen, Resten, die bei der Produktion von Saris anfallen, und Fahrradreifen…

Blaisse: Ich finde das wunderbar, ich muss Fotos machen! Es ist jetzt sehr in Mode, das Zusammensetzen unterschiedlicher Materialien und verschiedener Farben.

De Cabooter: Wir überlegen uns immer aufs Neue, welche Materialien man wiederverwerten kann. Aber wir haben auch unifarbene Bodenbeläge wie diesen dicken gehäkelten Teppich „Pura“, der in circa achttägiger Handarbeit entsteht.

Blaisse: Der sieht sehr gut aus und es ist wirklich angenehm, darauf zu stehen. Man fühlt die Dreidimensionalität unter den Füssen. Da ich Interior und Gärten mache, bin ich natürlich an Teppichen interessiert, die sich für beides eignen. Man möchte in der modernen Architektur immer einen Flow zwischen Innen und Außen, aber das muss man in der Realität erst mal hinbekommen.

Abendroth: Die Teppiche überzeugen Sie also?

Blaisse: Ich finde auch hier nicht jedes Produkt schön, aber die Firma versucht alles in Bezug auf verschiedene Materialien und Techniken. So etwas anzugucken, das bringt mir etwas, denn auch wir machen das die ganze Zeit: aus bestehenden Textilien etwas Neues kreieren, in dem wir sie verändern. Ich könnte mir schon vorstellen Teppiche von Papilio beispielsweise bei der Ausstattung von Privathäusern zu nutzen.

Die Entdeckung am Stand von Papilio: Ein Teppich aus alten Keilriemen. Fotos © Mathias Dürr, Martina Metzner, Stylepark

Wir machen uns auf den Weg zu den modernen handgefertigten Teppichen in Halle 17. Unsere erste Station ist Rug Star, das Label des Berliners Jürgen Dahlmanns, wo seidiger Glanz und elegante Muster den Ton angeben.

Jürgen Dahlmanns: Ich habe mich von Art nouveau und Art déco inspirieren lassen, die habe ich für mich neu entdeckt. Ich bin der Meinung, dass das Verlangen nach Bemusterung in den nächsten Jahren zunehmen wird.

Blaisse: Hm, ich weiß nicht, aber vielleicht haben Sie Recht. Auf jeden Fall sieht es sehr schön aus, wenn das Licht auf Ihre Teppiche fällt. Es ist ein bisschen wie unter Wasser, alles wirkt so abstrakt, aber trotzdem hat man die Illusion, dass das Muster eine Zeichnung hat. Wie erreichen Sie diesen Effekt?

Dahlmanns: Unsere Rohlinge werden so geknüpft, dass im Hintergrund immer Natur-Grau ist und in den Mustern unterschiedliche, spezielle Seidentöne. Die werden dann 20 Mal oxidiert, gewaschen und geschliffen. Das nennen wir „Zero Pile“: Wir nehmen immer 0,3 Millimeter von dem Flor weg, bis sich der ganze Wollkörper eliminiert hat. Ein Beispiel: Dieser Teppich hier war vorher mauvefarben, bevor wir den Flor durch Oxidation und Schleifen weggenommen haben. Wenn sich das Tageslicht ändert, kommt die Farbe wieder raus und wir haben den Kontrast von glänzend und stumpf. Das ist schön und gleichzeitig mysteriös.

Blaisse: Die Teppiche wirken, als ob sie eine Patina hätten. Und wie Samt haben sie eine Richtung. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie sich die Farb- und die Hoch-Tief-Effekte
je nach Lichteinfall verändern. Auch ob es sich um künstliches oder um natürliches Licht handelt, wird einen Unterschied machen.

Dahlmanns: Tatsächlich sind Teppiche eine Möglichkeit, die Raumatmosphäre oder das Licht im Raum widerzuspiegeln. Das ist wie so eine Art Parabolspiegel. Und je hochwertiger das Material, desto besser ist die Wirkung.

Blaisse: Wie lange dauert die Herstellung eines solchen Teppichs?

Dahlmanns: Das hängt von der Region ab, in der der Teppich entsteht. Der tibetische Knoten wird mit drei Fäden gemacht, das geht schneller und ist deshalb auch günstiger. Beim Perser kommt immer nur ein Faden zum Einsatz, da dauert es natürlich länger, bis der Teppich geknotet ist. Ein Tibeter-Teppich aus den oberen Segmentgruppen benötigt in der Standardgröße 250 mal 300 Zentimeter circa 16 Wochen in der Produktion, bei einem vergleichbaren Perser-Teppich muss man mit bis zu 22 Wochen rechnen.

Am Stand von Rug Star erklärt Inhaber Jürgen Dahlmanns die Technik des „Zero_Pile”. Fotos © Mathias Dürr

In der Mitte der Halle befindet sich eine zweite „Innovations@Domotex“-Sonderfläche. Hier hat Jürgen Mayer H. an Streben, die an überdimensionale Teppichstangen erinnern, Teppiche der Aussteller ringsum aufgehängt. Petra Blaisse bleibt bei einem runden weißen Modell stehen, der mit kleinen Knubbeln verziert ist, und streicht über die Oberfläche. Es handelt sich um einen „Floor to Heaven“-Teppich von Michaela Schleypen. Ein Seeigel inspirierte die Designerin zu dem Dessin. Wir besuchen ihren Stand.

Blaisse: Ich habe eben Ihren Seeigel-Teppich auf der Sonderfläche gesehen – er ist sehr schön! Wie erreichen Sie diesen dreidimensionalen Effekt?

Michaela Schleypen: Meine Teppiche werden in Indien getuftet. Man schießt von hinten die Faser ein und – ich formuliere das immer so – dann geht der Teppich zum Friseur. Wir haben spezielle kleine Werkzeuge entwickelt, damit wir so fein Tuften und Sticken können, wie wir das tun. Bei dem Seeigel-Teppich sind es diese knubbeligen Erhöhungen. Das funktioniert in jedem Muster, denn das ist nachträglich mit der Hand geschoren. Die Dreidimensionalität können wir aber auch durch unterschiedliche Stickhöhen erreichen.

Blaisse: Aber es geht auch viel über die Farben.

Schleypen: Ja, ich spiele mit Farben. Ich lasse mich unter anderem von der Unterwasserwelt inspirieren und meine Ideen verwandle ich zum Beispiel in stilisierte Korallen.

Blaisse: Sind Ihre Teppiche denn auch draußen einsetzbar?

Schleypen: Ja, die Produkte aus der Neon-Outdoor-Kollektion. Wenn sie mal schmutzig werden, kann man sie einfach abkärchern. Allerdings kann man sie nicht ewig am Pool liegen lassen, die müssen schon immer mal wieder richtig durchtrocknen.

Blaisse: Das ist sehr interessant für uns, denn in den Produkten selbst vermischen sich schon Landschaft und Interior.

Beim Gang durch die Halle streifen wir den Stand von Hossein Rezvani. Ein Teppich zieht den Blick von Petra Blaisse an, der sie an verblasste Wände in römischen Ruinen erinnert. Unser Rundgang endet auf dem Stand von Jan Kath, schon allein die bloße Menge der ausgestellten Teppiche wirkt beeindruckend.

Petra Blaisse und Hossein Rezvani, Bild rechts: ein Teppich von Hossein Rezvani. Fotos © Mathias Dürr

Blaisse: Sie haben ein sehr großes Angebot!

Jan Kath: Ja, aber die Teppiche hier sind nur Muster. Wir fertigen alles auf Bestellung. So können Farbe und Größe immer verändert bzw. den Wünschen der Kunden angepasst werden.

Blaisse: Sie haben verschiedene Kollektionen?

Kath: Ich bearbeite ziemlich viele Themen gleichzeitig. Für die Kollektion „Space Crafted“ habe ich zum Beispiel Fotos von der Nasa zu Grunde gelegt, für einen anderen Teppich eine Luftaufnahme nach dem Untergang der Ölplattform „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko genutzt und für „Heiter bis wolkig“ habe ich viele Gemälde angeguckt, darunter zahlreiche holländische Meister.

Blaisse: Ich bin stolz auf diese Inspiration! Wie verarbeiten Sie die Bilder?

Kath: Ich übersetze den Fotorealismus auf das Knüpfen: Ein Knoten muss wie ein Pixel gesehen werden. Wenn die Auflösung eines Bildes oder einer Datei sehr hoch ist, dann übersetzen wir das am Computer und so schaffen wir es, fotorealistisch zu arbeiten.

Abendroth: Sind denn alle Knoten gleich oder gibt es verschiedene Arten von Knoten?

Kath: Innerhalb eines Teppichs kann man eigentlich nur eine Technik verwenden. Obwohl: einmal habe ich auch zwei extrem unterschiedliche Techniken in einem Teppich verwendet, die traditionell nichts miteinander zu tun haben. Ich habe Hanf für ein Flachgewebe benutzt und darauf habe ich Seide eingesetzt. So habe ich zwei diametral unterschiedliche Materialien in einem Stück vereint, da ging es dann eher um Textur, als um Design.

Blaisse: Seide hat so etwas Schönes, die Farben sind wunderbar! Wie viele Farben verwenden Sie?

Kath: Wir haben ein eigenes Farbsystem. Unsere Standardfarbpalette umfasst ungefähr 1200 Farben in Wolle und circa 700 Töne in Seide. Die kann man miteinander kombinieren. Wenn für einen Kunden oder einen Architekten, mit dem wir zusammenarbeiten, noch nicht die richtige Nuance dabei ist, können wir auch auf der Basis von Vorgaben neue Farben herstellen. Dafür nehmen wir Schweizer Annilinfarben.

Blaisse: Sie nehmen alles selbst in die Hand?

Kath: Ja, ich spinne die Wolle und die Seide selber, wir färben selber und ich knüpfe selber. Wir haben insgesamt 2800 Leute, davon 40 in Europa. Die Produktion der Teppiche erfolgt je nach Material, Stil und Tradition in Nepal, Indien, Afghanistan, Thailand, Marokko und der Türkei.

Begeistert von den 1200 Farben bei Jan Kath. Im Hintergrund: Stefan Diez, Uta Abendroth und Robert Volhard, Stylepark. Foto © Mathias Dürr

Wir beenden unseren Rundgang und lassen das Gesehene ein bisschen sacken. Ich bitte Petra Blaisse um ein Fazit ihres ersten Domotex-Besuches.

Blaisse: Ich fand unsere Tour aus verschiedenen Gründen sehr inspirierend. Wir haben sehr unterschiedliche Sachen gesehen, zum Beispiel die eher kommerziellen Sachen wie den sogenannten Kunststoffteppich, der aus verschiedenen kleinen Teilen zusammengestellt werden kann, und den Plastikfliesenboden. Beide wollen etwas Attraktives machen, wobei die ersten auch schon einen Designer gefragt haben. Es geht jeweils um einen großen Markt und die Firmen haben von Zeit geredet. Das fand ich interessant, denn Zeit und Effizienz sind immer ein Thema. Jeder in unserem Business ist sich darüber im klaren, dass Dinge schnell gemacht werden müssen. Egal, ob es sich um Büros, um Geschäftsräume, Sportstätten oder ähnliches handelt. Man muss Dinge schnell ändern können, sie an einem Tag hinein-, am anderen schon wieder hinaus bringen und sie müssen leicht zu reinigen sein. Es gilt Bedingungen wie Brandschutz und Akustik zu beachten.

Abendroth: Das heißt Praktikabilität vor Schönheit?

Blaisse: Naja, nicht unbedingt. Als Designer beginnt man natürlich rumzufantasieren. Man denkt, okay, dieses Produkt ist die Basis, das ist das, was die Firma herstellt. Aber wenn man der Sache einen Dreh geben könnte… Ich habe die Vorstellung, dass man den Hersteller beeinflussen und so manches Produkt in etwas Schöneres verwandeln könnte. Manchmal müsste vielleicht auch nur der Kontext ein anderer sein, man müsste das Produkt in einer ganz anderen Art und Weise benutzen oder es umdrehen und die Rückseite nutzen. Für einen Designer ist es immer interessant mit einer Produktionsfirma im Austausch zu sein.

Abendroth: Was für Themen sind Ihnen noch in den Sinn gekommen?

Blaisse: Vor allem bei den Plastikprodukten gehen die Hersteller sehr bewusst mit Nachhaltigkeit um. Und dann das Re-Using, wobei bereits bestehenden Materialien neues Leben eingehaucht wird. Das Verwenden von altem Leder und Gummi, das ist keine neue Idee, das habe ich schon zuvor gesehen. Aber wie diese belgische Firma das mit natürlichen Fasern wie Hanf und Jute gemixt hat, dass man die Spuren des ersten Lebens in den Produkten sehen konnte, das hat mir gut gefallen.

Preziosen aus der Kollektion „Space Crafted” von Jan Kath. Foto © Mathias Dürr

Abendroth: Und noch ein Wort zu den modernen Teppichen?

Blaisse: Von denen war ich wirklich begeistert. Ich finde es beeindruckend, wie diese Kreativen aus Teppichen echte Kunstwerke machen. Die Techniken des Knüpfens und dann das Überdecken oder Wegnehmen von Fasern, das ist fast wie Malerei, wo sich ja auch mehrere Schichten übereinander legen. So unterschiedlich die Teppiche stilistisch waren, ihre Produzenten haben etwas gemeinsam: Sie tauchen in eine Kultur ein, „bearbeiten“ diese und stellen dann handgemachte Schätze her, für die sie das Know-how und die Kunstfertigkeit der jeweiligen Menschen vor Ort einsetzen. Es geht schon irgendwie um eine andere Zeit oder eine andere Sphäre, wo sich das Neue und die Tradition begegnen.

Abendroth: Würden Sie die Domotex denn wieder besuchen?

Blaisse: Ja, auf jeden Fall! Ich würde wiederkommen als eine Designerin, die keine Teppichgestalterin ist, die aber kooperieren muss und von den anderen lernen kann. Vielleicht auch, um eine neue Zusammenarbeit aufzutun, wer weiß. Wie gesagt, viele Produkte würde ich so nicht direkt verwenden, aber wenn man ihnen noch einen anderen Dreh geben oder sie auf eine andere Art und Weise nutzen würde, dann sind sie spannend. Ich finde jedenfalls, viele Leute hier sind echte Künstler und ich fühle mich inspiriert.

Vielen Dank für das Gespräch!

www.bergoflooring.com
www.fletco.eu
www.papilio.be
www.rugstar.com
www.hosseinrezvani.com
www.jan-kath.de