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Marmor mit Bruch
Foto © Stanley Diamond
von
Martina Metzner
21.05.2015

Wenn James und David Ardinast einen neues Lokal in Frankfurt am Main eröffnen, darf man gespannt sein. Die beiden Brüder sind nicht einfach nur Gastronomen. Sie agieren als gut vernetzte Allroundtalente, die Kunst- und Musikszene, Bar- und Clubleben geschickt mischen und die es verstehen, ihren Projekten in einer Mischung aus internationalem Charme und Lokalkolorit eine ganz eigene Note zu verleihen. Gezeigt, wie gut das klappt, haben die beiden bereits bei ihrer „Ima Multibar“, dem Restaurant „Chez Ima“ und dem Pastrami-Restaurant mit Bar „Maxie Eisen“, einem Gemeinschaftsprojekt mit dem Berliner Gastronom Oskar Melzer (Stylepark Artikel vom 3. März 2014). Nun fügt das Team Ardinast/Melzer der Frankfurter Ausgehkarte einen weiteren Punkt hinzu: „Stanley Diamond“ heißt das neue Restaurant mit angeschlossener Bar, das, so James Ardinast, der große Bruder des Maxie Eisen sein soll. Nicht nur an der Wahl des Namens – wie Maxie Eisen war auch Stanley Diamond ein Protagonist der Kosher Nostra – erkennt man, dass die beiden Lokale aus dem selben Holz geschnitzt sind, auch in Sachen Gestaltung hauen die Ardinast-Brüder bei Stanley Diamond in dieselbe Kerbe – nur ein wenig fester.

Darf’s ein bisschen mehr sein?

Das Stanley Diamond wirkt auf dem ersten Blick edel, zugleich aber auch rau, überladen und trotzdem aufgeräumt. Ein geschickter Trick, damit das neue Lokal nicht sofort in eine Schublade gesteckt werden kann. „Wir hatten die klassischen Hotels in Italien mit ihrer schweren Marmorrezeption vor Augen, als wir uns an die Entwicklung des Stanley Diamond machten“, so James Ardinast. Und auch die 1920er Jahre sollen, wie schon beim Maxie Eisen, Pate gestanden haben im Stanley Diamond, wenn auch in einer eher gediegenen Variante. Mit einem romantisierenden „Vintagelook“ hat das Restaurant aber nichts gemein; vielmehr ist die Material-, Farb- und Texturkollage eine umfangreiche Sammlung aus Zitaten, aus deren Zuordnung man ein unterhaltsames Ratespiel machen könnte. Die voluminösen Polstermöbel mit dem groben Stoffbezug erinnern farblich an ein gediegenes Wohnzimmer der 1960er Jahre, hätten aber auch in eine Hotellobby von 1920 gepasst. Der grüne Marmor an Rückwand und Bar würde sich gut in der Lobby des Seagram Building machen – oder in einem Direktorenzimmer aus den 1980er Jahren.

Die Materialkombinationen sind alles andere als gefällig, sondern verlangen danach, dass man in Sachen Geschmack seine persönlichen Grenzen auslotet. „Wir wollten nicht, dass es zu clean wird“, erklärt Ardinast, „Brüche waren das übergreifende Thema.“ Und so steht die satte algengrüne Marmorwand auf einem porösen, rosafarbenen Estrich. Die stoische Maserung indonesischer Eiche prallt auf die grobe Textur rostroten Polsterstoffs, während der blaue Stoff vor dem grünen Marmor die Augen reizt. An die mattgraue Wand schließt sich eine Decke an, die durch fein perforierte, von einem sperrigen Lüftungsschacht umschlungene Akustikpaneele aus Messing dem Gesamt-Ensemble einen besonders scharfen Schliff verleiht.

Zeitgeistig und frankfurterisch

Was die Architektur angeht, so haben Ardinast/Melzer mit dem befreundeten Architekten Paul Bauer vom Büro Hollin+Radoske zusammengearbeitet, für die Inneneinrichtung mit dem Frankfurter Möbelhersteller e15 – hier insbesondere mit Farah Ebrahimi, die das Farbkonzept entworfen hat. Darüber hinaus hat e15 eigens die Polstermöbel für das Restaurant kreiert. Dick und seriös kommen sie daher. Sessel und Barhocker wird es bald als Edition zu kaufen geben. Sieht man einmal von den Toiletten ab – die passen mit sattem Moosgrün an der Wand und Old School-Sanitär-Keramik von Köhler inklusive wandhohen Pissoir und amerikanischer Tiefspültoilette sowie bemalten Waschtischschüsseln nicht ganz ins galant-maskuline Gesamtbild –, ist die Innenarchitektur vom Stanley Diamond zutiefst zeitgeistig, und auch ein wenig „frankfurterisch“. Denn in der Mainmetropole haben sich Bars und Restaurants mit DIY-Sitzgelegenheiten aus Weinkisten und EU-Paletten ebenso wenig durchgesetzt wie sandsteinerne Lochfassaden – trotz aller Bemühungen. Die Postmoderne hält in Frankfurt immer noch einige Fahnen, oder wenigstens Wimpel hoch. Da passt es ganz gut, dass nach all der Schlichtheit und Zweckmäßigkeit, der Natürlichkeit und Sachlichkeit, die Architektur und Möbeldesign in den vergangenen Jahren weitgehend geprägt haben, nun wieder genüsslich in Formen, Strukturen, Texturen und Materialen geschwelgt wird. Etwas Völlerei muss schon sein.

www.e15.com
www.hollinradoske.de
www.stanleydiamond.com

Stanley Diamond
Ottostraße 16-18
60329 Frankfurt am Main
Di-Do 18.30 bis 22 Uhr, Fr-Sa 18:30 bis 23.00 Uhr

Serviert wird Hausmannskost wie „Glasierte Rindsschulter mit Leipziger Allerlei“ oder „Scholle nach Finkenwerder Art“ – auf gehobenen Niveau versteht sich.

Neuster Hotspot der Frankfurter Ausgehkarte: Das „Stanley Diamond“. Foto © Stanley Diamond
Foto © Stanley Diamond
Die Stanley Diamond-Macher James Ardinast, Oskar Melzer und David Ardinast. Foto © Stanley Diamond
„Wir wollten nicht, dass es zu clean wird“, erklärt James Ardinast. Foto © Stanley Diamond
Foto © Adeline Seidel, Stylepark
Foto © Stanley Diamond
Foto © Adeline Seidel, Stylepark
Foto © Adeline Seidel, Stylepark
Für die Architektur zuständig: Paul Bauer vom Büro Hollin+Radoske war. Foto © Stanley Diamond
Für die Inneneinrichtung zeichnet der Frankfurter Möbelhersteller e15 verantwortlich. Foto © Stanley Diamond
Foto © Adeline Seidel, Stylepark
Foto © Adeline Seidel, Stylepark
Foto © Adeline Seidel, Stylepark
e15 hat eigens Sessel und Barhocker inklusive einem speziellen Bezugsstoff entworfen. Foto © Stanley Diamond
Foto © Adeline Seidel, Stylepark
Innenausbauten aus indonesischer Eiche. Foto © Adeline Seidel, Stylepark
Das Stanley Diamond – Buvette hat von Dienstag- bis Samstagabends geöffnet. Photo © Seidel, Stylepark