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Menschen am Fluss
von Thomas Wagner | 07.08.2013
Entlang des Niger wohnen 110 Millionen Menschen. Einige von ihnen hat der italienische Fotograf Nicola Lo Calzo fotografiert und in dem Buch „Inside Niger“ verewigt. Alle Fotos © Nicola La Calzo; Abb. aus dem besprochenen Band © Tatjana Prenzel, Stylepark

Der Niger. Nach dem Nil und dem Kongo ist er mit einer Länge von 4184 Kilometer der drittlängste Strom Afrikas. Er entspringt in den Bergen Guineas, fließt durch Mali, den Süden von Niger, windet sich entlang der Grenze von Benin und durchquert Nigeria, wo er in einem mehr als zweihundert Kilometer breiten Delta in den Golf von Guinea mündet. Entlang des Niger wohnen 110 Millionen Menschen. Einige von ihnen hat der italienische Fotograf Nicola Lo Calzo fotografiert – und der Fluss hat dabei Pate gestanden.

Wie ein stummer Zeuge kennzeichnet der Niger das Leben der Menschen, die mit ihm verbunden, aber auch von ihm abhängig sind. Sie werden von ihm ebenso gepeinigt wie vom Wechsel politischer Regime, von Umweltverschmutzung, schlechten Arbeitsbedingungen, Vertreibung, Krieg und Terror. Im Niger-Delta haben die Praktiken von Mineralöl-Firmen den Alltag oft in eine Hölle verwandelt und die Folgen des globalen Klimawandels machen den Menschen am Fluss zu schaffen. Denn der Niger stirbt. Er trocknet langsam aus. Weshalb es immer weniger Fischer gibt und die, die am Ufer Gemüse anbauen, ihre ohnehin spärliche Ernte auch noch gegen den Hunger der geschützten Nilpferde verteidigen müssen.

Betrachtet man die Aufnahmen, so wird unmittelbar deutlich: Der Fluss ist für die Menschen, die hier wohnen und frontal vor der Kamera Nicola Lo Calzos posieren, mehr als eine Kulisse. Er bestimmt ihr Schicksal. Lo Calzo hält seine Systematik konsequent durch. Auch wenn die objektivierende Perspektive an einen kolonialistischen Blick erinnern mag, der Fotograf begegnet denen, die er porträtiert, mit Respekt und Zuneigung.

Also steht Ibrahim mit müden Augen, einen dicken Knüppel in der Hand, vor einem qualmenden Hügel auf dem Gelände eines Schlachthofs in Niamey. Und die Kluft Moussas, der in jeder Hand ein Messer hält und auch im Schlachthof arbeitet, ist blutgetränkt. Issouf schützt seinen Kopf mit einer um das Haupt geschlungenen hellen Hose vor der Hitze, Hassane hat Abbilder von Sneakers auf seinen Jeans-Anzug genäht, und Adamou präsentiert stolz zwei kapitale Fische. Auch Kader, Aboubacar und Fatouma, die der Fotograf auf Gemüsefeldern abgelichtet hat, präsentieren sich stolz. Ihre Augen aber sind müde, wie die so vieler, denen wir begegnen – am Fluss Niger.


Inside Niger
Nicola Lo Calzo
102 S., geb., Texte in englischer und französischer Sprache
Kehrer Verlag, Heidelberg Berlin 2012
39,90 Euro
www.nicolalocalzo.com

Der Niger trocknet langsam aus und macht das Leben für die Menschen dort immer schwieriger.
Die am Niger lebenden Menschen leiden unter Faktoren wie Umweltverschmutzung, schlechten Arbeitsbedingungen und Terror.
Viele der Menschen entlang des drittlängsten Strom Afrikas leben im Moment noch vom Fischfang.
Der Hauptaugenmerk von "Inside Niger" gilt den Menschen, die an den Ufern des Flusses leben und arbeiten.
Der Fluss ist für die Menschen, die hier wohnen mehr als eine Kulisse. Er bestimmt ihr Schicksal.
Der Fotograf Lo Calzo nimmt eine objektivierende Perspektive ein und begegnet denen, die er porträtiert, mit Respekt und Zuneigung.
Die Dokumentation zeigt Aufnahmen aus den nigerischen Regionen Tillabéry und Dosso, die inzwischen zum Sperrgebiet für Reisende erklärt wurden.