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Meisterstücke zweier Ikonen: Laffanour-Galerie Downtown, Paris, zeigte auf der Design Miami/Basel Stühle, Hocker, Tische und Aluminium-Belüftungselemente von Jean Prouvé sowie Regale von Charlotte Perriand. Foto © James Harris for Design Miami/Basel
Voulez vous Prouvé?
von Uta Abendroth
27.06.2014

Das Haus „F 8x8 BCC“ von 1942 bei Patrick Seguin, der Tisch „Trapèze Grand Modèle“ von 1954 bei Jousse Entreprise, diverse Stühle, Tische und Aluminiumelemente mit den typisch runden Ausschnitten bei Laffanour Galerie Downtown – 30 Jahre nach dem Tod von Jean Prouvé tauchen Original-Möbel und -Häuser des Konstrukteurs geballt in den Galerien auf. Die Franzosen prägen mit diesem Angebot die Atmosphäre in Halle 1 der Design Miami/Basel, die wie jedes Jahr parallel zur Art Basel stattfindet und diesmal das Motto „The Global Forum for Design“ ausgegeben hat.

Nirgendwo sind Design-Galerien besser aufgehoben als in der Nachbarschaft der zeitgenössischen Kunst, wo Sammler bereit sind, größere Vermögen auszugeben. Insofern ist die Nähe zur Kunst für die Design Miami/Basel immer wieder ein Gewinn. Doch wirkt die Show, bei der in diesem Jahr 51 Galerien aus 13 Ländern Unikate und Raritäten ausstellen, nicht annähernd so international und schillernd wie ihr Pendant in Sachen „Kunst“. Immerhin, die Vielzahl der Vintage-Möbel macht den Messerundgang zu einer Reise durch die Designgeschichte.

So zeigt etwa Ulrich Fiedler aus Berlin eine De Stijl-Auswahl, unter anderem Gerrit Rietvelds „Red Billet Armchair“ von 1924 oder einen kleinen Tisch des mit Rietveld befreundeten Malers Willem van Leusden von 1925. Die Galerie Chastel-Marechal präsentiert die ausladenden Sessel „Ours Polaire“ von Jean Royère (1952), seine Wandleuchte „Nuage“ (1959) sowie einen Schrank und Nachttisch von Paul Dupré-Lafon (1935). Die Preise liegen, wie in den letzten Jahren, auf einem hohen Niveau: So soll das Prouvé-Haus bei Seguin 3,5 Millionen Euro kosten, das Tischchen bei Fiedler immerhin 120.000 Euro, wobei viele Galerien sehr diskret agieren und Preise nur auf Anfrage nennen. Neben Museen sind offenbar immer mehr Privatsammler auf der Suche nach einmaligen Stücken, für die sie bereit sind, viel Geld auszugeben. Und das nicht, um die Objekte nur anzuschauen, sondern um tatsächlich mit ihnen zu wohnen.

Einen Mix aus Historie und Gegenwart findet man auf dem Stand der Pariser Galerie Kreo, die demnächst eine Dependance in London eröffnen wird. Stehleuchten aus den 1950er Jahren kontrastieren mit einem Kronleuchter des in New York tätigen israelischen Designer Ron Gilad, der 16 schwarze Schreibtischleuchten zu einem Objekt bündelt, das an Spinnenbeine erinnert. Ein Tisch fällt besonders ins Auge: der „Dining Table“ von Brynjar Sigurðarson, ein Einzelstück aus Esche, Nylonseilen, Federn, Fell und bedruckten Stoffen.

Ebenfalls an optisch auffällige Tische und Sideboards haben sich Designer wie Sebastian Bergne, Benjamin Graindorge, Sylvain Rieu Piquet und Normal Studio für die Kollektion „Marquetry: The Sleeping Beauty“ für die Pariser Galerie Ymer & Malta gewagt. Vorgabe war, Intarsien einzuarbeiten. Die Technik, die im Art Nouveau und Art Déco üblich war, ist im Westen aus der Mode gekommen – für die Designer war die Arbeitsweise also eine Herausforderung. Zusammen mit französischen Handwerkern haben sie ebenso kunstvolle wie zeitgenössische Objekte geschaffen. Auf aktuelles Design setzt auch die niederländische Galerie Priveekollektie mit den letzten verfügbaren Editionen von Hella Jongerius’ Vasen „Misfits“, den kreisförmigen Lichtobjekten „Shimmer“ von Dominic Harris und dem Schubladen-Regal „8+2AP+2P“ von Roderick Vos Montigny.

Als Ergänzung zu den Ständen der Galerien kuratierte der amerikanische Sammler und Kreativdirektor Dennis Freedman die Show „Design at large“. Sein Thema: Mutation und Metamorphose. Wie kann ein Designobjekt gleichzeitig fertig und doch veränderbar sein, wie dauerhaft und zeitgenössisch, Ausdruck einer künstlerischen Intention und doch offen für Zufall und Überraschung? Die Entwürfe von Chris Kabel, Sheila Hicks, Eske Rex, Anton Alvarez und Dominic Harris befinden sich zum Teil noch im Projektstadium, offenbaren aber eine größere Nähe zur Kunst als zum Design. Lediglich Jean Manevals „Six-Shell ‘Bubble‘ House“ von 1968 kommt als Designobjekt daher – es wirkt in der Halle jedoch wie ein Verweis auf das Projekt des Hauptsponsors Audi hier in Basel.

Der Autobauer aus Ingolstadt präsentiert auf einer Sonderfläche am Ende der Halle den „TT Pavillion“ von Konstantin Grcic, ein begehbares Raumobjekt, das freistehend in jedem Gelände aufgebaut werden kann. Die mobile Wohnstation wirkt wie eine zeitgenössische Version des „Bubble House“ oder wie ein ironischer Kommentar zu den temporären Bauten Jean Prouvés. Die Heckklappen des „TT“ werden hier zu auskragenden, flügelähnlichen Elementen, die Fensteröffnungen nehmen die Form des Kühlergrills auf. Grcic ließ sich vom „Audi TT“ inspirieren: „Für mich ist der Audi TT ein Auto, mit dem man aus der Stadt heraus in die Natur fährt. Dieses Erlebnis erwidere ich mit einem Pavillonkonzept, das als Reiseziel an einem entlegenen Ort steht.“ Er wolle durch die Verwendung von Autoelementen industrielle Produktionsprozesse stärker für architektonische Raumlösungen nutzbar machen, ergänzt der Münchener Designer. Auch in diesem Projekt ist die Verquickung verschiedener Disziplinen zu erkennen. Die Bezüge von Gegenwärtigem auf Vergangenes bedienen ein Bedürfnis nach Sicherheit und ebnen einen Weg in eine Zukunft, in der Design und Kunst sich sogar mit der Industrie vereinen dürfen.

Vielleicht ist dies die Erkenntnis der Design Miami/Basel 2014, die in ihrer 9. Auflage das erste Mal unter der Leitung von Rodman Primack stattfand. Der Amerikaner hat diese Aufgabe von der Direktorin Marianne Goebl übernommen, er ist – nach Goebl und der Gründerin Ambra Medda ¬– der erste Mann in dieser Position. Sein Know-how bringt er aus dem Kunsthandel mit, saß Rodman doch schon im Vorstand von Phillips de Pury London, er leitete Gagosian in Los Angeles, war Spezialist für lateinamerikanische Kunst bei Christie’s in New York und Designer für Peter Marino Architect in New York. Der Kalifornier kennt die Kunst- und Designwelt folglich in und auswendig, hat mitbekommen, wie die großen Galerien und Auktionshäuser in den letzten zehn Jahren immer stärker die Preise diktierten. Man darf gespannt sein, wie viel Raum er bei den nächsten Ausgaben der Messe jungen Galerien und aufstrebenden Designer einräumen wird.

www.designmiami.com
www.jousse-entreprise.com
www.galeriedowntown.com
www.ulrichfiedler.com
www.chastel-marechal.com
www.galeriekreo.fr
www.priveekollektie.com
www.audi.de
www.konstantin-grcic.com

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Designer Konstantin Grcic vor seinem „TT Pavillon“, der vom neuen „Audi TT“ inspiriert ist.
Foto © James Harris for Design Miami/Basel
Zwei „Chauffeuse“- Sessel und das Regal „Bibiothéque“ von Charlotte Perriand sowie Jean Prouvé-Tisch und -Wandleuchte bei Laffanour-Galerie Downtown, Paris.
Foto © James Harris for Design Miami/Basel
Jedes Objekt der „Marquetry“-Kollektion bei Ymer & Malta ist auf acht Stück limitiert: Sebastian Bergnes Tisch „Illusion“ (vorne); „Plane Tree“ von Norman Studios (Mitte); Sideboard „cloudInChest“ von Benjamin Graindorge. Foto © Uta Abendroth
Ulrich Fiedler präsentierte den „Red Billet Armchair“ von Gerrit Thomas Rietveld (1924).
Foto © James Harris for Design Miami/Basel
Patrick Seguin stellte das „F 8x8 BCC House“ (1942), Resultat einer Zusammenarbeit von Pierre Jeanneret und Jean Prouvé. Foto © James Harris for Design Miami/Basel
Chris Kabels „Wood Ring“ war Teil der Show „Design At Large“: 100 Kieferblöcke werden von einem Metallring zusammengehalten. Foto © James Harris for Design Miami/Basel
Zurück in die Zukunft: Jean Manevals „Six-Shell ‘Bubble‘ House“ aus dem Jahr 1968, eine Leihgabe der Pariser Galerie Jousse Entreprise. Foto © James Harris for Design Miami/Basel
Für „Design At Large“ experimentierte Sheila Hicks mit einem synthetischen Gewebe.
Foto © James Harris for Design Miami/Basel
Ready for landing: Konstantin Grcic verwendete für das „Audi TT“-Wohnmobil die Heckklappen des Autos, die Fensteröffnungen nehmen die Form des Kühlergrills auf. Foto © Audi