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Die Fassade als Durchgang: Das Ferienhaus von Cristián Izquierdo ist entweder sehr offen oder sehr geschlossen.

Ein Haus mit 72 Türen

Etwa vier Autostunden nördlich von Santiago de Chile hat Cristián Izquierdo ein äußerst ungewöhnliches Ferienhaus errichtet.
von Florian Heilmeyer | 12.06.2017

Was ist das nur für eine seltsame Kiste aus Holz, die da in der rauen Dünenlandschaft von Chiles Pazifikküste auftaucht? Ein Haus kann das nicht sein, dafür hat es zu viele Türen und zu wenig Fenster. Es sieht eher wie eine Umkleidekabine aus, so nahe am Strand, aber wer zum Umziehen hierherkommt, der wird vor verschlossenen Türen stehen. Vor sehr vielen verschlossen Türen, 64, um genau zu sein, denn aus so vielen Türen bestehen die vier Fassaden der quadratischen, erratischen Kiste aus Holz. Auch die vier kleinen Rampen lassen einen kaum erraten, dass es sich um ein Ferienhaus handelt, das ein wenig so wirkt, als hätte man hier eine sehr große Transportbox liegen lassen.

Die Auftraggeber dieses ungewöhnlichen Hauses sind zwei Ehepaare, alle um die 50 Jahre alt, und ihre bereits erwachsenen Kinder. Sie wollten sich hier ein Haus bauen, in dem sie in allen denkbaren Konstellationen – alle miteinander oder alleine, manchmal mit zusätzlichen Gästen – die Ferien oder Wochenenden am Meer verbringen könnten. Mit diesem Wunsch gingen sie zu dem Architekten Cristián Izquierdo zu, der daraufhin dieses äußerst flexible Ferienhaus entwarf.

Das Spektakel veranstalten andere: Das Ferienhaus nimmt sich gegenüber seiner Umgebung extrem zurück.

Sein Entwurf sei von der einsamen Lage zwischen Meer und Straße inspiriert worden, sagt Izquierdo. Diese Lage und die Wünsche seiner Bauherren hätten ihn dazu gebracht, sich vor allem mit zwei Modellen zu beschäftigen: der Strandhütte und dem Motel – und am Ende sei das Haus wohl eine Art von Überlagerung dieser beiden Grundtypen geworden. Jede Fassadenseite lässt sich mit jeweils acht doppelflügeligen Türen komplett öffnen. Die Öffnungen der Flügeltüren sind je 1,90 Meter breit und wenn alle geöffnet sind, wirkt die Fassade wie eine komplette Faltwand.

 Das Haus ist im Grundriss quadratisch. Innen besteht es aus drei eigenständigen Teilen, die jeweils aus einem Schlaf- und einem Badezimmer bestehen und separat von außen nutzbar sind – das ist das Modell „Motel“. Im innersten Kern liegt ein gemeinsamer Küchen- und Wohnbereich, der durch ein Dachfenster belichtet wird und über mehrere Türen den anderen Teilen des Hauses zugeordnet werden kann – hier findet sich das Modell „Strandhütte“, die kompakte, geborgene Hütte, aus der man durch mehrere Schichten des Hauses nach draußen und gegebenenfalls auch direkt zum Meer schauen kann – wenn die Türen geöffnet sind.