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Portrait von Lore Kramer aus dem Jahr 1956

Ans Licht geholt

Das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main präsentiert das Œuvre der Keramikerin Lore Kramer.
von Fabian Peters | 07.08.2018

"Vor 70 Jahren habe ich 30 Jahre lang mit Leidenschaft Keramik gemacht. Und das hier ist aus diesen Jahren 30 Jahren", umschreibt Lore Kramer ganz uneitel die Werkschau, mit der sie das Museum Angewandte Kunst gerade ehrt. Die heute 92-jährige Keramikerin und Hochschullehrerin, die bei einigen der wichtigsten Künstler der jungen Bundesrepublik gelernt hat und anschließend die Keramikklasse der heutigen Hochschule für Gestaltung in Offenbach aufbaute, stand mit ihrem Werk meist im Schatten ihres Mannes, des Architekten Ferdinand Kramer. Völlig zu unrecht, wie Museumsdirektor Matthias Wagner K fand. Er holte die Ergebnisse jahrzehntelanger Arbeit aus dem Keller der Künstlerin, in den die Stücke seit langem gewandert waren, und stellte mit tatkräftiger Unterstützung von Lore Kramer und ihrer Tochter eine beeindruckende Retrospektive auf die Beine.  

Es war ein beschwerlicher Weg, den Lore Kramer während ihrer Ausbildung zu beschreiten hatte: Getrieben von dem Wunsch, Bildhauerin zu werden, hatte sie ein Kunststudium aufgenommen. Jedoch bestand ihr Vater darauf, dass sie zunächst ein Handwerk erlernte. Die begonnene Steinmetzlehre frustrierte sie bald zutiefst. Deshalb wandte sie sich der Keramik zu. Die Ausbildung zur Töpferin in der unmittelbaren Nachkriegszeit war oftmals geprägt von Mangel, Entbehrung und Bevormundung. Doch als Lore Kramer, damals noch Lore Koehn, an der Landeskunstschule Hamburg in die Werkstatt von Otto Lindig, des vormaligen Werkmeisters an der Keramikwerkstatt des Bauhauses, aufgenommen wurde, besserte sich ihre Situation. Hier wurde ihr eine fordernde, aber auch höchst gewinnbringende Ausbildung zu Teil. Lindig war es auch, der Zeichnungen seines Lehrlings seinem ehemaligen Mitstreiter am Bauhaus, dem Bildhauer Gerhard Marcks zeigte. Marcks holte sie daraufhin nach Köln, wo er seit 1950 lebte und arbeitete. Er wurde ihr Mentor während sie gleichzeitig die Metallbildhauerklasse von Joseph Jaeckel an den Kölner Werkschulen besuchte, wo sie ihr Studium abschloss.

Flasche, Feinsteinzeug frei gedreht und glasiert (1965-1980)

Zwei Jahre nach ihrem Abschluss wurde sie zur Leiterin der Keramikklasse an der Werkkunstschule in Offenbach berufen. Dort stand sie vor der enormen Aufgabe, nicht nur zu unterrichten und den Lehrplan zu gestalten, sondern zugleich die Lehrwerkstatt – angefangen mit den Brennöfen – komplett neu einzurichten. Ein Großteil der Arbeiten, die nun im Museum Angewandte Kunst gezeigt werden, habe sie gefertigt, sagt Lore Kramer, um ihren Studenten die Lust und das Vergnügen an der Arbeit mit keramischem Material zu vermitteln –  und natürlich die unendliche Formenvielfalt, die der Werkstoff ermöglicht. 

Die Glasur wurde eines ihrer wichtigsten Themen. Ihre Gefäße erstrahlen in wunderbar intensivem Blau oder in delikatem Grün. Immer hängt das Ergebnis von den Rohstoffen ab, von den Erden und Metallen, die der Glasur ihre Farbe verleihen und vom Verlauf des Brandes. "Ein großes Abenteuer", sagt Lore Kramer, "man kann Riesenfreuden erleben, aber auch so bittere Enttäuschungen." Ungefährlich war das Experimentieren übrigens auch nicht. "Anfänglich haben wir noch mit Bleioxyd gearbeitet", berichtet Kramer, "und ein ehemaliger Kommilitone hat mir auch zweimal einen Umschlag mit Uranoxyd nach Offenbach geschickt." Das ergab Glasuren in einem herrlich kräftigen Orange. 

Die allermeisten ihrer Entwürfe blieben Unikate. Für die Manufaktur Waechtersbach gestaltete Lore Kramer eine Geschirrserie. "Im Mutterschaftsurlaub nach der Geburt meines dritten Kindes", wie sie sich erinnert. Ihr Ehemann steuerte eine Typografie für Zahlen und Buchstaben bei, die er in Amerika entdeckt hatte. Sie ziert die verschiedenen Gefäße. Der Kollektion war allerdings kein besonderer Erfolg beschieden. Lore Kramer vermutet den Grund zu kennen: "Sie fiel dort einfach aus dem Rahmen."

Lore Kramer. Ich konnte ohne Keramik nicht leben.
Museum Angewandte Kunst
Schaumainkai 17
60594 Frankfurt am Main
bis 26. August 2018

Öffnungszeiten:
Di., Do.-So. 10-18 Uhr
Mi. 10-20 Uhr
Mo. geschlossen

Zum Abschluss der Ausstellung wird am 31. August 2018 um 18 Uhr im Museum Angewandte Kunst eine Benefiz-Auktion stattfinden, bei etwa 40 Arbeiten von Lore Kramer und ihren Schülern zur Versteigerung kommen werden.  

Flasche, Feinsteinzeug frei gedreht und glasiert (1965-1980)
Lore Kramer in der Inseltöpferei auf Juist (1950)