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SALONE DEL MOBILE 2019 | FEATURED
Collagefähig bis ins Detail

Werner Aisslinger und Tina Bunyaprasit haben "Rolf Benz ADDIT" entworfen – ein Sofa, das handwerkliche Meisterschaft in eine höchst aktuelle Formensprache übersetzt. Werner Aisslinger erklärt den Entwurf im Interview.
04.04.2019

Fabian Peters: In der kommenden Woche feiert "Rolf Benz ADDIT" auf dem Salone del Mobile in Mailand Premiere – ein neues Sofa mit passenden Tischen und Teppichen. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Rolf Benz?

Werner Aisslinger: Meine Geschichte mit Rolf Benz reicht lange zurück: Schon Ende der Neunzigerjahre war ich als noch junger Designer das erste Mal ins Werk eingeladen. Damals kam es nicht zu einer Zusammenarbeit. Erst als ich mit meiner Partnerin Tina Bunyaprasit vor zwei Jahren das Hotel 25hours in Zürich gestaltet habe, ergab sich die Möglichkeit, zu kollaborieren. Für die Bar benötigten wir ein lässiges, tiefes Ledersofa, das aber eine hohe Rückenlehne haben sollte. So ein Produkt gab es nicht auf dem Markt und deshalb haben wir beschlossen, es selbst zu entwerfen. Bei der Suche nach dem idealen Hersteller kamen wir sehr schnell auf Rolf Benz. Und dort hat man sofort zugestimmt, das Projekt mit uns umzusetzen. Die Zusammenarbeit war extrem einfach und das Ergebnis unglaublich. Das ist wohl das Schwäbische – diese Genauigkeit. Da ist einfach nichts hingehuscht. Kurz danach haben sich die Verantwortlichen von Rolf Benz bei uns gemeldet und gesagt: "Wir könnten doch auch mal ein Produkt für die Kollektion zusammen machen."

Was für ein Produkt hat sich Rolf Benz von euch gewünscht?

Werner Aisslinger: Ich bin heute noch begeistert, wie professionell und präzise die Vorgaben von Rolf Benz für das neue Sofa waren. Gleichzeitig haben sie uns aber alle Möglichkeiten offengelassen. Das Briefing beschrieb einen Lieblingsort; einen Ort fürs Wochenende, fürs Frühstück und fürs Filmeschauen, aber auch fürs Homeoffice; reduziert aber gleichzeitig weich und bequem. Besonders wichtig war den Verantwortlichen das Augenmerk auf die Verarbeitung, die erkennbare Handwerklichkeit des Produktes. Weil es natürlich immer auch darum geht, dass alle Rolf Benz-Sofas in Nagold am Rande des Schwarzwaldes gefertigt werden. Das sollte bis in die Details erkennbar werden.

Was war euer Ansatz beim Entwurf von "Rolf Benz ADDIT"? Welchen Ausdruck, welches Gefühl sollte das Sofa vermitteln?

Werner Aisslinger: Auf keinen Fall wollten Tina und ich ein Sofa, das den Eindruck macht, dass es seinen Benutzer erziehen will. Das dir zu sagen scheint: Sitz aufrecht! Vielleicht deshalb standen uns von Anfang sehr knuffige, sehr weiche, bombierte Kissen vor Augen. Keine, die immer ganz glatt gespannt sind, die keine Falte werfen, die immer sehr akkurat, sehr deutsch aussehen. Wir wünschten uns eher ein etwas lässiges Aussehen für die Kissen, egal ob sie mit Leder oder Stoff bezogen sind. Diese weiche Kissenlandschaft sollte von einem linearen Rahmen gehalten werden, damit das Sofa nicht wegfließt und so ein undefinierbarer, konturloser Schaumstoffblock wird. Und schließlich hatten wir das Gefühl, dass "Rolf Benz ADDIT" den Eindruck vermitteln müsse, es schwebe.

Es klingt nicht so einfach, diese Wünsche und Vorstellungen alle in einen einzigen Entwurf zu übersetzen. Welche Lösung habt ihr letztendlich dafür gefunden?

Werner Aisslinger: Das Sofa wird von vier wesentlichen Gestaltungselementen geprägt: dem Rahmengestell, das aus Metallrohren besteht; der äußerst schlanken, lederbezogenen Platte, die auf dem Gestell aufliegt; den seitlichen Bügeln, die die Kissen einfassen und natürlich den voluminösen Sitz- und Lehnenkissen. Wichtig bei so einem eigentlich simplen Stapelsystem ist natürlich, dass der Entwurf bis in die Details präzise designt und seine Umsetzung makellos ist. So wurde etwa für den Übergang von den horizontalen Rohren des Gestells zu den Seitenbügeln ein höchst aufwendig gemachtes Gussstück aus Aluminium konstruiert, weil wir die konstruktiven Elemente des Sofas nicht kaschieren, sondern unterstreichen wollten.

Welche Funktion hat die dünne lederbezogene Platte?

Werner Aisslinger: Die dünne Platte sorgt optisch für den schwebenden Eindruck, den das Sofa vermitteln soll. Nur durch diese drei Zentimeter starke, lederbezogene Platte wirkt das Sofa so minimal, so schwebend, so grazil. Gleichzeitig ist sie statisch ein wichtiger Teil der Konstruktion: So können wir trotz des filigranen Rahmengestells eine enorme Spannweite erreichen.

"Rolf Benz ADDIT" kann ganz unterschiedlich konfiguriert werden. Eine Besonderheit ist die Möglichkeit, Komponenten anzubauen und aufzustecken.

Werner Aisslinger: Von Anfang an war klar, dass "Rolf Benz ADDIT" auch Stauraum und Ablageflächen bieten sollte. Dafür haben wir uns dann das Rohrgestell des Sofas zunutze gemacht. In das kann man nun auch Beistelltische oder auch Regale einstöpseln und so das Sofa zu einer regelrechten "Landscape" upgraden. Im Prinzip sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt. Leuchten, Taschen für Zeitschriften, Accessoires – all das ist denkbar.

Wie habt ihr die Aufgabe umgesetzt, die handwerkliche Verarbeitung des Sofas erkennbar werden zu lassen?

Werner Aisslinger: Wir haben viele schöne Details entworfen, die genau diese Verarbeitungsqualität zeigen. Da ist natürlich zunächst die schlanke Platte, die immer mit Leder bezogen sein wird. Auch die seitlichen Bügel sind mit Leder ummantelt. Allein die fantastischen Nähte sind Kunstwerke, an denen sich die unglaubliche Verarbeitungsqualität bei Rolf Benz ablesen lässt. Auch die einsteckbaren Beistelltische mit ihren Stein-, Glas- oder Holzplatten und die anbaubaren Regalboards aus Eiche – sie alle sind extrem qualitätvoll gefertigt. Dasselbe gilt auch für die beiden kleinen Tische und die vier Teppiche, die ja auch zur Kollektion von "Rolf Benz ADDIT" gehören.

Hattet ihr, als ihr begonnen habt, euch über den Entwurf Gedanken zu machen, eine Zielgruppe vor Augen?

Werner Aisslinger: Als Designer muss man immer auch ein bisschen von sich selbst ausgehen. Es ist immer unsere Absicht und Aufgabe, das eigene Lebensgefühl in unsere Entwürfe miteinzubringen, sonst wären wir ja nur Erfüllungsgehilfen. Andererseits müssen wir aber auch in Rechnung stellen, das unser Kreativenalltag in Berlin nicht stellvertretend für den Rest der Welt steht. Sprich: man darf eben das Rad auch nicht zu weit drehen. Wir wollten nicht jünger und hipper sein, als die Hipster in Kreuzberg. Umgekehrt wollten wir aber auch mit unserem Entwurf nicht neureicher sein, als einige italienischen Marken, bei denen immer alles furchtbar hollywoodmäßig daherkommt. Rolf Benz ist eine sehr gerade Marke, die herausragende Qualität zu guten Preisen liefert und keine Showpieces in die Welt stellt.

Worin liegt für dich die besondere Herausforderung, ein Sofa zu entwerfen?

Werner Aisslinger: Sofas werden heute ganz anders genutzt, als noch vor 20 Jahren. In den Siebzigern hat man dort seinen Gästen Häppchen angeboten, heute ist es hauptsächlich ein Rückzugsplatz. Wenn man mit seinen Freunden gemeinsam isst oder vielleicht sogar zusammen kocht, sitzt man am Esstisch. Das Sofa ist dagegen ein bestenfalls halböffentlicher Ort, ein Refugium für die Familie, wo man zusammen entspannt, aber auch arbeitet oder seine E-Mails checkt. Dieser private Charakter muss auch den Entwurf prägen.

Wie sollte sich ein Sofa heutzutage in die Einrichtung einfügen? Und was für eine Einrichtung muss man heute eigentlich voraussetzen? Wohl nicht mehr Couchtisch und Schrankwand?

Werner Aisslinger: Ich glaube, die wichtigste Eigenschaft eines Möbels ist in dieser Hinsicht heute seine Collagefähigkeit. Es geht nicht mehr um Stile und Farbwelten. Beziehungen sind inkonsistenter als vor dreißig Jahren. Das heißt, öfter im Leben begegnen sich Menschen neu, die irgendwelche Möbel oder Gegenstände im Gepäck haben. Es wird viel vererbt. Man kriegt von der Oma irgendeinen seltsamen Schrank geschenkt. Vielleicht kauft man sich aber auch ein Vintagemöbel auf dem Flohmarkt. Alle reisen viel und jeder bringt Erinnerungsstücke mit. Das Leben ist Collage, deshalb müssen Möbel collagefähig sein – auch ein Sofa für Rolf Benz.

Ergänzend zum Sofa "Rolf Benz ADDIT" habt ihr noch kleine Tische und auch Teppiche entworfen. Was war hier euer Gestaltungsansatz?

Bei den Tischen haben wir den grazilen Rohrrahmen des Sofas aufgegriffen. Auch die eleganten Aluminiumguss-Verbindungen erscheinen hier erneut. Allerdings haben wir diese Metallelemente mit einem anderen Material als beim Sofa kombiniert – nämlich gefärbtem Glas. Die Teppiche wiederholen mit ihrem geometrischen Dekor die Elementarformen, die auch die Gestalt des Sofas und der Tische bestimmen, übersetzen sie aber in die Fläche. Das dadurch definierte Areal schafft um das Sofa eine klar ablesbare Zone im Raum. Für uns waren diese ergänzenden Produkte eine wunderbare Möglichkeit, das Setting unseres Entwurfes zu kuratieren. So konnten wir die Rollen klar verteilen. Tische und Teppiche sollen Ruhe ausstrahlen und einen Rahmen aufspannen, aber nicht dem Sofa als Hauptdarsteller die Show stehlen.

Rolf Benz finden Sie in Mailand auf dem Salone del Mobile 2019 in Halle 5, Stand B03–B04.