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Handgranate statt Tannenzapfen: Er sei an Architektur interessiert, die andere hässlich finden, sagt Guido Zimmermann. Jetzt macht er daraus Kuckucksuhren.

Zum Kuckuck

Waschbeton statt Schwarzwaldhaus: Wie der Frankfurter Künstler Guido Zimmermann auf „das Ding mit den Kuckucksuhren“ kam.​
von Florian Heilmeyer | 03.05.2017

Es war purer Zufall, dass Guido Zimmermann auf „das Ding mit den Kuckucksuhren“ kam. Vor einigen Jahren war er als Graffitikünstler zu einem „character jam“ eingeladen. Die Veranstaltung fand am Ben-Gurion-Ring in Nieder-Eschbach statt, einer Frankfurter Hochhaus-Siedlung aus den 1970er-Jahren mit besonders schlechtem Ruf. Spontan entwickelte Zimmermann dort mit den Jugendlichen ein Bild, das die umliegenden Plattenbauten mit ein paar romantischen Landschaftselementen kombinierte – und einem „Asi-Kuckuck“, wie Zimmermann sagt, als Anspielung auf die Schwarzwälder Kuckucksuhr-Idylle, aber eben in der Variante im Unterhemd und mit umgedrehter Baseball-Kappe. Die schräge Kombination fand so viel Anklang, dass die Idee blieb und Zimmermann, der sonst Skulpturen baut und große Wandbilder malt, überlegte, wie sich das fortsetzen ließe.

Probeweise kaufte er sich eine Kuckucksuhr und baute sie zu einem modernen Gebäude um. Die Künstlerkollegen im Gemeinschaftsatelier waren begeistert: „Da habe ich gemerkt, dass bei jedem sofort was im Kopf passiert“, sagt Zimmermann. „Alle haben sofort angefangen, von Gebäuden in ihrer Heimat zu reden. Und ich habe mich ja schon als Kind für meine Umgebung und die Architektur interessiert, so ist das auch bei mir wieder aufgekommen.“

Hauptstadt-Platte: Die baugleichen Uhren-Klötze der „Berlin Edition“ werden als numerierte Serie gefertigt.

Zuerst hat Zimmermann aufwendige Einzelstücke gebaut, dafür wurde die alte Kuckucksuhr jeweils bis auf das Uhrwerk „zurückgebaut“. Um Uhr zu werden, mussten die Gebäude Zimmermann als Architektur überzeugen, aber auch durch ihre Geschichte faszinieren – und sie mussten zum bestehenden Uhrwerk passen. Dass er sich bislang recht berühmten brutalistischen Werken gewidmet hat, kommt nicht von ungefähr: „Ich interessiere mich eher für die Architektur, die andere hässlich finden. Und als Kuckucksuhren müssen die Gebäude natürlich auch einen gewissen Kontrast zum Schwarzwald bieten.“

So sind das Glenkerry House in London von Ernö Goldfinger und das leicht über einen Abhang hängende Hotel von Marcel Breuer im französischen Skiort Flaine zu Zimmermannschen Uhren geworden. Am 2014 in Frankfurt gesprengten AfE-Turm baut er bereits, auch die Häuser der berüchtigten amerikanischen Nachkriegssiedlung Pruitt Igoe, die 1972 gesprengt wurde, könnte er sich gut als Kuckucksuhren vorstellen. „Ich habe“, erklärt er, „mich weltweit umgeschaut und inzwischen ein recht großes Archiv mit Vorlagen, Fotos und Zeitungsartikeln“.

Passend zum Beton: Sein Basecap trägt der Kuckuck natürlich verkehrt herum, Alter.

Jetzt hat er aber erst einmal seine „Berlin Edition“ vorgestellt: fünf baugleiche Wohnblocks mit kleinen Balkonen, bei denen der Kuckuck aus der Eingangstür kommt. „Die Berliner Blocks sind ein Experiment gewesen. Ich wollte endlich weg von den sehr aufwendigen Einzelstücken: das Glenkerry House hat ja sogar eine Beleuchtung, so etwas zu bauen dauert schon ein paar Tage.“ Für seine „Berlin Edition“ benutzt er jetzt chinesische Kuckucksuhren mit Plastikgehäuse und elektronischem Uhrwerk. „Die sind flexibler einzubauen, müssen weniger gewartet werden und außerdem billiger.“

In der Werkstatt steht jetzt auch eine CNC-Maschine für die Holzbearbeitung; theoretisch könnte Zimmermann also groß in die Produktion einsteigen: „Die Nachfrage ist tatsächlich jetzt schon sehr groß, obwohl ich noch gar nicht richtig mit der Vermarktung angefangen habe. Vielleicht sollte ich zwei Leute anstellen, die dann die Aufträge abarbeiten. Aber eigentlich bin ich ja Maler und freue mich schon auf den Sommer, ich habe Aufträge für große Wandgemälde in ganz Deutschland, außerdem steht das Crowdfunding für das ‚Museum on the Street‘ in Frankfurt – und dafür werde ich demnächst auch viel Zeit brauchen.“

Auf felsigem Grund: Marcel Breuers Hotel im Skiort Flaine
Sozialer Wohnungsbau für Kuckucke: das Glenkerry House in London von Ernö Goldfinger

Guido Zimmermann konnte ja nicht damit rechnen, dass dieses „Ding mit den Kuckucksuhren“ so groß werden würde. Eine Idee für die nächste Serienproduktion hat er trotzdem schon: „Die Siedlung in Frankfurt-Mainfeld, die wäre super. Das ist eine Reihe von so ganz hässlichen Wohnblocks aus Waschbeton, und um die Hässlichkeit vielleicht ein wenig zu mildern, haben sie dann die Balkone bunt gemacht.“ Zimmermann muss lachen. Das sind genau die Gebäude, die er sucht, um sie in Kuckucksuhren zu verwandeln.

Kuckuck auf der Baustelle: Die alten Gehäuse werden komplett entsorgt, dann wird neu gebaut. Irgendwann will Zimmerman aus den leeren Schwarzwaldhüllen eine "apokalyptische Endzeitinstallation“ machen.
Ob der Kuckuck in der neuen Heimat glücklich ist? Jedenfalls ruft er wie zuvor. Oder kommt er dabei etwa nur seiner Pflicht nach?