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Stephanie Thatenhorst

Eindeutig eklektisch

Die Entwürfe von Stephanie Thatenhorst sind mutig und überraschen mit ungewöhnlichen Kombinationen aus Farben, Formen, Materialien und Stilen. Dennoch wirken ihre Arbeiten niemals überladen oder überfordernd – im Gegenteil, ihre Interior Projekte sind einladend und den Menschen zugewandt.
14.11.2025

Sandra Böhm: Stephanie, du zählst heute zu den bedeutendsten Interior-DesignerInnen Deutschlands. War das schon früh dein Wunschberuf?

Stephanie Thatenhorst: Nein, ich wusste nach dem Abitur überhaupt nicht, was ich machen sollte. Ich hatte keine Prägung, keine offensichtliche Neigung oder ausgesprochene Talente. Klar war nur, dass ich der Einöde auf dem Bauernhof ganz schnell entfliehen wollte. Daher ging es nach dem Abitur erstmal so weit weg wie möglich – als Aupair nach Australien. Dort war ich bei einer sehr netten Familie untergebracht. Der Vater war Architekt und baute Holzhäuser. Ab und zu hat er mich auf Baustellen mitgenommen. Ich kann mich noch heute an den schönen Holzgeruch dort erinnern. Als ich nach fast zwei Jahren zurück in Deutschland war, war klar, dass ich Architektur studieren werde. Allerdings hatte ich größten Respekt vor diesem Studium und habe mich in Rosenheim erst einmal für Innenarchitektur beworben. Dort wurde ich allerdings abgelehnt. Was ich aus heutiger Sicht sehr lustig finde (lacht). Also habe ich es doch mit dem Architekturstudium probiert. Heute weiß ich, dass dieser Weg für mich vorbestimmt war. Mein Architekturstudium kommt mir immer noch sehr zugute. Dadurch bekommt man einen guten Blick auf das große Ganze. Und es ist von Vorteil, wenn du den KollegInnen vom Hochbau auf Augenhöhe begegnen kannst.

Wie hast du angefangen? Gibt es ein bestimmtes Projekt, mit dem dir der Durchbruch als Innenarchitektin gelungen ist?

Stephanie Thatenhorst: Am Ende des Studiums habe ich meinen Ex-Mann, einen Gastronom, kennengelernt. Er gab mir damals die Möglichkeit, das Interieur für seine Restaurants zu designen und hat mir dabei völlig freie Hand gelassen. Daraufhin kamen peu à peu weitere Anfragen. Nach der Geburt unseres zweiten Kindes war klar, dass ich das Ganze auf eine professionelle Ebene bringen wollte. Die Ausstattung der Läden meines Ex-Mannes war sicherlich mein Sprungbrett, aber der Durchbruch als Interior-Designerin kam mit anderen Projekten. Mein Scheunen-Projekt auf dem Bauernhof meiner Eltern war schließlich der absolute Gamechanger. Zu dieser Zeit war das eines der ersten Projekte dieser Art. Ganz ohne den üblichen Jodel-Chic, vielmehr eine zeitgenössische Interpretation alpenländischen Bauens. Das hat meine Arbeit nochmal auf eine andere Stufe gehoben. Und schließlich die Listung in den AD100, der Top 100 der besten GestalterInnen und Kreativen aus Interior, Architektur und Design. Das brachte eine ganz andere Außenwirkung und Wahrnehmung mit sich, auch international.

Wer oder was war für dich stilbildend?

Stephanie Thatenhorst: Um ehrlich zu sein, haben mich Emiliano Salci und Britt Moran von Dimore Studio von Anbeginn stilistisch fasziniert und inspiriert. Das ist auch heute noch so. Ich mag ihre eklektische Art, nicht nur in ihrer Möbelkollektion, sondern auch in ihren Projekten. Man erkennt ihre Handschrift sofort.

Showroom Stephanie Thatenhorst

Wie würdest du deinen Stil bezeichnen?

Stephanie Thatenhorst: Eindeutig eklektisch. Selbst bei stilleren Projekten. Den Eklektizismus kann ich nie so ganz vor der Tür lassen, das ist mein Stil. Aber ich merke, wie der Wunsch aufkommt, auch mal etwas ganz anderes, ruhigeres zu machen. Bei meinem Scheunen-Projekt kam das schon ein bisschen durch und einer der Räume unseres neuen Showrooms ist auch schon etwas beruhigter. Ich würde der Welt gerne zeigen, dass ich das auch kann. Für mich ist es wichtig, Neues auszuprobieren, mich immer wieder neu zu erfinden. Das ist sehr gesund für die Kreativität. Wenn man in der obersten Liga mitspielen möchte, darf man keinen Stillstand zulassen.

Wie wichtig sind Trends für dich?

Stephanie Thatenhorst: Niemand kann sich, sei es bewusst oder unbewusst, von äußeren Einflüssen frei machen. Ich lasse mich viel von Mode inspirieren, von Farben, Stoffen und Mustern. Manchmal setzt man vielleicht sogar selbst Trends. Es ist wichtig out of the box denken und mutig zu sein. Mainstream hat zu 100 Prozent seine Daseinsberechtigung und ist für den Großteil der Menschheit richtig und wichtig. Ich habe allerdings vor vielen Jahren für mich entschieden, nicht den Mainstream-Weg zu gehen. Ich bin irgendwo abgebogen und diesem Weg bin ich bis heute, mit großer Freude und Leidenschaft, treu geblieben.

Welche Rolle spielen Material und Farben in deinen Entwürfen?

Stephanie Thatenhorst: Textil fördert die Behaglichkeit eines jeden Projektes. Da gibt es für mich keine Grenzen, da kommt schon mal die Stofftapete ins Bad. Je ungewöhnlicher, desto besser. Gerade in Räumen, die keine klassischen Aufenthaltsräume sind, verwende ich sehr gerne Stoffe. Es muss nicht immer nur praktikabel sein. Es ist dieses Spiel zwischen verschiedenen Oberflächen und Haptiken. Wir arbeiten sehr gerne mit Gegensätzen. Farben spielen bei uns ebenfalls eine sehr große Rolle. Mutige Farbkombinationen zu kreieren, die man nicht so häufig sieht – darin liegt, glaube ich, meine große Stärke. Da wird immer das ganze Spektrum ausgereizt.

Wie entsteht ein Raumkonzept?

Stephanie Thatenhorst: Das ist zu 99 Prozent Bauchgefühl. Was zählt, ist ein gutes Gespür. Das ist es, was gute DesignerInnen haben müssen. Du kannst vieles erlernen, aber die Intuition, dass genau an dieser Stelle die Wand rot sein muss oder der Teppich blau, das ist Gespür. Manchmal ist es nur eine einzige kleine Sache, die mir für ein Projekt in den Sinn kommt. Das ist dann mein allererstes Puzzle-Steinchen.

Haus am See

Was ist dir das Wichtigste an deinen Entwürfen? Aussehen oder Funktion?

Stephanie Thatenhorst: Ehrlich gesagt ist das von Projekt zu Projekt verschieden. Es kommt darauf an, ob es ein Privathaus, ein Restaurant oder einen Shop ist. Da gibt es unterschiedliche Anforderungen, Bedürfnisse und BauherrInnen. Manchmal lassen sich diese motivieren, gewöhnliche Prinzipien über Bord zu werfen. Genauso gibt es aber auch Momente, wo ich nachgebe. Grundsätzlich bin ich aber schon ein großer Dickschädel und akzeptiere nicht gerne, wenn irgendetwas nicht geht. Diese Dickschädligkeit bringt mich glücklicherweise oftmals zum gewünschten Ziel. Aber wir sind ganz klar Dienstleister. Die Kundinnen und Kunden zahlen viel Geld und wenn sie partout etwas nicht wollen, dann ist das so. Andererseits gibt es immer Dinge, um die ich kämpfe und versuche, sie durchzubringen. Einfach weil ich davon überzeugt bin, dass es in dem Moment das Richtige ist. Da muss man eine Balance schaffen. Ich möchte aber nicht die Art von Interior Designerin sein, die einfach alles durchsetzt und nur die eigene Meinung zählen lässt.

Deine Räume wirken stets sehr modern, ohne jemals kühl zu sein. Wie schafft man es, einen Raum nicht nur stylisch aussehen zu lassen, sondern ihm auch Persönlichkeit und Wärme zu verleihen? Wie wird ein Raum lebenswert und individuell?

Stephanie Thatenhorst: Das liegt am Materialmix. Der eklektische Stil hat immer etwas mit Wärme zu tun. Die Kunst ist es, Dinge, Materialien, Oberflächen, Farben, Möbel und Leuchten so zueinander zu bringen, um dieses harmonische, einladende, atmosphärische zu schaffen.

Welche Rolle spielen Lichtquellen in einem Raum?

Stephanie Thatenhorst: Atmosphärische Wohnraumbeleuchtung hat für mich einen sehr hohen Stellenwert. Dies erreiche ich durch unregelmäßige Beleuchtung. Ein Raum braucht unterschiedliche Lichtquellen.

Haus Leoni

Gibt es etwas, woran man sofort eine Arbeit von Stephanie Thatenhorst erkennen kann? Etwas, worauf du besonderen Wert legst?

Stephanie Thatenhorst: Eigentlich möchte ich nicht, dass man schon von weitem erkennt, dass das Thatenhorst ist. Mir ist es wichtig, mich immer wieder neu zu erfinden, neu zu denken.

Du wohnst in einer sogenannten Showflat, was darf man sich darunter vorstellen?

Stephanie Thatenhorst: Unsere Wohnung, in der ich mit meinen beiden Söhnen lebe, dient gleichzeitig als Showroom. Wir machen dort Events aller Art und die KundInnen können nach Absprache die Räume besichtigen. Die Idee war, dass wir anhand meiner Wohnung ein Projekt von uns hautnah zeigen können. In der Showflat kann ich alles in real life zeigen, man erhält eine bessere Vorstellung davon, wie es aussehen könnte und gleichzeitig können alle Möbel, Leuchten und Accessoires dort auch gekauft werden. Meine eigenen Räumlichkeiten zu zeigen, ist meine beste Visitenkarte.

Entwirfst du eigentlich auch selbst Möbel?

Stephanie Thatenhorst: Es gibt kein Projekt wo wir nicht Möbel entwerfen und bauen lassen. Das Möbel-Design ist bisher allerdings eher ein Nebenprojekt, aber allmählich kommen wir ins Lizenzgeschäft rein. Das heißt, Möbelhersteller fragen bei uns an, ob wir etwas entwerfen können, was sie schließlich produzieren und in ihre Kollektion aufnehmen.

Was steht als nächstes an?

Stephanie Thatenhorst: Zum Glück ist die Tür zu meinem Büro zu (lacht)... Dieses Jahr war echt sportlich. Wir haben unser Buch "Love & Passion", an dem wir ein Jahr lang gearbeitet haben, auf die Welt gebracht. Der neue Showroom hat wahnsinnig viel Energie und Kraft gekostet. Wir haben einen Online-Shop und eine neue Internetseite gelauncht. Mein 30-köpfiges Team und ich sind mit laufenden Projekten auch weiterhin gut ausgelastet und es gibt schon wieder ganz viele Neu-Anfragen. Es ist schön, Dinge zu erreichen, total wichtig ist dabei aber auch, dass du den Standard hältst. Sowohl gestalterisch als auch den Service betreffend. Nichts von dem, was wir erreicht haben, war von langer Hand geplant und ich bin so dankbar dafür. Wichtig ist, immer neugierig und offen zu bleiben für das, was einem vor die Füße fällt.

Love & Passion – Interior Design von Stephanie Thatenhorst
Verlag: Callwey
Autor: Valerie Präkelt
Seitenzahl: 224
Erscheinungstermin: 2. Mai 2025
Deutsch
Abmessung: 281 x 253 x 24 Millimeter
ISBN-13: 9783766727787

59,95 Euro

Büro Hass Dross Theiss