top
Peter Wagner

STYLEPARK WAGNER LIVING
Revolution mit Herz

Vom Holzstuhl über das Dondola-Gelenk bis hin zum 3D-Druck: Wie die Brüder Rainer und Peter Wagner das Sitzen neu definieren.
von Anna Moldenhauer | 10.07.2019

Wenn Peter Wagner von den Anfängen erzählt, spürt man die Begeisterung, die das Familienunternehmen zum Erfolg geführt hat und bis heute prägt: "Meine Brüder und ich sind von klein auf in die Stuhlherstellung hineingewachsen, ich kann polstern seitdem ich fünf bin", lacht er. 1950 startete der Großvater Moritz Wagner in Langenneufnach nahe Augsburg seine kleine Stuhlfabrik. Der Wirtshausstuhl aus Holz mit speziell entwickelten Leimsteckverbindungen war das erste Produkt – und ist bis heute ein zeitloser Klassiker. Robust, funktional und mit reduziertem Design passt sich der "W-1960" mühelos allen Gegebenheiten an. Ästhet im Geiste wählte Moritz Wagner dazu für die Typografie eine Bauhausschrift und setzte damit die Grundwerte: Klarheit, Design und Qualität. Im Laufe der Jahre den idyllischen Standort zu wechseln, kam für die Familie nicht in Frage: "Wir würden nie wegziehen oder das Unternehmen aus der Hand geben", so Peter Wagner. Mit der Gründung der Bürostuhlmarke Topstar im Jahr 1976 fühlte sein Vater Michael, Sohn von Moritz Wagner, aus der schwäbisch-bayrischen Gemeinde heraus den Puls der Zeit: Steve Jobs gründete im gleichen Jahr Apple und brachte die Idee des Heimcomputers auf den Weg. Mit diesem zog auch der Bedarf nach Bürostühlen in die eigenen vier Wände ein – die Nachfrage bei Topstar explodierte regelrecht. "Wir haben im Team quasi durchgearbeitet und die Stückzahlen von 1.000 auf 10.000 pro Tag gebracht", erzählt Peter Wagner. Trotz der Auslegung auf eine "Breitenmarke" war klar: Der Wert muss gleichbleibend sein. "Wenn der Kunde ein Produkt von uns kauft, vertraut er auf die hohe Qualität. Wir könnten es uns gar nicht erlauben, eine schlechte Performance abzuliefern", sagt er.

Die richtige Dosis

Neben Topstar entschieden sich die Brüder Rainer und Peter Wagner Ende der Neunziger, eine Premiummarke zu entwickeln, die einen wissenschaftlichen Ansatz verfolgt: Wagner Living. Das von Stephan Meyer entwickelte Dondola-Gelenk wurde Kern des Konzepts und dient bis heute als Original zur Inspiration für alle nachfolgenden Produkte. Durch die Entkopplung der starren Verbindung zum Stuhlunterteil wird das Gelenk des Drehstuhls zur verlängerten Wirbelsäule. "Es geht um die richtige Dosierung, nicht darum, dass sich der Stuhl möglichst viel bewegt", erklärt Peter Wagner. Durch das dynamische Sitzen sind Mikrobewegungen möglich, die die Bandscheiben entlasten und kräftigen sowie die Konzentration fördern. Bereits vier Patente hat Wagner mit Dondola realisiert und eine umfangreiche Sitzforschung betrieben, die die Wirksamkeit des Gelenks auf die Gesundheit bestätigt. "Ich möchte den Kunden keine Möbel auf Masse verkaufen, sondern gutes Sitzen", so Peter Wagner. Mit Stefan Diez zusammen entwickelte das Unternehmen das Dondola-Gelenk weiter und schuf zum "D1" eine Stuhlfamilie. Charles Schumann, Gastronomielegende und das Gesicht der Marke Wagner, stellte einst den Kontakt zu dem Industriedesigner her, der schnell freundschaftlich wurde: "Stefan ist wie ein vierter Bruder für uns geworden, er vereint Wissenschaft und Fantasie in einer Person. Uns konnte nichts Besseres passieren", resümiert Peter Wagner.

Fortgeführt wird die enge Kooperation nun neben der Weiterentwicklung der "D1"-Kollektion mit einem Service für Innenarchitekten, der auf die Gestaltung des Raumes aus einer Hand zielt. International ausgelegt und nachhaltig gedacht, sollen die individuell angepassten Möbel zusammen mit den lokalen Handwerksbetrieben realisiert werden. Die Visionärskraft und Selbstständigkeit der Marke Wagner wird bald auch auf dem 100.000 Quadratmeter großen Firmengelände sichtbar sein: Über dem Erdgeschoss des ehemaligen Wohnhauses der Familie entsteht das "Design Lab": Entworfen vom Architekturbüro Titus Bernhard, wird der Bau als Designlabor, Showroom und Arbeitsplatz zugleich dienen. Eine Isolierglasscheibe mit 20 Meter Länge und 3,50 Meter Höhe stellt dabei die größte verbaute Glasscheibe der Welt, und lässt im Doppel das Gebäude wie bei einem Schaufenster zu den Längsseiten hin offen. Bereits jetzt kann man in den Räumen die neuen Projekte von Wagner begutachten, wie ein Bett mit Dondola-Gelenken, mit dem die Brüder zukünftig zum Beispiel für Boutiquehotels einen einzigartigen Mehrwert bieten wollen.

Im Fokus: Die Weiterentwicklung des Dondola-Gelenks von Stefan Diez
Klarer Aufbau: Peter Wagner skizziert die Konstruktion des "D1"
Bis an die Grenzen: Jede Produktentwicklung wird von Wagner auf Herz und Nieren geprüft.

Blick in die Zukunft

Das gute Gespür von Wagner für die Technologie der Zukunft lässt sich auch bei einem Gang durch die moderne Fertigung ablesen: Kleine Roboterfahrzeuge flitzen von GPS-Signalen geleitet durch die Industriehalle und beliefern die unterschiedlichen Arbeitsstationen mit Einzelteilen. Mit der Nutzung der 4.0-Technologie für die Fertigung hat Wagner die erste echtzeitgesteuerte Produktionslinie für hochwertige Sitzmöbel in Europa geschaffen. Dank ihrer Unterstützung sparen die Mitarbeiter pro Tag viel Zeit und die körperliche Belastung wird produktiv gemindert. Im Entwicklungszentrum ein paar Stockwerke höher forscht Wagner indes an Sitzen für autonome Fahrzeuge wie dem UCCON W-Mobil, das zur IAA 2018 seine Premiere feierte. Dazu gesellen sich mehrere 3D-Drucker, die der Stuhlproduktion für individuelle Anforderungen in Kürze eine neue Richtung geben sollen. Das Ergebnis der Forschung will Peter Wagner zur Orgatec 2020 präsentieren. "Der 3D-gedruckte Stuhl ist aktuell meine Leidenschaft", strahlt er. Digitale Fertigung und optimierte Prozesse ziehen sich wie ein roter Faden durch die Produktion – die analoge Seite will das Unternehmen dennoch nicht gänzlich ausklammern: "Man muss die sprichwörtliche Hand auf der Qualität haben", so Peter Wagner.

Handgefertigt: Werkzeugbau in der Produktion.
Passgenau: Die Bezüge werden einzeln maßgeschneidert.

Der Einblick in die handwerkliche Seite, mit der einst alles begann, wird in den nächsten Jahren in einer eigenen Manufaktur auf dem Firmengelände möglich sein: "Ich freue mich schon lange darauf, die Fabrik meines Opas in einer Form wiederaufleben zu lassen", so Peter Wagner. Die visionären Ideen des Großvaters und seine Herzlichkeit haben die Unternehmensphilosophie von Beginn an bestimmt. "Unsere Mitarbeiter sollen sich bei uns zuhause fühlen", sagt er. Zum Wohlgefühl am Arbeitsplatz gehört für Wagner auch die nachhaltige Produktion: Chemische Kleber kommen den Brüdern nicht mehr ins Haus, der Strom wird mit Wasserkraft und einer Photovoltaikanlage erzeugt, die Heizung läuft mit Öko-Erdgas. Der neueste Clou: Die Papierabfälle der Verpackungen von etwa 2.000 Tonnen pro Jahr dienen nun geschreddert als Füllung der Packkissen.

Ganz ihrem Slogan "Move your life" folgend, bewegen Peter und Rainer Wagner mit wachem Blick nach vorn, modernen Technologien und hohem Anspruch an Design und Qualität den Fortschritt der Sitzmöbel. "Wir wollen, dass das Sitzen einen neuen Wert bekommt", so Peter Wagner.

Gute Stimmung: "Unsere Mitarbeiter sollen sich bei uns Zuhause fühlen", so Peter Wagner.