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Bohlen oder Sein, das ist hier die Frage
von Daniel von Bernstorff | 15.01.2013

Großes Gedränge am Stand der Firma „P+S International“ in Halle 3. Kein Geringerer als Dieter Bohlen (!) hat sich angekündigt, um seine Tapetenkollektion für das Unternehmen aus Gummersbach vorzustellen. Unter dem vielsagenden Slogan „It’s different – Vielfältige Tapeten für jeden, der auf der Suche nach dem Besonderen ist“, darf man sich die vermeintlich aus der Feder des Ex-Popstars stammenden unterirdischen Kreationen zu Gemüte führen. Ja, wo sind wir denn hier gelandet?

Nebenan, bei der ehrwürdigen Marburger Tapetenfabrik, schüttelt man nur noch die Köpfe. War die Halle 3 noch vor Jahren ein Forum für das Beste des internationalen Textil- und Tapetendesigns, so droht sie nun zur reinen Marketing-Maschine zu verkommen. Immer mehr wichtige Design-Brands haben sich von der „Heimtextil“ zurückgezogen, der exklusive Kreis von Marburger, Arte, Dedar, Elitis und wenigen anderen hält eisern die Fahne in den rauen Wind. Wie lange wohl noch?

Was die ganze Sache nicht leichter macht ist die Tatsache, dass mit der BAU in München, der domotex in Hannover und der imm in Köln fast zeitgleich drei weitere Messen um mehr oder weniger denselben Ausstellerkreis buhlen. Dazu ist in den letzten Jahren mit der Architect@work ein neues Format speziell für Architekten entstanden, das mit klarem Konzept für Aussteller und Besucher besticht. Keine leichten Zeiten also für die eher traditionellen Fachmessen. Guter Rat ist wie immer teuer. Doch wenn es der Heimtextil gelingen würde, alle für den designinteressierten Architekten und Innenarchitekten relevanten Player und die großen Sonderausstellungen an einem Ort zu bündeln, wäre schon viel erreicht.

Denn ohne jeden Zweifel verfügt die Frankfurter Messe über eine große Kompetenz im Textilbereich. Das zeigt besonders eindrucksvoll die Trendshow „Being“, die im Forum präsentiert wird. Hier hat ein internationales Team aus Experten einen kreativen Parforceritt durch die „Schatztruhen der Zukunft“ auf die Beine gestellt. Dabei wurden vier übergeordnete Typologien entwickelt: „The Historian“, The Eccentric“, „The Inventor“ und „The Geologist“. Anstatt dem Besucher vorformulierte Trends zu präsentieren, lässt man ihn durch einen „Inspirations-Parcours“ wandeln, in den spielerisch Installationen, Produkte ausgewählter Aussteller und vieles mehr integriert wurde. Allein diese Ausstellung lohnt einen Besuch! Und sie zeigt zugleich auf, wie eine klassische Messe neue und kreative Wege beschreiten kann.

Was lernen wir daraus? Auf jeden Fall weniger Bohlen und mehr „Being“, weniger Marketing und mehr Inhalt, weniger Personenkult und mehr Mut zu Qualität. Kurz: Mehr Sein als Schein. Das sind hohe Ansprüche, keine Frage. Aber die Heimtextil hat alles, um sie zu erfüllen.

www.heimtextil.messefrankfurt.com

Überzeugen konnte die Fachmesse für Textilien vor allem durch die Trendshow „Being“, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Die vier aufwendig inszenierten Themenwelten gaben Einblick in die Designentwicklungen im Textilbereich, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Realisiert wurde „Being“ vom „Stijlinstituut Amsterdam“, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Strukturierte „Misty Mountain/ Micro“ Tapete am Stand von lightcubewall.com, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Gold- und silberfarben glänzten die Tapetenkreationen der traditionellen Marburger Tapetenfabrik, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Tapeten die an Gemälde erinnern präsentierte der Hersteller Sketch, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Vom 9. bis 12. Januar fand die diesjährige „Heimtextil“ in den Räumlichkeiten der Frankfurter Messe statt, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Die aktuellen Trends im Textilbereich wurden in vier Typologien unterteilt: „The Historian“, „The Eccentric“, „The Inventor“ und „The Geologist“, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Die Trendshow präsentierte die aktuellen Trendthemen der internationalen Textilbranche, Foto © Robert Volhard, Stylepark
„Lightning“ Tapete von lightcubewall.com, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Designer Luigi Colani am Stand der Marburger Tapetenfabrik, Foto © Robert Volhard, Stylepark
Gerasterte Mohnblüten: Sahco präsentierten das neue Paneeldesign „Mona“, Foto © Robert Volhard, Stylepark