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LIGHT + BUILDING

Das Tor zur Welt und sein Genius loci

Mitten auf dem Rollfeld des Flughafens von Casablanca verabschiedet sich Humphrey Bogart in einer der berühmtesten Abschiedsszenen der Filmgeschichte von Ingrid Bergman. Eine Szene, die so heute undenkbar wäre, denn Flughäfen haben sich zu hochkomplexen Gebäuden gewandelt, deren Architektur immer mehr durch Sicherheitssysteme und die Organisation von Personenströmen bestimmt wird. Christoph Mäckler Architekten befassen sich seit über zwanzig Jahren mit dieser Thematik. Derzeit plant und baut das Büro das Terminal 3 des Frankfurter Flughafens, das bis 2022 fertiggestellt werden soll. Katharina Sommer sprach mit Projektleiter Michael Baumgarten über anspruchsvolle Planungsprozesse und den Einfluss der Sicherheitssysteme auf die Architektur.

Katharina Sommer: Ein Flughafen organisiert Personen- und Güterströme im Maßstab einer kleinen Stadt. Ist ein Flughafen nun Architektur
oder Infrastruktur?

Michael Baumgarten: Wie jede Aufgabe in der Stadt einen Genius loci hat, ist auch ein Flughafen ein besonderer Ort. Auf diesen und die spezielle Aufgabe reagiert die Architektur. Eine Check-in Halle hat zum Beispiel den Anspruch als Tor zur Welt zu fungieren. Es ist daher wichtig, dass der Flughafen eine Identität erhält und die Architektur ihm ein Alleinstellungsmerkmal gibt. Gleichzeitig ist die Infrastruktur, insbesondere die Frage, wie die Personen durch das Gebäude geleitet werden, ein maßgebender Punkt, der die Architektur wesentlich beeinflusst.

Welche Wegesysteme sind für die unterschiedlichen Nutzergruppen zu planen?

Michael Baumgarten: Es gibt primär die Besucher, also Fluggäste, und die Mitarbeiter. Bei Letzteren wird zwischen Flughafenmitarbeitern, die für das Gepäcksystem und die Kontrollen an den Check-in Schaltern zuständig sind, und den Mitarbeitern der staatlichen Behörden, wie Zoll oder Bundespolizei, unterschieden, die jeweils etwas andere Wege haben. Oberste Prämisse ist die Führung des Fluggastes mit klaren Systemen. Das gilt sowohl für die Leitung mittels Schildern als auch für die räumliche Orientierung im Gebäude. Kurze Wege und die Begrenzung, sich maximal zwischen zwei Richtungen an Kreuzungspunkten entscheiden zu müssen, sind wichtige Vorgaben für die Flughafenplanung. Jedem Fluggast und Mitarbeiter sollen dabei so wenige Kontrollen wie möglich zugemutet werden.

Und wie wird dies erreicht?

Michael Baumgarten: Die Fluggäste werden in drei Ströme unterteilt: Ankommende und abfliegende Gäste des Schengen-Raums befinden sich in einem Bereich, während beim Nicht-Schengen-Raum getrennte Bereiche für ankommende und abfliegende Gäste vorgesehen sind.

Flughäfen finanzieren sich heute überwiegend durch die Vermietung von Ladenflächen. Die Wege werden dadurch aber doch länger und die Organisation komplexer. Welche marktwirtschaftlichen Konzepte beeinflussen die Planung von Menschenströmen?

Michael Baumgarten: Am wichtigsten ist ein übersichtlicher und kurzer Weg für den Passagier. So wird es beispielsweise im Terminal 3 einen Marktplatz mit großen Ladenflächen geben, ähnlich einer Messehalle, wo auf der Grundlage eines gestalterischen Leitbildes maximale Flexibilität im Ausbau gegeben ist. Das Problem resultiert eher aus der Größe des Flughafens. Dort, wo die Flugzeuge stehen, gibt es teilweise Gebäude mit 600 Metern Länge. Dadurch hat der Passagier einen langen Weg und die Ladenflächen fungieren hier begleitend.

Architektonische und infrastrukturelle Herausforderung: Der Flughafen Frankfurt wird derzeit erweitert, Christoph Mäckler Architekten haben den Neubau für den Terminal 3 entworfen, den sie bis 2022 fertigstellen wollen. Foto © Fototeam Stefan Rebscher

Der Berliner Flughafen Tegel wurde vor mehr als 40 Jahren gebaut und ist bekannt für seine kurzen und übersichtlichen Wege. Weshalb werden heutige Flughäfen gänzlich anders geplant?

Michael Baumgarten: Der Grund für die kurzen Wege ist nicht die Tatsache, dass der Flughafen Tegel rund 40 Jahre alt ist. Man muss unterscheiden zwischen reinen „Domestic airports“ (nationale Flughäfen) oder Urlaubsflughäfen mit kurzen Verbindungen sowie HUB-Flughäfen (Umsteige-Flughäfen) wie jene in Frankfurt, London, Paris oder Amsterdam. An den HUB-Flughäfen existieren mehrere tausend Flugverbindungen in die ganze Welt – daraus ergeben sich die unterschiedlichsten Wegemöglichkeiten für Passagiere, die viel komplexer sind.

Wie haben sich die Anforderungen an die Sicherheit auf dem Flughafengelände in den letzten Jahrzehnten genau verändert?

Michael Baumgarten: Vor 30, 40 Jahren bestand der Flughafen Frankfurt aus einer Ebene. Ankommende und abfliegende Gäste befanden sich in den gleichen Bereichen und konnten sich im Gebäude frei bewegen. Jemand, der seine Angehörigen zum Flughafen begleiten wollte, konnte wie am Bahnhof fast bis zum Flugzeug mitlaufen. Dies hat sich geändert, zum einen durch die vermehrten Sicherheitskontrollen und zum anderen durch die notwendige Unterteilung der Besucherströme.

Wie beeinflussen solche Vorgaben die Architektur eines Flughafens?

Michael Baumgarten: Die Ströme werden differenzierter und die Planung komplexer. Alle Ströme müssen parallel geführt werden, weshalb mehrere Ebenen im Gebäude notwendig sind. Nicht nur die Passagiere, auch die Waren für Schengen- und Nicht-Schengen-Räume müssen getrennte Wegesysteme haben. Beim Umbau von bestehenden Flughäfen ist das aus Platzgründen meist sehr schwierig.

Welche Sicherheitssysteme spielen in der Planung eine Rolle und
wie sind sie vernetzt?

Michael Baumgarten: Es wird zwischen Flugsicherheit und Gebäudesicherheit (Brandschutz) unterschieden. Bestimmte Bereiche dürfen nur von definierten Personengruppen betreten oder verlassen werden, das betrifft insbesondere das Begehen des Vorfelds als besonderen Sicherheitsbereich. Im Brandfall müssen aber alle Passagiere und Mitarbeiter das Gebäude schnell und sicher verlassen können. Die Brandschutzregelungen stehen daher teils im Konflikt mit der Flugsicherheit und müssen durch Planungen und Prozesse abgestimmt werden.

Außenansicht und Check-In-Halle des geplanten Terminal 3: Im ersten Bauabschnitt soll das zentrale Gebäude mit rund 90.000 Quadratmetern Grundfläche und zwei Flugsteigen realisiert werden. Visualisierung © Fraport AG

Wie läuft der Planungsprozess, also die Zusammenarbeit zwischen den Entwurfsarchitekten und weiteren Fachplanern bei einem Flughafengebäude ab?

Michael Baumgarten: Bauherren haben in der Regel eigene Fachabteilungen für Sicherheit, Personalströme, Ladenflächen etc. Mit diesen arbeiten wir schon sehr früh zusammen, um die Anforderungen zu definieren, die zu Beginn der Planung in Katalogform zusammengestellt und später weiter ausgearbeitet werden. Zudem müssen wir im Planungsablauf eine Vielzahl von Fachplanern wie Statiker, Haustechniker und Brandschutzgutachter koordinieren. Zudem gibt es noch Radargutachter, Experten für Besucherströme, Simulationen, Fluchtwege und Entrauchung – mit all diesen Fachleuten arbeiten wir in einem Projekthaus vor Ort.

Wie geht Ihr Architekturbüro gestalterisch mit der Frage der Sicherheit vor?

Michael Baumgarten: Es stellt sich natürlich die Frage, ob und wie Personenströme getrennt werden und ob Gänge natürlich belichtet sind, einen Außenraumbezug haben oder nicht. Über die Architektur und besonders über die Geometrien müssen klare Wege und eine gute Orientierung geschaffen werden. Die Beschilderung bringt auch eine gewisse Komplexität mit sich, denn es gibt verschiedene Schilder für Läden, WC-Anlagen, die Lage der Gates und die Fluchtwege. Sie muss also einerseits ein klares Konzept mit gut lesbaren Piktogrammen besitzen und andererseits gestalterisch in die Corporate Identity und in die Architektur integriert werden.

Könnten Sicherheitssysteme am Flughafen künftig nur noch automatisch gesteuert werden?

Michael Baumgarten: Viele Tür- und Schleusensteuerungen funktionieren automatisch. Personen-, Zoll- oder Sicherheitskontrollen müssen aber personell durchgeführt werden. Neben der Steuerung durch einen Computer, benötigt es hier immer auch die Entscheidung des Menschen. Dies gilt insbesondere bei unvorhergesehenen Ereignissen, und das wird sich in naher Zukunft auch nicht ändern, denke ich.

Wie werden sich das Fliegen und die Flughäfen in den kommenden
Jahren verändern?

Michael Baumgarten: In den letzten zehn Jahren hat eine Automatisierung dahingehend stattgefunden, dass die Passagiere zu Hause über das Handy einchecken. Auch die Gepäckaufgabe funktioniert teils schon automatisch. Aktuelle Ereignisse machen es aber notwendig, dass an Flughäfen weiterhin und noch mehr kontrolliert wird. Diese Kontrollen versucht man durch Automatismen, wie Ganzkörperscanner an Sicherheitskontrollen oder „Easy Pass“ (automatische Passkontrollen), zu beschleunigen. Das Spannende ist, dass sich die Flugzeugtypen in den letzten Jahrzehnten kaum geändert haben. Das Grundprinzip, wie ein Flugzeug bedient, betankt, beladen und betreten wird, ist an allen Flughäfen der Welt vorgegeben. Gravierende Neuerungen des Flugzeugs- oder Flughafenbaus würden das sensibel aufeinander abgestimmte System aus dem Gleichgewicht bringen und zögen weltweit Umbaumaßnahmen in unvorstellbarem Maße nach sich. Der Flughafenbau wird sich daher auf Basis der herrschenden Grundprinzipien durch fortlaufende Optimierungsprozesse weiterentwickeln.

Geplante Vorfahrt des Terminal 3: Der zweite Bauabschnitt sieht die Erweiterung um zwei Flugsteige mit 26 Standplätzen vor. Visualisierung © Fraport AG
Sicherheit hat Vorrang: Automatische Zutrittskontrollen, Gebäudeüberwachung, Störungsmelder, Anzeigen und Überwachung des Energieverbrauchs sowie die zentrale Steuerung von Heizung und Lüftung helfen, hochkomplexe infrastrukturelle Prozessabläufe zu vereinfachen. Visualisierung © Fraport AG

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