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Diez & Domotex oder Von Grund auf: Beim Boden-Design geht noch was
von Uta Abendroth | 07.01.2013

Die Domotex, die am 12. Januar in Hannover ihre Pforten öffnet, will ihren guten Kunden eine Plattform bieten, um sich auf neue Art und Weise darstellen zu können. Dieses Forum, die Sonderschau „Flooring Deluxe“, gestaltet Stefan Diez. Für die Inszenierungen der sogenannten „Concept Rooms“ hat er Künstler und Designer eingeladen, die in den beiden wichtigsten Messehallen 6 und 9 auf 1000 Quadratmetern Kristallisationspunkte schaffen sollen. Uta Abendroth hat vorab mit Stefan Diez über seine Messegestaltung, über die Bedeutung von Bodenbelägen, seine experimentelle Herangehensweisen und über Designer auf der Suche gesprochen.

Uta Abendroth: Was ist Sinn und Zweck der Sonderschau „Flooring Deluxe“?

Stefan Diez Messen sind inzwischen so weitläufig geworden, da kann ein Besucher gar nicht alles sehen. Eine Sonderschau kann einen Überblick verschaffen – und das soll in zwei Zentralbereichen in den Hallen 6 und 9 geschehen. Wer die „Concept Rooms“ besucht, sieht die Essenz der Domotex.

Wie sieht Ihr Gestaltungsprojekt für die exklusiven Produktinszenierungen aus? Eigentlich handelt es sich doch um zwei Projekte: Zum einen geht es um die Architektur für die Sonderschau, die als Zentrum zu erkennen sein muss und als Platz wahrgenommen werden soll. Zum andern geht es um die Frage ‚Wie kriegt man die Inhalte da rein?’ Wie sieht die Lösung aus?

Diez Zunächst haben wir uns den Hallenplan angeschaut und dabei festgestellt: der sieht ja aus wie Manhattan. Messen sind oft aufgebaut wie moderne Städte mit einem strikt orthogonalen Raster. Der Ort in der Mitte ist leer, da öffnet sich ein Platz. Im eigentlichen Mittelpunkt ist – nichts. Was die „Flooring Deluxe“ angeht, hatten wir es also mit der Herausforderung zu tun, dass wir gleichzeitig eine Leere schaffen und dort etwas zeigen müssen.

Und wie füllen Sie die Leere?

Diez In beiden Hallen beanspruchen wir den gesamten Platz im Zentrum von Messestand bis Messestand. Wir lassen sogar den Teppichboden in diesem Bereich entfernen, so dass der Platz rundherum gut drei Meter größer wird. An dieser Stelle brechen wir dann die orthogonale Struktur auf und stellen diagonale Riegel in die Mitte, die sehr flach, nur knapp drei Meter hoch, sind.

Und darin befinden sich dann Mini-Messestände?

Diez Nein, gerade das wollten wir vermeiden und haben die Gestaltung deshalb auch nicht den Firmen überlassen. Die „Concept Rooms“ sind gestaltet wie eine Art Kartenhaus und damit bekommt man sehr dynamische Räume mit Lounges oder Dachterrassen oben drauf. Die Räume sind nicht geschlossen, sondern transparent. Sie eröffnen immer wieder eine neue Perspektive, und man kann durch sie hindurchblicken und hindurchschlendern. Das war uns ganz wichtig, weil wir glauben, dass so eine Ausstellung nicht „frontal“ sein sollte. Der Besucher kann die „Concept Rooms“ tatsächlich erleben, sich auf sie einlassen. Nur so entsteht aus den einzelnen Bausteinen etwas Ganzes.

Wer bespielt denn die insgesamt zehn „Concept Rooms“?

Diez Wir haben zehn Grafiker, Typographen, Illustratoren, Designer und Künstler eingeladen, die das übernehmen: Mirko Borsche aus München, Martin Wöhrl und Martin Fengel aus München, Mark Braun aus Berlin, Normal Studio aus Paris, Sarah Illenberger aus Berlin, Steffen Kehrle aus München, Jörg Boner aus Zürich, Tomás Alonso aus London, Brynjar Sigurdarson aus Reykjavik und Sebastian Wrong aus London.

Wie sind Sie gerade auf diese Kreativen gekommen?

Diez Ich habe Leute ausgewählt, von deren Arbeit ich weiß, dass sie auf der Suche sind. Ich wollte absichtlich nichts mit der aktuellen Generation von Designern machen, weil ich das Gefühl habe, dass viele von ihnen nicht mehr suchen. Was wir heutzutage häufig beobachten können, ist ein ewiges „Resampling“. Ich finde es enttäuschend, um nicht zu sagen, total abturnend, dass sich die Designszene hauptsächlich mit der Vergangenheit beschäftigt. Das geht, finde ich, völlig am Thema vorbei. Und unseren Avantgarde-Anspruch können wir so auch nicht erfüllen. Deswegen ist es wichtig, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die bereit sind, sich ernsthaft mit dem Thema „Boden“ zu beschäftigen. Ich denke, dass wir für unser Projekt Designer gefunden haben, die sich auf die Herausforderung eingelassen haben. Ich finde es zudem erstaunlich, dass gerade die zwei Künstler, die wir eingeladen haben, mit die klarsten und stringentesten Präsentationsprojekte geliefert haben – das hätte ich nicht erwartet.

Und wie haben Sie die Teilnehmer mit den 14 Firmen zusammengebracht?

Diez Wir haben bewusst Paare gebildet, von denen wir glauben, dass es gut passen könnte. Erfahrung spielt dabei eine große Rolle, denn manche Firmen konnten sich überhaupt nicht vorstellen, was auf sie zukommt. In diesen Fällen haben wir besonders darauf geachtet, Designer zu nehmen, die sich mit solchen Projekten auskennen, schließlich kommt es ja darauf an, dass die Aussteller mitziehen. Sie müssen sich darauf verlassen, dass wir sie nicht auf die Schippe nehmen, weil natürlich bei manchen Objekten ein selbstkritischer Blick durchaus mit reingekommen ist.

Wie muss man sich das vorstellen?

Diez Tomás Alonso zum Beispiel kooperiert mit dem Unternehmen „Classen“, das Laminatböden herstellt. Für ihn hat sich während der Zusammenarbeit die Frage ergeben, warum „Natur“ bei solchen Böden so gern und so gut kopiert wird, warum man Natur nicht Natur sein lassen und eine andere Perspektive einnehmen kann. Also hat er angefangen zu experimentieren, hat Holzstrukturen überdimensional skaliert und dann aufdrucken lassen. Das sieht wunderbar aus, eine gewisse Ironie ist aber auch dabei. Die Herausforderung liegt also darin, dass es am Ende für beide Partner passen muss.

Gab es viele Diskussionen mit den Herstellern?

Diez Die gibt es immer noch, was für die Sache gut und notwendig ist. Nur in einem Fall hat sich ein Hersteller geweigert, mit uns zu kooperieren, weil man nur mit eigenen Designern arbeiten wollte. Dass ein solches Projekt für manche noch immer eine so große Herausforderung bedeutet, hätte ich nicht gedacht.

Was gibt es sonst noch zu sehen?

Diez Normal Studio hat mit Bildern gearbeitet, etwa mit mikroskopischen Aufnahmen von Blutkörperchen. Mit der CNC-Schneidetechnik kann man diese Muster aus Teppichen mit unterschiedlichem Flor ausschneiden, sie neu zusammensetzen und somit die Vorteile eines Teppichs, der von Wand zu Wand reicht, mit denen eines klassischen Läufers vermischen. Mark Braun hat sich mit dem Thema „Prägen“ beschäftigt. Ein schön verlegter Parkettboden zeichnet sich ja auch dadurch aus, dass der Boden eben nicht unvermittelt auf die Wand trifft, sondern am Rand, am Ofen oder Kamin, eine Art „Moderation“ stattfindet. Das ist den hohen Handwerkerpreisen zum Opfer gefallen und da könnte eine Prägetechnik vielleicht einen neuen Ansatz bieten. Brynjar Sigurdarson hat mit Möglichkeiten der Farbmischung experimentiert und wie man da den Raum mit einbeziehen kann. Und Mirko Borsche befasst sich mit der Entstehung von Mustern beziehungsweise damit, wie man, etwa in dem man Teppiche übereinanderlegt, eine Dreidimensionalität, erreichen kann.

Das hört sich alles schon recht experimentell an?

Diez Ja, das ist das Schöne an solchen Ausstellungen. Man kann sehr metaphorisch sein – und das macht natürlich wahnsinnig Spaß!

Hat Sie die Aufgabe deshalb gereizt?

Diez Mich hat an dem Projekt interessiert, dass es diesen Experimentcharakter hat. Und dass ich gemerkt habe – wir beschäftigen uns viel zu wenig mit dem Boden. Das ist ein superwichtiges Thema und mir sehr willkommen. Außerdem habe ich inzwischen die Erfahrung gemacht, dass man, egal was es ist, immer etwas Interessantes findet, wenn man die Aufgabe ernst nimmt und sich auf sie einlässt. Wenn sich Designer ausschließlich mit Möbeldesign beschäftigen, dann wird dieses Feld über kurz oder lang eindimensional und abgegrast. Wir dürfen nicht vergessen, unseren Blick für andere Bereiche zu öffnen und aufzeigen, welche Potentiale im Design stecken.

Mögen Sie Teppiche?

Diez Ein Teppich kann einen Raum auf wunderbare Weise strukturieren: Auf dem Boden liegt ein Teppich, auf diesem steht ein Sofa, davor der Beistelltisch und eine Lampe. Das ist wie eine Insel im Raum. Dieses Prinzip, den Teppich auf den Raum anzupassen, funktioniert heute auf sehr unterschiedliche Weise. Einige der „Concept Rooms" beschäftigen sich genau damit.

Haben Sie denn einen Lieblingsboden?

Diez Mein Lieblingsboden? Oh Gott… Würde ich mir ein neues Haus bauen, würde ich vermutlich verschiedene Böden auswählen. In einem Sommerhaus würde ich Steinböden verwenden, vielleicht diese Solnhofer-Platten, mit denen ich groß geworden bin. Das ist ein fantastischer Boden, obwohl er sehr weich ist. Holz würde eine Rolle spielen – und in manchen Bereichen würde ich sagen, ohne Teppich funktioniert es nicht.

Wünschen Sie sich eine Fortsetzung der Kooperation mit der Domotex?

Diez Es wäre schön, wenn wir das Projekt nicht nur einmal, sondern für mehrere Jahre durchführen könnten, denn so könnte ein Dialog entstehen. Wenn wir mehr zeitlichen Spielraum hätten, kann ich mir vorstellen, dass aus den Experimenten konkrete Produkte hervorgehen...

…und der eine oder andere Entwurf in einer Kollektion mündet?

Diez Ja vielleicht. Aber das ist hier nicht das Ziel gewesen. Ich hatte kein Interesse, aus den „Concept Rooms“ eine Ansammlung ästhetischer Projekte zu machen. Vielleicht scheitern wir ja auch mit unserer Idee an mancher Stelle. Aber davor habe ich keine Angst. Mir ist ein beherztes Scheitern lieber als ein „Hingetrimme“.

Vielen Dank und viel Erfolg!


Die „Concept Rooms” werden gestaltet von:

Brynjar Sigurdarson + Robusta
Jörg Boner + Beaulieu
Mirko Borsche + Balta
Martin Wöhrl und Martin Fengel + Kaindl und Edel Group
Mark Braun + Baltic Wood
Normal Studio + Balterio und Vorwerk
Sarah Illenberger + Tisca Tiara
Sebastian Wrong + Fletco
Steffen Kehrle + Power Dekor und Dura
Tomás Alonso + Classen

www.stefan-diez.com
www.domotex.de