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Licht in Gips
von Znidaric Amelie | 23.05.2010

Als Marcel Wanders 2007 seine Leuchte „Skygarden" vorstellte, wollte er der Welt eine mobile Stuckdecke schenken, eine ceiling to-go sozusagen. Inspiriert hatte ihn das antike Stuckrelief in seinem eigenen Wohnzimmer, das er bei seinem Umzug in ein neues Haus schweren Herzens zurücklassen musste. Dass „Skygarden" nun als Teil eines Architekturlichtsystems präsentiert wird, ist dementsprechend widersinnig.

Doch wie gesagt: Der einst mobile, nun wieder untrennbar mit der Wand verbundene „Skygarden" ist nur Teil eines größeren Systems. Und das ist alles andere als widersinnig. Mit „Soft Architecture" hat der italienische Leuchtenhersteller Flos in Mailand eines seiner, nach eigenen Angaben, ambitioniertesten Projekte vorgestellt: Lampen, die in Wandelementen aus Gipskarton verschwinden. Was übrig bleibt, ist Architektur und Licht, in einer Vielzahl unterschiedlichster Formen und Varianten. Die klassische Leuchte ist damit obsolet.

Das ist kein Schwanengesang, im Gegenteil. Wenn Wände, Treppen und Erker für Licht sorgen, dann bleibt der Leuchte die beste aller Aufgaben: Sie muss einfach nur noch schön sein. Und so steht der Messebesucher staunend etwa vor Ron Gilads „Wallpiercing". Zig nach innen leuchtende Ringe schmücken eine ganze Wand, und man kommt nicht umhin, sich vorzustellen, wie das in noch größerem Maßstab aussähe, etwa an der Fassade eines Hochhauses.

Die Piercings stecken nicht direkt in der Wand, sondern - so wie das restliche System - in mobilen Gipswandelementen. Diese Panele werden dann in abgehängte Decken oder falsche Wände integriert - das alles unter Verwendung umweltfreundlicher Materialien und modernster LED-Technik. Für die ökoeffektive Produktionsweise hat Flos für „Soft Architecture" sogar ein „Cradle-to-Cradle"-Zertifikat bekommen, eine vor allem in den USA wichtige Auszeichnung.

Neben Marcel Wanders und dem in New York lebenden Israeli Ron Gilad haben etwa auch Philippe Starck oder Sebastian Wrong einen Designbeitrag zu Flos' neuem System geleistet. Letzterer hat „Spun Light" entworfen, eine „klassische" Leuchte mit Fuß und Lampenschirm, allerdings in Gips, die aus ihrem Panel herauswächst, während Starck eine sich kräuselnde Licht-Gips-Leiste präsentierte.

Ganz hat Flos der klassischen dekorativen Leuchte jedoch nicht abgeschworen. Philippe Starck war in Mailand mit einem zweiten Projekt bei Flos vertreten, einer Leuchte namens „Hooo!!!". Sie war schon letztes Jahr als Prototyp zu sehen, diesmal aber ist die Kooperation zwischen Starck, der US-Künstlerin Jenny Holzer, dem deutsch-britischen Interactive Designer Moritz Waldemeyer, dem Kristallhersteller Baccarat und Flos serienreif - wenn auch nur in limitierter Auflage. Ron Gilad war ebenfalls mit mehreren Arbeiten vertreten, unter anderem der „The Mirrors"-Serie: Spiegel, aus denen die Silhouette alter Flos-Klassiker, etwa von Castiglioni, herausleuchten. Mit „Smithfield" präsentierte Jasper Morrisson hingegen eine klassische, typisch Morrisson'sche simple Deckenleuchte. Antonio Citterio stellte gemeinsam mit Toan Nguyen die Außenlichtserie „Belvedere" und die Schreibtischleuchte „Kelvin Led" vor. Und Marcel Wanders' „Skygarden" in seiner ursprünglichen, mobilen Form gibt es selbstverständlich auch noch - im Geschäft allerdings.

Soft Architecture von Flos, Alle Fotos: Dimitrios Tsatsas, Stylepark