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Treppauf soll’s gehen
von Uta Abendroth | 02.10.2013
Showdown zum London Design FestivaL: Die „Endless Stair“, ein Projekt des „American Hardwood Export Council“ (AHEC) zusammen mit „dRMM Architects“. Alle Fotos © London Design Festival

London ist ein dankbares Pflaster für temporäre Installationen. Das Victoria & Albert Museum, die Serpentine Gallery, der Trafalgar Square ... die Briten bespielen ihre kostenlos zugänglichen Kulturinstitutionen oder öffentlichen Plätze mit leichter Hand – und manchmal auch mit seichtem Gehalt. Never mind. Kunst entsteht im Auge des Betrachters und wir schauen eben alle unterschiedlich auf die Welt und das, was da so geboten wird.

Anlässlich des London Design Festivals ist auf einer Grünfläche vor der Tate Modern nun die Konstruktion „Endless Stair“ entstanden, ein gemeinsames Projekt des „American Hardwood Export Council“ (AHEC) und „dRMM Architects“. Die begehbare Skulptur, die sich ursprünglich vor der St. Paul’s Cathedral in den Himmel recken sollte, lädt Besucher ein, auf ihren 187 hölzernen Stufen mal hierhin, mal dorthin in die Höhe zu steigen und vom Südufer einen Blick die Themse hinauf oder hinunter zu werfen.

Das AHEC setzt sich seit Jahren im Interesse der Laubholzindustrie der Vereinigten Staaten für die Nutzung amerikanischer Holzarten in Europa ein. In London präsentieren die Amerikaner die Qualitäten ihrer Hölzer gern anhand optisch ansprechender, teilweise spektakulärer Projekte. So unterstützten sie in den vergangenen Jahren unter anderem David Adjaye, der in der South Bank den „Sclera Pavillon“ aus American Tulipwood kreierte (2008), Amanda Levete, die „Timber Wave“, ein Gittergeflecht aus Red Oak entwarf, das die gesamte Höhe des V&A-Eingangs umrahmte (2011), und Studenten des „Royal College of Art“, die Stühle aus amerikanischem Laubholz für das Projekt „Out of the Woods“ (2012).entwarfen, das ebenfalls im V&A gezeigt wurde. Ja, diese Projekte sind Marketingevents. Aber für die Designer und Architekten bedeuten sie eine Chance, gestalterische Möglichkeiten auszuloten und Materialien zu testen – und Besuchern ein „wow“ zu entlocken.

Die Treppe, die an Zeichnungen von M.C. Escher erinnert, basiert auf einer Idee des Architekten Alex de Rijke, dem Gründer des Londoner Architekturbüros dRMM und Studiendekan für Architektur am Royal College of Art, in Kooperation mit Ingenieuren von Arup. Die insgesamt 15 Treppenelemente führen vor der Millennium Bridge und der Tate Modern über mehrere Stockwerke in die Höhe. Die ineinandergreifenden Treppen wurden von der Schweizer Firma Nüssli als vorgefertigte Module geliefert und vor Ort zusammengesetzt. Das Design beschreibt de Rijke als „eine dreidimensionale Herausforderung in Hinblick auf Komposition, Struktur und Umfang“. Und er fügt hinzu: „Die anspruchsvolle Konstruktion ist sowohl Markierung als auch Treffpunkt, auf einer Achse mit der Millennium Bridge.“

Die begehbare, naturgemäß nicht wirklich „endlose“ Treppe, auf der man leider auch nicht permanent treppauf gehen kann wie auf den die Augen täuschenden Zeichnungen Eschers, soll vor allem ein aufregendes visuelles Erlebnis sein. Und wer sich nicht nur von der Aussicht auf der obersten Treppe verführen lässt, den interessiert vielleicht noch, dass 44 Kubikmeter „American Tulipwood“ verbaut wurden und zwar als Brettsperrholzplatten (CLT = cross-laminated timber), produziert von der italienischen Firma Imola Legno. Diese Platten machen sich die Struktureigenschaften des Holzes zunutze, so dass Gebäude schnell, effizient und nachhaltig errichtet werden können – oder auch Festival-Hingucker.

Die „Endless Stair“ ist noch bis zum 10. Oktober zu besichtigen:
Tate Modern, Bankside, London SE1 9TG

www.londondesignfestival.com

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Auf 187 hölzernen Stufen geht‘s hinauf.
M.C. Escher lässt nur annähernd grüßen: Die Treppe ist weder „endlos“ noch kann man auf ihr permanent treppauf gehen.
Das aufregende visuelle Erlebnis basiert auf 44 Kubikmeter „American Tulipwood“.
Am Ende ist es eine schlichte, aber reizende Marketingidee, um Besuchern ein „wow“ zu entlocken.