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Systematisch wohnen
von Sandra Hofmeister | 11.08.2011

Monika Hary und Michael Haberbosch sind neu in München. Erst vor Kurzem sind sie von Irland an die Isar gezogen. Dort bewohnen sie eine repräsentative Altbauwohnung im dritten Stock der Sendlinger Straße, mitten in der Innenstadt. Großzügige Räume mit hohen Decken und Parkettböden breiten sich vom Vorderhaus bis in den Seitenflügel aus. Aus dem Fenster fällt der Blick in einen ruhigen, grünen Hinterhof. Doch die außerordentliche Lage ist nicht die eigentliche Besonderheit des neuen Domizils. Denn Monika Hary und Michael Haberbosch wohnen in einem „Vitsœ Apartment". Ihr Leben ist von Kopf bis Fuß auf das „Regalsystem 606" von Dieter Rams eingestellt, das einzige Produkt der Firma Vitsœ. Ihre Münchner Wohnung ist eine Art Vorzeigeapartment für die vielen Möglichkeiten des Möbelklassikers, der in London produziert wird.

„606" für alle Bereiche

E-Profile, pulverbeschichtete Tablare aus gefaltetem Blech – in zwei Breiten und vier Tiefen: Die Module des „606" sind überschaubar und bieten unzählige funktionale Variationen – als Wandregal und Raumteiler, CD-Board oder Schrank. Schon im Flur in der Sendlinger Straße, zu Hause bei Monika und Michael, fällt der Blick als erstes auf ein grauweißes Wandregal mit Schubladen und Kästen – eine Art „Side-Board" würde man heute in Möbelkatalogen vielleicht sagen –, auf dem an zentraler Stelle ein „Schneewittchensarg" steht. Die Garderobe besteht aus einem Regalsystem „606" mit Kleiderstange und Hutablage. Der Wandteiler im Flur ist ein raumhohes „606" mit CDs, diesmal als freistehende Variante. Im Bad sind Handtücher und Waschutensilien hinter den Klappen und Kästen eines schwarzen „606" versteckt. Geschirr und Gläser in der Küche stehen auf grauweißen Tablaren, und die Küchenschränke selbst sind natürlich auch ein „606". Im Schlafzimmer wird das Regalsystem zum offenen Kleiderschrank, im Büro verschwinden die typischen E-Profile für die Wandmontage hinter langen Bücherreihen, aus denen zwei Schreibtische hervorragen. An ihnen arbeiten Michael Haberbosch und Monika Hary als Berater für Vitsœ – sie erläutern den Kunden die vielen Möglichkeiten des Regals.

Seit Kurzem ist das britische Unternehmen Vitsœ auch in Deutschland vertreten und verkauft Dieter Rams' sechsten Entwurf aus dem Jahr 1960 nun auch zwischen Nordsee und Isar. Vitsœ ist nicht irgendein Name, sondern einer mit Geschichte: Der Däne Nils Wiese Vitsœ hatte seine Firma 1960 gemeinsam mit Otto Zapf im hessischen Kronberg gegründet. Im Zentrum der funktionalen Dieter Rams-Möbelkollektion, die das damals in Deutschland ansässige Label produzierte, stand immer schon das Regalsystem „606". Nach der Insolvenz des Unternehmens in den neunziger Jahren wurde das Regal in Deutschland von sdr+ weiter hergestellt und vertrieben. Vitsœ Großbritannien jedoch, 1986 von Mark Adams als eigenständige Firma gegründet, agierte erfolgreich auf internationaler Bühne – ausgenommen Deutschland. Nun hat die britische Firma, die ausschließlich das Regalsystem „606" verkauft, von Dieter Rams zusätzlich die Lizenz für den Vertrieb in Deutschland erhalten. Dies bedeutet auch, dass sdr+ ab Ende nächsten Jahres ein wichtiges Produkt verliert.

Ziemlich viel Lizenzwirbel um ein Möbel, das obendrein auf dem italienischen Markt von de Padova zusätzlich noch in einer Aluminiumversion verkauft wird. Doch Dieter Rams' Regalsystem ist nicht irgendein schnödes Regal. Es ist der Klassiker unter den Systemregalen – längst in die ständige Designsammlung des Museum of Modern Art aufgenommen, zeitlos, vielfältig und wandelbar wie kaum ein anderes. Seit über fünfzig Jahren sind seine Tablare und Profile erprobt und verbessert. Ihre nüchterne Funktionalität und Gestalt ist dabei so relevant wie eh und je. Der Klassiker behauptet sich nach wir vor durch sein klares, durchdachtes Konzept und seine vielseitigen Einsatzmöglichkeiten. „Langlebigkeit ist immer ein Zeichen von Qualität ", meint Michael Haberbosch und bezieht sein Urteil auf die Designwelt insgesamt.

Produktbesprechung mit Dieter Rams

„Jeden Montagabend hatten wir Meeting mit Dieter Rams, oft sogar bis zwölf Uhr nachts", erinnert sich Michael Haberbosch an seine Zeit bei Vitsœ in Frankfurt am Main und an all die Sitzungen, in denen jahrelang alle Details besprochen wurden. 1968 hat der Designkenner und Möbelhändler sein erstes Vitsœ-Regal verkauft und später Monika Hary, die damalige Assistentin von Niels Wiese Vitsœ kennengelernt. Nachdem sich beide eine Auszeit genommen hatten, um für einige Jahre mit ihrem VW-Bus durch Europa zu tingeln, sind sie 1996 wieder auf Dieter Rams Regalsystem zurückgekommen. Diesmal nicht in Deutschland, sondern in Irland. „Die Iren waren begeistert von der Funktionalität und Neutralität. Von der Offenheit – vom Boden abgehoben und ohne Seitenwände", meint Monika Hary im Rückblick. Das Regalsystem hat sie ihr Leben lang begleitet. Schon in Frankfurt hatten die beiden in einem „Vitsœ Apartment" gewohnt. Zwar hieß die Wohnung nicht offiziell so, aber trotzdem war sie von oben bis unten mit dem „606" eingerichtet. In München in der Sendlinger Straße ist ihre Wohnung nun zur „606"-Vorzeigewohnung geworden: Hier können Kunden die vielfachen Anwendungsmöglichkeiten für zu Hause und fürs Büro erkunden. Mit Monika Hary und Michael Haberbosch kann sich Vitsœ keine erfahreneren Berater wünschen. Für beide ist München eine weitere Lebensstation, die neue Abenteuer in sich birgt: „Wir wollten uns auf dieses Neuland einlassen", meinen sie zufrieden. „Wir sind Überzeugungstäter".

www.vitsoe.com

Die Bewohner des Vitsœ Apartment: Monika Hary und Michael Haberbosch
„Regalsystem 606" von Dieter Rams
Dieter Rams