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Lowrider „Gypsy Rose" von Jesse Valadez, Hersteller: Chevrotel, Modell: Impala.

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Heiße Kisten

von Thomas Wagner | 11.10.2016

Schon zu Beginn des Vorworts von „The Drive“ wird unmissverständlich klargestellt: Viele Menschen glauben, man könne ein Auto nur kaufen und besitzen. Einige aber kennen die Wahrheit – das beste Auto ist das, was du selbst gebaut hast. Spätestens wenn man den opulenten Band durchgeblättert hat und die körpereigene Adrenalinproduktion hochgefahren wurde, fragt man sich, weshalb heutige Modelle mehr oder weniger eigentlich alle derart einfallslos und langweilig daherkommen müssen – einige Showcars auf den Messen hin oder her. Klar, Massen- und Alltagstauglichkeit, Sicherheits- und Umweltbestimmungen, TÜV etc., Gründe gibt es genug. Doch auch wenn die großen Hersteller gern mit Emotionen werben, die echten Driver-Gefühle gibt es anderswo. Vielleicht bleibt vom einst vielfältigen Autodesign ja am Ende nur übrig, was es lohnt, restauriert, umgebaut und aufgemotzt zu werden. Wie im Fall all der Custom Cars, die in „The Drive“ versammelt sind.

Und was da alles, oft ausgehend von einem faszinierenden historischen Modell, verfeinert oder abgewandelt wird. Ob Porsche 356, Ford GT 40, De Tomaso Pantera GTS oder Jaguar Mark II, an Faszination haben solche Ikonen des Automobildesigns auch in leicht abgewandelter Form nichts eingebüßt. Dass es auch extremer geht, zeigen Designer-Buggys ebenso wie umgestaltete Fords, Dodges und Buicks im Stil der Dreißiger-, Vierziger-, Fünfziger- und Sechzigerjahre. Ganz zu schweigen von all den tief auf der Straße kauernden Vans, den Hot Rods, Rat Rods und Lowriders wie der „Gypsy Rose“ bis hin zur japanischen Tuner-Kultur, zum Gangster Style und zum Batmobil.

Der Band offenbart, wie vielfältig die Szene ist und gewährt Einblicke in die Werkstätten dieser Welt, besonders in jene an der amerikanischen Westküste, aber auch in Japan, Deutschland und Europa. Porträtiert werden bekannte Größen, etwa die amerikanischen Porsche-Spezialisten Magnus Walker oder Rob Emory, aber auch Individualisten wie Chris Runge, der aus Teilen alter VWs und Porsches Roadster baut. Vervollständigt wird das Panorama durch weniger bekannte private Veredler, die voller Hingabe und mit dem Wunsch nach Perfektion an ihren Autos schrauben. Ein historischer Abriss zum Hot Rodding, zur Szene in Japan und den besonders bei Hispanics beliebten Lowrider rundet das Ganze ab.

Natürlich lässt sich auch hier trefflich über Geschmack streiten. Zweifel am Enthusiasmus, mit dem restauriert, umgebaut, weiterentwickelt und an einem individuellen Gefährt geschraubt wird, kommen aber nie auf. „The Drive“ ist für alle Fans von Custom Cars ein Muss.

Maximilian Funk, Robert Klanten (Hg.)
The Drive.
Custom Cars and Their Builders.

400 S., geb., Text englisch
Verlag Die Gestalten
ISBN 9783899556513
49,90 Euro

„Adrnln” von Ringbrothers, Hersteller: De Tomaso, Modell: Pantera.
Racecar „Rusty Slammington" von Stance Works, Hersteller: BWM, Modell: E28 von 1985.
„STR 002" von Magnus Walker, Hersteller: Porsche, Modell: 911 T von 1972
Der Fotograf Estevan Oriol hat die Lowrider-Szene von L.A. fotografiert.
„Jet-Hot Double Down" von Fuller Moto, Hersteller: Ford, Modell: Roadster.
Sunroof Coupe „Emory Outlaw” von Emory Motorsports Inc., Hersteller: Porsche, Modell: 356 A Sunroof von1959.