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Fast 20 Jahre existierte der „Jarmark Europa“ im „Stadion des 10. Jahrestages“ in Warschau. In ihrem Buch „Stadium X: A Place That Never Was“ hat Joanna Warsza den Markt porträtiert.

Stylepark Architecture Matters
Kamikaze-Architektur und besetzte Stadien

Die Kuratorin Joanna Warsza konzipierte bereits Ausstellungsprojekte in St. Petersburg und auf der Biennale in Venedig. Nächstes Jahr wird sie nun in München tätig.
von Nadin Heinich | 08.03.2017

2018 wird sie „Public Art Munich“ kuratieren – das zweite internationale Großprojekt für Kunst im öffentlichen Raum in München. Es geht um Meinungsfreiheit, Transparenz, Whistleblowing, Privatsphäre und Überwachung, inszeniert als Kongresse im Freien mit Bürgerorchestern für einen Tag, temporäre Installationen oder architektonische Pop-Ups. 

Architektur und öffentlicher Raum sind Joanna Warszas Schwerpunkte. Zuvor konzipierte die in Warschau geborene Kuratorin unter anderem das öffentliche Programm der Manifesta 10 in St. Petersburg sowie „Kamikaze Loggia“, den Georgischen Pavillon auf der 55. Biennale von Venedig. Ein Holzblockhaus wurde hier zur parasitären Erweiterung eines alten Gebäudes auf dem Aresenalegelände – informelle Architektur, wie sie typisch ist für die georgische Hauptstadt Tiflis. Dort sind diese Art von Anbauten an modernistische Gebäude eine Hinterlassenschaft der gesetzlose Zeit nach dem Zerfall der Sowjetunion. Sie vergrößern den Wohnraum, dienen als Terrasse, Extrazimmer oder offene Kühlschränke. Der Name „Kamikaze“ stammt angeblich von einem russischen Journalisten, der die Parallele zwischen den japanischen Selbstmordkommandos und der typischen Endung der meisten georgischen Familiennamen auf „-adze“ zog.

Dia polnische Kuratorin Joanna Warsza

Warsza ist auch Autorin zahlreicher Bücher. „Stadium X: A Place That Never Was“ widmete sie der bizarren „Stadt in der Stadt“, in die sich das „Stadion des 10. Jahrestages“ im Zentrum Warschaus nach 1989 und für beinahe 20 Jahre verwandelt hatte. Ursprünglich aus dem Bauschutt der während des Zweiten Weltkriegs zerstörten Häuser Warschaus errichtet, wurde aus dem 100.000 Zuschauer fassenden Stadion der „Jarmark Europa“, einer der größten Basare Osteuropas. Hier wurde fast alles gehandelt: Lebensmittel, Kleidung, geschmuggelte Zigaretten, Waffen. Inzwischen ist alles geordnet – seit 2012 steht hier das Stadion Narodowy, das Nationalstadion, entworfen von den deutschen Architekten von GMP. Vor dem Abriss des alten Stadions initiierte Warsza zahlreiche Kunstaktionen. Auch in München wird sie ein Stadion bespielen: Das Olympiastadion wird Teil von „Public Art Munich“ werden.