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Design, das ins Auge springt: Der neue Mac Pro. Foto © Apple
Unter seinem Aluminiumkleid offenbart sich die Datenarchitektur des Mac Pro. Foto © Apple
Wie bei anderen Apple-Produkten entscheidet auch beim Mac Pro die Präzision im Detail über die besondere Anmutung. Foto © Apple
Ich bin keine Dose
von Thomas Wagner
05.03.2014

Nein, es ist kein Papierkorb! Auch keine veredelte Version jener schrecklichen Müllsammler, die in biederen Hotels auf dem Frühstückstisch stehen, um geleerte Milch- und Marmeladedöschen aufzunehmen. Dazu wirkt der kleine, verlockend schimmernde Zylinder viel zu edel. Mit einer Höhe von gerade einmal 25,1 und einem Durchmesser von 16,7 Zentimeter gehört die Tonne auch nicht – wie bisherige Rechner dieser Kategorie – unter, sondern auf den Schreibtisch. Nicht versteckt, gesehen will er werden. Kurz: Apples neuer Mac Pro ist überraschend anders. Und er sieht nicht nur anders aus als jeder andere Computer, er ist auch anders aufgebaut. Funktion und Form, innen und außen, bilden eine Einheit.

Hätte „Big Blue“ sich nicht längst aus dem Geschäft mit Personal-Computern zurückgezogen und hinkte Microsoft, wo man mit MS-DOS einst den Standard definierte, der Konkurrenz auf dem Feld der Betriebssysteme nicht schon seit Jahren hinterher, man könnte meinen, Apple habe den „Dosen“ allein schon mit der äußeren Form seines neuen Flaggschiffs mal wieder einen Tritt vors Schienbein versetzen wollen. Gerade weil der Pro auf den ersten Blick aussieht wie eine vergrößerte Getränkedose, scheint es auch dem Satz „Ich bin keine Dose“ Gestalt zu geben. Honi soit qui mal y pense.

Das Design springt ins Auge

Vorgestellt wurde der aktuelle Mac Pro kurz vor Weihnachten. Nun kann der von Grund auf neu entwickelte Rechner, der viel Leistung in ein sehr kompaktes Gehäuse packt, in den Apple Stores in Augenschein genommen werden. Ob die Technik hält, was sie verspricht – der Mac Pro bietet verschiedene Intel Xeon-Prozessoren der neuesten Generation, GPUs der Dual-Workstation-Klasse, PCIe Flash-Speicher, ultraschnelle ECC-Arbeitsspeicher und allerlei flinke Schnittstellen – mögen die Experten der einschlägigen Magazine und Testlabore beurteilen. Sein Design aber springt sofort ins Auge.

Magie in der Dose

Der oben und unten abgerundete Zylinder erscheint, wie er so vor einem steht, nicht einfach nur schwarz. Vielmehr schimmert seine aus poliertem Aluminium bestehende Oberfläche je nach Beleuchtung in einem mehr oder weniger dunklen Metallton. Die Verarbeitung wirkt hochwertig. Auch seine Form erweist sich bei genauem Hinsehen nicht als die eines einfachen Zylinders. Wie fast immer beim Design von Apple-Produkten, entscheidet die Präzision im Detail über deren besondere Anmutung. In diesem Fall sind es, neben Farbe, Material und Oberflächenfinish, vor allem der Radius der Krümmung am oberen und unteren Rand der Tonne und die als Griff fungierende obere Öffnung, die dem gedrungenen, skulptural geformten Körper einen geheimnisvollen Charakter, ja eine fast magische Ausstrahlung verleihen. Hinzu kommt: Der Rechner ist sehr kompakt. Seine Größe entspricht gerade einmal einem Achtel der des bisherigen Mac Pro.

Zeug zur Macht

„Design“, behauptet der Philosoph Peter Sloterdijk, sei heutzutage in erster Linie „Inkompetenz-Management“. Weil wir Funktion und Innenleben der „Basismaschinen der gegenwärtigen Welt“ nicht verstehen, komme Design „unweigerlich überall ins Spiel, wo der schwarze Kasten dem Benutzer eine Kontaktseite zuwenden muss, um sich ihm trotz seiner inneren Hermetik nützlich zu machen“. Also schaffe Design „den dunklen Rätselkästen ein aufgeschlossenes Äußeres.“ Auch wenn die eigentliche Benutzeroberfläche, das Betriebssystem, beim Mac Pro dasselbe ist wie bei anderen Apple-Rechnern, so scheint sein Design doch ironisch auf die Rede von der „Black Box“ zu reagieren und mit der unabwendbaren Hermetik hochentwickelter elektronischer Maschinen zu spielen. Statt einer schwarzen Kiste bekommt man eine schwarze Dose, eine in sich verschlossene und auf sich selbst verweisende Sphäre der Macht. Oder, in Sloterdijks Worten, ein „Zeug zur Macht“ für Menschen, die versuchen, „in der ungeheuren Machtsteigerungsspirale der Gegenwart nicht nur als ohnmächtige Kompetenz-Marionetten vorgeführt zu werden“.

Neumachen heißt Bessermachen

Nimmt man all das zusammen, so macht der Mac Pro der jüngsten Generation nun auch im Bereich stationärer Rechner endgültig Schluss mit der Vorstellung, ein Computer sei ein großer, mit Technik vollgestopfter Schuhkarton. Der Macintosh G4 von 1999, einer seiner Vorläufer, hielt – trotz Plexiglasoptik, transparenten Tragegriffen und biomorphen Retuschen – ebenso an der Ästhetik der Kiste fest wie der Power Macintosh G5 von 2004 und der äußerlich kaum veränderte Mac Pro von 2008. Im Grunde kehrten diese Aluminiumkisten sogar noch eindeutiger zur Kiste zurück und bezogen ihren innovativen Charakter statt dessen aus dem Material Aluminium und einer im Detail feststellbaren Nähe zum legendären Braun-Design eines Dieter Rams.

Schlank, leicht, leise

Sogar zu der von den iMacs, MacBooks und Mac minis hinlänglich bekannten technizistischen Ästhetik aus einem Block gefräster Aluminiumgehäuse entwickelt der Mac Pro eine Alterative. Nimmt man hinzu, dass der Mac Pro auch eine neuartige, aus einem Thermalkern bestehende Kühltechnik besitzt, so darf man gespannt sein, ob sein Design singulär bleiben wird oder ob die Designsprache von Apple wieder einmal vor einem fundamentalen Wandel steht. Bei der Entwicklung des Mac Pro jedenfalls, so Apple, habe die Anordnung um einen zentralen Thermalkern „die Möglichkeit eröffnet, ein schlankeres, leichteres, leiseres und schöneres System zu entwerfen.“

Es gilt in der Branche als ausgemacht, dass mobilen Rechnern und Tablets die Zukunft gehört. Zumindest im Consumer-Bereich. Man wird zwar kaum auf die Idee kommen, den Mac Pro mit auf Reisen zu nehmen, gleichwohl suggeriert auch sein Design Beweglichkeit. Zumindest symbolisch. Die rund 5 Kilo schwere Tonne lässt sich gut tragen, bequem unter den Arm klemmen, ja sogar rollen. Ganz billig ist all das nicht. In der einfachsten Konfiguration kostet der Mac Pro 2.999 Euro. Schöpft man alle Ausstattungsmöglichkeiten aus, überschreitet man mit Leichtigkeit die 10.000 Euro Grenze.

Status jenseits des Status quo

Besonders Kreativen war es, im Unterschied zu Nerds, immer wichtig, ihrem Verhältnis zu ihren Maschinen mittels eines nicht nur leistungsfähigen, sondern auch gut designten Produkts Ausdruck zu verleihen. So lautet Apples Werbebotschaft denn auch: „Gebaut für Ideen. Egal wie groß.“ Weil man bei der Entwicklung erst einmal alles in Frage gestellt habe, was einen Pro Computer ausmacht – Grafik, Kapazität, Verarbeitungsleistung, Erweiterungsmöglichkeiten und Arbeitsspeicher“ und „jede dieser Komponenten auf die beste und fortschrittlichste Weise“ zu entwickeln suchte, sei „etwas vollkommen Neues“ entstanden. „Etwas, das radikal anders ist als alles davor. Etwas, das sich dem Status quo entgegenstellt.“ Dem Mac Pro als Statussymbol kann das nur nutzen.

www.apple.de