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Moritz Böttcher und Nikolaus Kayser (v.l.n.r.)

Produkte besser denken

Seit 2013 führen Moritz Böttcher und Nikolaus Kayser ihr Designstudio in Berlin. Unter dem Namen Böttcher & Kayser entwirft das Duo Konsumgüter, Möbel und Leuchten in Eigenregie sowie für internationale Unternehmen von Ligne Roset bis Stelton.
21.04.2024

Konventionelle Herangehensweisen hinterfragen, nachhaltige Ideen entwickeln und dabei klare und funktionale Ansätze verfolgen – so das Credo des Berliner Studios Böttcher & Kayser. Schon in jungen Jahren träumten Moritz Böttcher und Nikolaus Kayser von gemeinsamen Projekten, kurz vor ihrem 30. Geburtstag führten sie ihre beruflichen Wege schließlich zusammen.

Linda Pezzei: Wie haben Sie zusammengefunden?

Nikolaus Kayser: Wir kennen uns tatsächlich aus dem Kindergarten und sind dann gemeinsam in die Schule gegangen. Danach haben sich unsere Wege getrennt. Wir haben den Kontakt jedoch aufrechterhalten und sind im Austausch geblieben. Eigentlich haben wir immer davon geträumt, eines Tages gemeinsam an Projekten zu arbeiten. Nach dem Studium und einigen beruflichen Stationen, haben wir dann 2013 die Chance ergriffen und unser eigenes Designstudio in Berlin gegründet. Seitdem arbeiten wir für verschiedene nationale und internationale Brands aus der Produkt- und Möbelbranche.

Sie haben beide Industriedesign studiert und bringen dennoch verschiedene berufliche Stationen und Skills mit ins Studio ein – wie ergänzen sich Böttcher & Kayser als Team?

Moritz Böttcher: Niko hat nach seiner Ausbildung zum Möbeltischler Industriedesign an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel studiert. Ich selbst habe Produktdesign an der Fachhochschule in Hannover abgeschlossen. Im Anschluss habe ich ein paar Jahre im klassischen Industriedesign in den Niederlanden, Hamburg und Frankfurt von medizinischen Geräten bis hin zu Sportartikeln gearbeitet. Danach war ich längere Zeit im Studio Werner Aisslinger in Berlin und konnte dort in die Welt des Möbel- und sogenannten Autorendesigns eintauchen.

Nikolaus Kayser:
Ich habe mich in der Wiege Entwicklungsgesellschaft bei Wilkhahn unter anderem sehr intensiv mit jeglicher Art von Stühlen beschäftigt, speziell auch mit dem Thema Bürodrehstühle.

Arbeiten Sie generell zusammen an allen Aspekten eines Projekts oder gibt es da eine gewisse Aufgabenteilung?

Nikolaus Kayser: Jeder von uns arbeitet an unterschiedlichen Projekten. Dabei ist immer einer von uns hauptverantwortlich. Wir stimmen uns jedoch konstant sehr eng ab und diskutieren im Verlauf eines Projektes eigentlich alle Aspekte miteinander. Also ja, wir arbeiten grundsätzlich gemeinsam an den Aufgaben. Im Entwurfsprozess nutzt aber jeder von uns unterschiedliche Mittel.

Moritz Böttcher:
Niko ist beispielsweise besser und schneller im 3D-Programm. Ich hingegen habe vielleicht den besseren Strich. Während des Entwurfsprozesses arbeiten wir jedoch beide an praktisch allen Phasen eines Projektes, kommen aber zwischendurch immer wieder zusammen, um Details oder auch das große Ganze zu diskutieren.

Das Designduo im Berliner Studio

Wie gehen Sie grundsätzlich an ein neues Projekt heran? Wo finden Sie Ihre Inspiration?

Nikolaus Kayser: Wenn es eine konkrete Anfrage für einen Entwurf gibt, das Thema also feststeht, geht es relativ klassisch bei uns zu: Wir machen eine umfangreiche Recherche, bei der wir uns das Marktumfeld und Referenzen anschauen. Dann generieren wir möglichst viele gute Ideen und entwickeln zuletzt Form und Gestalt.

Moritz Böttcher:
Dabei fangen wir nie bei Null an. Wir haben inzwischen einen großen Fundus an Erfahrungen und Eindrücken im Kopf, der sich aus allem zusammensetzt, was wir beispielsweise auf Messen, Reisen oder sonst im Alltag oder auch im Netz sehen. Es kommt aber auch oft vor, dass einer von uns ohne konkreten Auftrag eine Idee für ein Produkt hat. Das arbeitet derjenige dann meist mittels Skizzen so weit aus, dass wir es intern diskutieren können. Dabei kommen die Ideen von überall her: Ein Gespräch mit einem Hersteller oder Vertreiber, ein Besuch auf dem Flohmarkt, eine Kunstausstellung oder ein Post im Web … Meist haben die Inspirationen keinen direkten Zusammenhang mit dem späteren Ergebnis. Das heißt, eine Skulptur kann Inspiration für ein Sitzmöbel sein oder eine Grafik zu einem Raster oder Regal anregen. Auch in diesem Fall gibt es noch Unterschiede: Resultiert die Idee aus einer formalen Inspiration oder ist es ein funktionaler Aspekt, der uns zu einer Idee inspiriert.

Nikolaus Kayser:
Dann geht es für uns intern erst einmal darum, die Qualität und das Potenzial einer Idee zu erkennen, um anschließend daran zu arbeiten, damit schlussendlich möglichst nur das Gute herausdestilliert werden kann. Im besten Fall wird eine Idee mit jeder Diskussion besser. Dabei kommt es nicht selten vor, dass einer von uns starken Einfluss auf eine Idee hat, die eigentlich vom anderen stammt. Es ist immer wieder ein spannender Prozess, der nie gleich ist und natürlich auch nicht immer zum Ziel führt.

Wie wichtig ist es dabei, die KundInnen oder die Marke gut zu kennen und zu verstehen?

Nikolaus Kayser: Das ist generell wichtig, aber nicht immer das Entscheidende. Manche Entwürfe sind einfach gut – fast universell. Dann ist es nicht so entscheidend, ob wir eine Marke besonders gut kennen oder ein enges Verhältnis pflegen. Meist geht es um die Produktionsmöglichkeiten oder heute eben oft auch die Produktionspartner und Zulieferer. Denn viele junge Brands stellen heute kaum noch etwas selbst her, haben dafür aber einen mehr oder weniger breiten Pool an internationalen Partnern, welche teils wirklich gut, spezialisiert und erfahren sind. Solche Brands sind dann ein Stück weit vielseitiger und flexibler in ihren Möglichkeiten, können aber wiederum nicht alles selbst kontrollieren.

Moritz Böttcher:
Daher ist eine gute, langjährige Beziehung zum Kunden sowie seine Stärken und Schwächen zu kennen sehr wertvoll. Wir verstehen so im Laufe der Zeit besser, was ein Kunde braucht, was er in der Lage ist herzustellen und eben auch – was er in der Lage ist zu verkaufen. Denn letztlich ist nicht jeder Entwurf, auch wenn er für sich genommen noch so gut ist, auch das Richtige für jeden Kunden.

Wer sind Ihre AuftraggeberInnen?

Nikolaus Kayser: Wir arbeiten mit unterschiedlichen Firmen wie beispielsweise Johanson Design, Decibel, Freistil by Rolf Benz, Gejst, Ligne Roset, Wendelbo, Stelton, Bolia oder Northern zusammen. Dabei sind viele unserer Produkte nicht direkt aus einem Auftrag im klassischen Sinn entstanden. Einige Firmen setzen auf Briefings, wobei wir dann nicht unbedingt die einzigen sind, die zur selben Zeit mit dem gleichen Informationsgehalt an einem Projekt arbeiten. Es gibt natürlich auch konkrete Aufträge bzw. Anfragen von Unternehmen, die zu tollen Produkten mit vorhandenen PartnerInnen geführt haben oder im Verlauf zu guten Partnerschaften gewachsen sind. Häufig sind es aber auch Ideen und Entwürfe, die wir in Eigeninitiativ entwickeln. Teils denken wir während des Prozesses schon an bestimmte Firmen. So gehen wir dann mit einem mehr oder weniger fertigen Entwurf auf ein potenzielles Unternehmen zu, um eine neue Kooperation zu begründen oder eine bereits bestehende zu vertiefen.

"CALIBRE" von Böttcher & Kayser für Wendelbo
"IDA" von Böttcher & Kayser für Stelton
"MOMENTT" von Böttcher & Kayser für Gejst
"TON" von Böttcher & Kayser für Northern

Wann sagen Sie mit Freude zu und wann lehnen Sie Projekte vielleicht auch einmal ab?

Nikolaus Kayser: Wir freuen uns erst einmal grundsätzlich über jede Anfrage, die im weitesten Sinne mit Produktdesign zu tun hat. Ob wir ein Projekt dann zu- oder absagen, hängt noch von anderen Faktoren ab. Wichtig ist für uns immer gegenseitiges Vertrauen und Respekt und, dass eine Aufgabe zu einem sinnvollen Ergebnis führen könnte. Wenn einer oder mehrere dieser Punkte nicht gegeben sind, lehnen wir Projekte lieber ab.

Moritz Böttcher:
Den klassischen Auftrag kann man meist eher als Anfrage bezeichnen. Ob schlussendlich ein Produkt daraus wird, ist anfangs nicht immer klar. In jedem Fall ist es natürlich von Vorteil, wenn wir das Unternehmen bereits kennen und dadurch schneller in einen produktiven Dialog gehen können.

Ein aktuelles Projekt, an dem Sie gerade arbeiten?

Nikolaus Kayser: Neben vielen Produkterweiterungen und -ergänzungen bestehender Serien für unsere Partner beschäftigen wir uns zur Zeit intensiv mit dem Thema Akustik und Schallabsorption in Räumen. Dabei geht es uns um Lösungen, die sich auch in bereits bestehende Architekturen problemlos integrieren lassen. Hier sehen wir einen großen Gestaltungsspielraum und einen hohen Bedarf. Wir haben mit einem unserer Partner ein ausgezeichnetes Ausgangsmaterial gefunden, welches wir nun in gute Produkte transferieren, die dann wiederum möglichst nahtlos in Bestandsobjekten installiert werden können. In diesem Fall arbeiten wir eng mit unserem Kunden zusammen und suchen immer wieder den Dialog, um das Wissen aus dem Markt und dessen Anforderungen bestmöglich zu berücksichtigen und in unsere Entwürfe zu implementieren.

Moritz Böttcher:
Ein weiteres, spannendes Projekt ist unsere temporäre Kooperation mit dem Leuchtendesigner Fabien Dumas. Wir sind schon lange befreundet und hatten Lust auf ein Experiment. Dazu haben er und wir alte Entwürfe herausgekramt. Dabei ist die Idee entstanden, dass er an einem unserer Entwürfe und wir an einem der Seinigen ein Stück weiter arbeiten. Inzwischen sind die Ergebnisse recht konkret. Es ist faszinierend, wie unterschiedlich der Blick auf die Dinge sein kann und wie wir uns gegenseitig inspirieren. Noch ist aber völlig offen, was daraus wird.

Ein Projekt, das Sie unbedingt umsetzen möchten?

Moritz Böttcher: Es ist vielleicht nicht das eine Projekt. Es gibt so viele spannende Aufgaben und Möglichkeiten, auf die wir uns noch freuen. Wenn wir uns jedoch etwas wünschen dürften, würden wir sicherlich ein Produkt gestalten wollen, welches wirklich ressourcenschonend und CO2-neutral hergestellt werden kann. Es sollte auch nach seinem Produktlebenszyklus vollständig wiederverwertet werden können und so zu keinem Zeitpunkt unseren Planeten belasten. Wir sehen uns hier als Designer klar in der Pflicht. Uns ist jedoch bewusst, dass wir in einer Art Dilemma stecken und jedes neue Produkt an sich erst einmal in Frage stellen müssen, denn ein jedes braucht Ressourcen und belastet so bis dato unseren Planeten. Viele gute Ansätze dazu haben wir bereits umgesetzt. Das reicht natürlich noch nicht. Wir sehen aber, dass das Thema auch bei den Herstellern zunehmend ernst genommen wird. Das stimmt uns optimistisch, hier voranzukommen.

Würden Sie heute noch einmal Design studieren oder dieses Studium jungen InteressentInnen empfehlen?

Nikolaus Kayser: Ja, das würden wir sicherlich! Heute wissen wir natürlich viel besser, worauf es neben dem Studium noch ankommt. Und es macht ja immer einen Unterscheid, welche Richtung du als DesignerIn einschlägst. Ich würde empfehlen, nach dem Studium ein paar Jahre bei anderen DesignerInnen oder in Designbüros zu arbeiten, um weiterzulernen, Erfahrungen zu sammeln und letztlich den eigenen Weg zu finden.

Moritz Böttcher:
Wir beide wissen unsere Arbeit und unseren Beruf sehr zu schätzen, denn das Produktdesign ist nach wie vor so vielseitig, was den Arbeitsalltag anbelangt – auch wenn es um die Selbständigkeit geht. Die Chance zu haben, Dinge zu hinterfragen, neu zudenken und letztlich von Grund auf zu schaffen, sie im Kleinen oder auch fundamental besser zu machen, stellt für uns eine große Sinnhaftigkeit dar, für die wir immer gerne einstehen. Gut zu gestalten ist harte Arbeit, macht aber auch große Freude.