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Leidenschaft neben der Hofburg
von Nina Reetzke | 05.10.2011

Bis zu hundert Stunden kann es dauern, ein aufwendig dekoriertes Glasobjekt mit der Hand zu fertigen. Genauso lange läuft die Sanduhr in der Installation „Time Elapsed" des kanadischen Designers Philippe Malouin in Zusammenarbeit mit der österreichischen Glasmanufaktur J. & L. Lobmeyr, die gerade während der Vienna Design Week zu sehen ist. Eigentlich ist der Sand Werkstoff zur Herstellung von Glas, hier verdeutlicht sein Rieseln den Lauf der Zeit. Doch die Sanduhr wirft nicht einfach nur einen Haufen Sand auf, sondern zeichnet ein Muster und veranschaulicht so den Aufwand, der hinter Dekor stecken kann. Gerade in Wien, der Stadt der Habsburger, mit seinen barocken Palais – sowie dem „Café Museum" von Adolf Loos – nach wie vor eine treffliche Aussage.

Die Kooperation zwischen Philippe Malouin und J. & L. Lobmeyr steht exemplarisch für die Passionswege auf der Vienna Design Week. Jeweils ein Nachwuchsdesigner arbeitet mit einem etablierten Handwerksunternehmen zusammen. Vielerorts stößt der Besucher der Ausstellungsorte auf Wiener Tradition in seiner reinsten Form – Silberbestecke, Lüster, Borten und dererlei mehr. Zahlreiche Betrachter mögen bewundernden Respekt gegenüber dem hohen Grad an handwerklichem Können empfinden, andere würden das Gesehene vielleicht auch kritisch als „verstaubt" und „verschnörkelt" bezeichnen. Umso bemerkenswerter das Engagement der Unternehmer in Richtung zeitgenössisches Design und desto wichtiger die Impulse, die junge Gestalter hier setzen. Tomás Alonso etwa entwirft ein Teeservice mit wellenförmigen Stellflächen, die Designerinnen von Bezaproject ersinnen gepolsterte Schaukeln und Konstantin Schmölzer stellt einen Hochsitz neben einen vertikalen Garten. Auffallend, dass die Entwürfe meist handwerklich oder künstlerisch geprägt sind – in Großserien wird hier nicht gedacht.

Die „Passionswege" bilden einen der Hauptprogrammpunkte der Vienna Design Week, die in diesem Jahr zum fünften Mal ihre Tore öffnet. Gegliedert in Formaten wie „Carte Blanche", „Debüt" und „Labor" ist zusätzlich ein breites Spektrum an Ausstellungen, Podiumsdiskussionen und sonstigen Aktionen geboten – einer der diesjährigen Schwerpunkte liegt auf dem Gastland Polen. Mit offensichtlich viel Engagement treiben die beiden Direktorinnen Lilli Hollein und Tulga Beyerle ihr Projekt voran. Zukünftig soll die Vienna Design Week auch mit „Embassies" auf Veranstaltungen im Ausland präsent sein. Gut so!

Vienna Design Week
Von 30. September bis 9. Oktober 2011
www.viennadesignweek.at