05.12.2013
Jürgen Mayer H. ist mit an Bord der „Innovations@Domotex“, der Neuheitenplattform zur kommenden Domotex (11.–14. Januar 2014), für die eine Jury 62 Innovationen aus vier Produktkategorien ausgewählt hat. Der für seine visionären Entwürfe und den Einsatz neuer Materialien und Technologien bekannt gewordene Architekt hat die „Innovations@Domotex Areas“ gestaltet, die in Halle 6 (elastische Bodenbeläge und Teppichböden) und 17 (moderne handgefertigte Teppiche) zu finden sind. Ein Gespräch über die dortige Ausstellungsarchitektur und den Einfluss der 1970er Jahre auf seine Gestaltung.
Oliver G. Hamm: Sie haben die „Innovations@Domotex Areas“ 2014 gestaltet. Was können Sie über die Entstehung und Entwicklung dieses Projektes sagen?
Jürgen Mayer H.: Im Sommer 2013 gab es einen Workshop der Domotex mit verschiedenen Ausstellern in Berlin. Dabei ging es um die Frage, wie ein Ausstellungsformat aussehen könnte, das sich, über den eigentlichen Messebetrieb hinaus, im Bereich Innovationen von Bodenbelägen vor allem an Architekten wendet. Aus den ersten Ideen hat sich dann, initiiert von Stylepark, unsere Zusammenarbeit mit der Messe ergeben. Uns standen mehrere Plattformen zur Verfügung, um neue Produkte, Materialien und Produktionsmethoden in einer Art Innovationsforum erfahrbar machen zu können.
Wie haben Sie die zündende Idee für den Entwurf von modularen Aufstellern, deren Multiplikation und den jeweiligen Bedürfnissen anpassbare Anordnung die Sonderfläche in Halle 6 prägt, aus der konkreten Aufgabe abgeleitet?
Mayer H.: Unser Büro hat viel Erfahrung mit der Entwicklung von Ausstellungsformaten. Die besondere Anforderung an die „Innovations@Domotex Areas“ war, Elemente zu entwickeln, die einerseits aus großer Entfernung erkennbar sein müssen, andererseits aber auch im kleineren Maßstab gut funktionieren sollen. Es ging darum, Themenplattformen zu schaffen, die produktübergeordnet verschiedene Hersteller und die Messebesucher zusammenbringen. Die von uns entworfene Architektur der Areas ist im Messekontext zunächst ungewohnt, aber sie erfüllt genau die Aufgabe, sowohl die Neugierde der Besucher zu wecken als auch die ausgestellten Produkte ansprechend zu präsentieren.
Wie attraktiv sind denn Messen wie die Domotex für Sie als Architekt?
Mayer H.: Ich habe die Domotex im Kontext der Contractworld kennengelernt, einem Kongress mit Vorträgen und der Vorstellung von Produktinnovationen, der bei Architekten auf großes Interesse stößt. Formate wie dieses und auch die „Innovations@Domotex“ haben den Vorteil, dass man Architekten präziser ansprechen kann, als dies üblicherweise bei Messen der Fall ist.
Auf der Domotex 2014 werden 62 von einer Jury ausgewählte Innovationen ausgestellt. Inwieweit orientieren Sie sich bei ihrer täglichen Arbeit als Architekt an solchen Neuheiten? Lassen Sie sich eher von bereits im Markt eingeführten Produkten anregen oder setzen Sie bei der Materialwahl bereits viel früher an?
Mayer H.: Manchmal sehe ich ein Produkt und warte nur auf eine Gelegenheit, es in unserer Architektur einzusetzen. Doch oft stellt sich die Frage nach den geeigneten Materialien, um eine architektonische Idee zu realisieren, erst sehr spät. Ich finde es immer toll, wenn ich ein Produkt auf eine Weise verwenden kann, für die es eigentlich nicht gedacht ist, weil dies dazu anregt, anders über Oberflächen nachzudenken: zum Beispiel Teppiche an Wänden zu verlegen.
Sie bewegen sich mit Ihrer Auffassung von Architektur sehr weit in den Bereich der Forschung und Produktentwicklung hinein. Ich denke dabei unter anderem an „Metropol Parasol“ in Sevilla (2011) mit einer in dieser Größenordnung zuvor nie zuvor realisierten geklebten Holzkonstruktion. Beschreiten Sie als Gestalter bewusst bislang unbekannte Pfade oder ergibt sich das aus der Komplexität und Einzigartigkeit mancher Projekte wie von selbst?
Mayer H.: Im Entwurfsprozess ist das Material zunächst einmal zweitrangig. Doch manchmal, wenn es um die Umsetzung einer räumlichen Idee geht, wird es kompliziert. Nach der ersten Unbedarftheit – oder Naivität oder vielleicht sogar Ignoranz – erfordert die Einbeziehung von Bauingenieuren und Firmen vom Architekten eine extreme Aufmerksamkeit und ein Forschen nach konkreten Umsetzungsmöglichkeiten. Diese Arbeitsweise hilft uns, die eigene Innovationsfähigkeit zu erhalten.
Auf den ersten Blick erinnert mich manches an Ihrer Architektur an die 1970er Jahre, wobei die heutigen technologischen Möglichkeiten und auch viele Materialien natürlich weit darüber hinaus weisen. Ist das ein völlig falscher Eindruck?
Mayer H.: Nein, durchaus nicht. Ich bin ein Verfechter der Theorie, dass man immer wieder seine eigene Kindheit verarbeitet und vor allem von den Sinneseindrücken aus dieser Zeit geprägt wird. In meiner Generation sind das die Ausdrucksformen der 1970er Jahren, sowohl in der Architektur als auch in der Kunst, in der Musik und in der Mode. Ich finde die 1970er Jahre insofern relevant, als diese Epoche eine Zeitlang extrem experimentell war: im Bereich Technologien und Materialien, aber auch in der Musik, in sozialen Beziehungen – wie dem gemeinschaftlichen Wohnen jenseits der klassischen Familie – und im Überwinden gewisser hierarchischer Strukturen. Die beiden folgenden Dekaden, die 1980er und 1990er Jahre, waren zwar wieder stark auf die Vergangenheit ausgerichtet – Stichwort „Postmoderne“. Doch inzwischen hat sich die Gesellschaft verändert und dank der fortentwickelten Technik ist heute vieles möglich, was in den 1970er Jahren technisch noch nicht umsetzbar war. Manches, was schon damals angedacht wurde, kann heute gewissermaßen als Vorstudie für aktuelle Projekte herangezogen werden.
Und wohin geht die Reise in naher oder fernerer Zukunft?
Mayer H.: Ich glaube, dass sich die Architektur, wie die Gesellschaft insgesamt, unter dem Einfluss von sozialen Medien schon bald sehr verändern wird.