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Tanz der Maschinen
von Sara Bertsche | 19.04.2014
Mit übermenschlicher Präzision übte der Roboter während der Luminale seine programmierte Choreographie aus. Foto © Adam Drobiec, Stylepark

Ein wenig monoton und steif sind die Bewegungen in den Gelenken dieses Aktionskünstlers an der Frankfurter Hauptwache! So mancher Besucher steht während der Luminale befremdet vor „ArKata“, dem weißen Industrieroboter mitten auf der Einkaufsmeile in Frankfurt. Mit nahezu beängstigender Präzision führt die drei Meter große Maschine die Bewegungen aus. Ihr Greifarm hebt unermüdlich ein Objekt (bei Tag ein Schutzdach, bei Nacht eine Leuchte) vom Boden auf, dreht sich damit um seine sechs Achsen und legt es wieder vor sich ab. Die immer gleiche Choreographie hat eine hypnotische Wirkung – ein Robotertanz, der an ostasiatische Kampfkunst erinnert.

Neue Stadt, neues Programm

Den Messeauftakt zur diesjährigen Light + Building hat die Künstlergruppe realities:united zum Anlass genommen, sich auf kultureller Ebene mit der Automation von Gebäuden auseinanderzusetzen. Das Projekt war schon längere Zeit in Planung, konnte aber aus finanziellen Gründen erst jetzt in Kooperation mit der Firma ABB in dieser Form realisiert werden. 2013 wurde die kinetische Installation bereits auf dem Lichtkunstfestival „Urban Lights Ruhr“ unter dem Titel „Sender“ präsentiert. Auf Anfrage von Helmut Bien, dem Kurator der Luminale, sollte der Roboter im Rahmen des Lichtfestivals auch in Frankfurt zum Einsatz kommen und wurde eigens dafür umlackiert und neu programmiert.

Die Kunst provoziert

Man entschied sich bewusst gegen eine spektakuläre Inszenierung – die Bewegungen des Roboters sind deshalb langsam, ja fast meditativ. Daniel Mock von realities:united ließ es sich nicht nehmen, selbst mit den Besuchern der Luminale zu sprechen und war deshalb zwei Tage vor Ort. Die Reaktionen auf die Installation waren sehr unterschiedlich. Während einige begeistert stehenblieben, schüttelten andere nur verständnislos den Kopf. Dass Automatisierung nicht immer mit Schnelligkeit in Science-Fiction-Manier gleichzusetzen ist, war für viele auch eine bittere Erfahrung: „Zu langsam, zu einseitig, eine Maschine aus der Fertigungsindustrie kann doch viel mehr leisten!“ – so die Meinung enttäuschter Passanten, denen wohl ein Kung-Fu-Meister lieber gewesen wäre, als ein bedächtiger „Thai-Chi-Android“.

Kulturelle Transformation

Daniel Mock indes, ist dennoch zufrieden. Als Aktionskünstler, der sich mit Architektur im multimedialen Zeitalter auseinandersetzt, möchte er durch seine Installation einen öffentlichen Dialog anstoßen. Und indem sich so manch einer durch die Kunst provoziert fühlt, gelingt ihm dies auch – Hauptsache, man diskutiert. „Die Automatisierung durch neue Technologien ist nicht mehr nur auf den industriellen Sektor beschränkt, sondern durchdringt längst unseren kulturellen Raum. Sie macht sich schon jetzt in unserer Architektur bemerkbar – Medienfassaden sind nur der Anfang. Architektur ist nicht mehr statisch, sondern beweglich. Diese Veränderung durch neue Gestaltungsmöglichkeiten ist aber ein langwieriger Prozess“, so Mock. Ganz wie die geruhsamen Bewegungen von ArKata, die sowohl Ratlosigkeit als auch Begeisterung und Empörung auslösen. Es wird leidenschaftlich diskutiert – und der Kulturauftrag scheint somit wohl erfüllt.

Zwischen dem Café Hauptwache und dem Palaisquartier zog „ArKata“ die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich. Foto © Adam Drobiec, Stylepark
„Sender“ wurde seiner reinen Funktion als Industrieroboter enthoben – und zeigt somit künstlerisches Potenzial. Foto © realities:united
Der Vorgänger „Sender“ wurde erstmals 2013 im Rahmen des Lichtkunstfestivals Urban Lights Ruhr in Bergkamen ausgestellt. Foto © realities:united