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Lokal, statt international
von Nancy Jehmlich | 01.10.2008

Heutzutage gibt sich jeder gerne international und kosmopolitisch. Doch warum nach dem Großen, Fernen greifen, wenn das Gute so nah liegt. Die Möbelmesse Habitat im spanischen Valencia – und Möbelmesse trifft es wohl eher als Designmesse, denn Design gab es von insgesamt zwölf Ebenen tatsächlich nur auf einer, ausgenommen der Sonderausstellung Nude – trat mit einigen wenigen großen Designfirmen auf und präsentierte eher Möbelhersteller mit lokalem, sprich spanischem Einzugsgebiet. Der große internationale Ansturm wurde anscheinend auch nicht erwartet, denn Pressematerial gab es überhaupt erst am zweiten Tag und auch dann nur in Spanisch, gleiches galt für die Produktpräsentationen, die ebenfalls in „la lengua español“ gehalten wurden, selbst das Messepersonal sprach kaum Englisch. Es scheint, als würde man sich in Valencia vom üblichen, geschäftigen Messetreiben nicht irritieren lassen: So mancher Aussteller befand sich mit seinem Stand noch im Aufbau, was allerdings nicht so schlimm war, da das Gros der Veranstaltungen ohnehin erst am zweiten oder dritten Messetag stattfand.Dennoch, man schmückt sich eben gern mit den Federn der Internationalität. Doch wann ist man es auch? Andreu World, das spanische Unternehmen, das auch dieses Jahr in Valencia vertreten war, schrieb seinen achten „World International Design“ Wettbewerb aus. Während der Messe wurden die Preise vergeben: Der Japaner Yoshikazu Moritake bekam für seinen stapelbaren Formholzstuhl den ersten Preis, der zweite ging an das Designstudio Alegre aus Valencia, für einen Stuhl, dessen Sitzfläche mit einem elastischen Stoff bezogen ist, der beim Sitzen nachgibt. Neben dem Messeauftritt war Andreu World auch mit seinem Showroom in der Stadt vertreten. Überhaupt ist die Tendenz groß, eine eigene, emotional aufgeladene – und sei es nur durch nette Gäste und ein paar Getränke – Präsentation in der Stadt anzubieten. So baute auch das in Valencia ansässige Familienunternehmen Gandia Blasco eine weitere Präsenz außerhalb der Messe auf. In dem ausgetrockneten Flussbett des Río Turia, der sich als Park durch die Stadt zieht und rege genutzt wird, entstand eine weiße, leichte Pavillonwelt zum Sitzen und Flanieren. Auf der Messe selbst, stellt Gandia Blasco die neusten Entwürfe seiner Teppiche wie in einer Gemäldegalerie aus: Hintereinander und leicht verschachtelt hingen die Teppiche eingerahmt an Wänden und zum Anfassen auf dem Messestand. Auch der ortsansässige Designer Ximo Roca hing seine entworfenen Produkte auf: Bequem in Hüfthöhe, fast einladend, schwebten seine Stühle an dünnen Seilen.Am Ende allerdings wurde es doch noch mal international - an eher unerwarteter Stelle: in den Gängen zwischen den Messehallen. Hier fand man endlich das bunte Messetreiben, das man zuvor vergebens suchte. Mehrere, voll besetzte Cafés und dazwischen die Sonderausstellung Nude – The New International Design Show. Auf kleinen, quadratischen Flächen präsentierten Designgalerien, junge Designer und Hochschulen frische und ausgefallene Entwürfe, teils Prototypen, teils schon produzierte Objekte. Hier fand man auch den Stuhl mit dem elastischen Stoffbezug wieder, diesmal von Flor Gómez und Rosa Giménez.So sehr man das Gefühl hatte, die Messe stagniere und erreiche die Menschen, die sie besuchen, nicht mehr, so sehr spürte man in der Stadt die kreative Energie der Designer und einzelner Firmen. Überall verteilten sich die „Eventos“, Showrooms, Produktpräsentationen, Installationen und Ausstellungen, Designer luden zum Tag der offenen Tür. Kurz: Hier fand die geistreiche, künstlerische Bespielung einzelner Orte, Gebäude und Räume statt, mit dem Ziel, Design im urbanen Kontext und im Gedächtnis der Menschen zu verankern. ¡Viva el diseño!

Yoshikazu Moritake - Erster Preis des 'World International Design' Wettbewerbs von Andreu World
Designstudio Alegre - Zweiter Preis des 'World International Design' Wettbewerbs von Andreu World
Gandia Blasco
Metro blanco von José A. Gandía für Gandia Blasco
Ximo Roca