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Wohnlichkeit im Bad
von Prillwitz Bastian | 27.07.2010

An heißen Tagen eine Abkühlung im See oder am Fluss zu suchen, gehört seit jeher zu den Freuden des Sommers. Ein Bad in den eigenen vier Wänden zu nehmen ist hingegen noch relativ jung und hat in den letzten Jahrzehnten eine erstaunliche Wandlung vollzogen. In der vorindustriellen Zeit war das Baden eine schlichte Notwendigkeit, die vor allem mittels Waschschüssel oder Zuber vollzogen wurde. Erst mit der zunehmenden Verstädterung wuchs auch das Bedürfnis nach einem eigenen Bad innerhalb der Wohnräume. Dies blieb zunächst aber nur wohlhabenden Bürgern vorbehalten. So sah das „Frankfurter Bad" von 1910 einen separaten Waschbereich in jeder Küche vor. Mit der Entwicklung neuer Wohnstandards in den zwanziger Jahren durch die Vertreter des neuen Bauens, wie Le Corbusier, Walter Gropius und Bruno Taut, wurde die zweckmäßige Nasszelle zum festen Bestandteil der Wohnung. Seit den sechziger Jahren arbeiten die Badhersteller eng mit Gestaltern zusammen und entwickelten das Bad stetig weiter.

Für die Designlinie Axor von Hansgrohe haben, nach Designern wie Philippe Starck und Antonio Citterio, nun auch die Brüder Erwan und Ronan Bouroullec ihre Vision vom Bad umgesetzt. Das Ergebnis der sechsjährigen Entwicklungsarbeit ist die komplexe 85-teilige Badserie „Axor Bouroullec". Dazu gehört ein Waschtisch mit aufgesetzten Becken, verschieden Armaturen und Mischer, Wanne und Duscharmatur sowie Ablagen und ein Waschbecken für die klassische Montage an der Wand. Die weißen Becken und Ablagen sind im aufwändigen Mineralgussverfahren produziert. Die chromfarbenen Armaturen wirken mit ihren fließenden Formen nicht nur schlank und stilbildend, sondern reduzieren tatsächlich die Durchlaufmenge des Wassers und tragen so zur Ressourcenschonung bei. Mit passenden Accessoires wie Schmink- und Wandspiegel wird die umfangreiche Serie vervollständigt.

Ungewöhnlich und innovativ ist die Trennung der Mischer von den Armaturen, die sich wahlweise an der Front des Waschtischs, am Beckenrand, auf den Ablagen oder an der Wand installieren lassen. An Stelle eines statischen Produkts bietet Axor Bouroullec einen Baukasten, der individuelle Lösungen für verschiedene Badsituationen bietet. So können zum Beispiel auch die Ansprüche an ein kindgerechtes Bad einfach umgesetzt werden.

Ein weiteres Detail und wesentliches Gestaltungsmerkmal ist die Zusammenführung von Waschbecken und Ablagen. Damit legen die Brüder Bouroullec einen Gegenentwurf zu den Badserien der letzten Jahre vor, die vor allem auf geometrische Grundformen reduzierte Waschschalen setzten. Auf den plateauartig angeordneten Ablagen von Axor Bouroullec finden notwendige Utensilien, wie Seife, Schwamm und Becher ihren Platz. Die vertikale Staffelung der Ablagen wurde konsequent in der Duschgarnitur und der Wanne fortgesetzt.

Die ausgewogene Formensprache der Kollektion konzentriert sich auf konvexe Rechteckflächen, die sich mit großzügigen Radien zu einer weichen, aber geordneten Landschaft verbinden. Solche Mikrolandschaften sind typisch für die Entwürfe der Designer. Wie schon bei der Büromöbelserie „Joyn" für Vitra suchen die Bouroullecs stets nach Lösungen, die den Nutzer in die Gestaltung ihrer Produkte einbeziehen. Das erreichen sie durch die Schaffung von Gestaltungsspielräumen, die den Nutzer anregen, selbst zu ordnen, zu arrangieren und im Fall der Axor Kollektion damit das Bad in Besitz zu nehmen.

Mit diesem konzeptionellen Ansatz für ein zeitgemäßes Bad setzten die Bouroullecs fort, was mit ihrem Entwurf „Disintegrated Kitchen" von 1997 begann und Startpunkt ihrer Karriere wurde. Damals haben sie eine klassische Küche auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft und einen alternativen Gestaltungsansatz entwickelt. Diese Erfahrungen kommen nun auch in ihrem Badentwurf zum Tragen. Die Gestaltung des Waschtischs und der Bank als Möbel, mit der Verwendung von warmen Holzoberflächen, öffnet das Bad zum Wohnbereich. Sowie die Küche bereits vor Jahren zum Mittelpunkt der Wohnung geworden ist, lösen sich nun auch die Grenzen zum Bad zunehmend auf.

Erwan und Ronan Bouroullec
Alle Bilder: Badserie „Axor Bouroullec“ von Erwan und Ronan Bouroullec für Axor/Hansgrohe ©Tahon & Bouroullec