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Baden Sie noch oder wohnen Sie schon?
25.03.2011
Jaime Hayon, Foto © Dimitrios Tsatsas, Stylepark

Wie gewohnt zeigen auch auf der diesjährigen ISH viele große Player der Sanitärbranche ihre neuen Produkte. Wohin man auch schaut, sieht man ein Badezimmer neben dem anderen; Wannen, Becken und Toiletten, nicht zu vergessen die passenden Armaturen. Überall plätschert und sprudelt Wasser in verschiedenen Strahlstärken. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Innovationen lassen sich erst bei genauerem Hinsehen feststellen. Hier ist etwas besonders gut verarbeitet, dort verbessert eine neue, patentierte Technik die Handhabung. Trotzdem erscheinen viele Produkte austauschbar.

Am Rand von Halle 3 stößt man auf einen kleinen Stand, dessen Gesamteindruck nicht durch weiße Keramik bestimmt wird und auf dem auch sonst alles etwas anders zu sein scheint. Angesichts der Badschränke kommt der Gedanke auf, dass sich dieser auch gut in einem Wohnzimmer machen könnte. Überhaupt erscheint, was hier gezeigt wird, ziemlich wohnlich. Vielleicht ist es ja das, was mit dem immer wieder zu hörenden Aufruf gemeint ist, das Badezimmer solle doch bitteschön wohnlicher werden. Fest steht: Hier präsentiert der italienische Mosaikhersteller Bisazza seine erste Badkollektion - entworfen von Jaime Hayon. Nina Reetzke unterhielt sich mit dem spanischen Designer über Badezimmer, Eleganz und Art déco.

Nina Reetzke: Señor Hayon, wie entstand „Bisazza Bagno"?

Jaime Hayon: Bei Bisazza fiel die folgerichtige Entscheidung, den Bereich „Badezimmer" zu gründen. Denn letzten Endes werden Mosaike, für die Bisazza ja bekannt ist, in Nassräumen verlegt, also in Badezimmern, in Spas in Hotels und so weiter. Signore Bisazza kam bereits vor einiger Zeit auf mich zu. Er mochte meine Badkollektion, die ich ursprünglich für ArtQuitect entworfen habe und die heute überarbeitet unter dem Namen „Bisazza Bagno" läuft. ArtQuitect ist ein kleiner Hersteller, der nicht über große Ressourcen verfügt und daher konnten wir uns nur im kleinen Rahmen bewegen. Als Signore Bisazza mich fragte, ob ich eine Badkollektion für ihn entwerfen wolle, antwortete ich: ,Ja, das klingt interessant. Aber lassen Sie mich die Sachen weiterentwickeln, mit denen ich mich ohnehin schon beschäftige.' Nach der Übernahme der ursprünglichen Produktlinie kam mehr Beständigkeit in die Kollektion. Sie wurde besser, industrieller, neue Produkte kamen dazu. Wir dachten über das Badezimmer im Ganzen nach, wir wollten etwas Besonderes machen, etwas Glamouröses, etwas anderes als die typischen Sanitärprodukte, die oft klinisch und technisch wirken. Schauen Sie sich doch mal mit offenen Augen um!


Wie genau hat sich Ihre Badezimmer-Kollektion in den letzten Jahren weiterentwickelt?

Hayon: Bisazza ist ein designorientiertes Unternehmen, mit dem ich seit dreieinhalb Jahren zusammenarbeite. Sie lassen mir viel Freiraum für Experimente. Das sehen Sie auch am Produktkatalog, der einige Skizzen aus der Entwicklungszeit enthält. Sie vermitteln einen Eindruck von den vielen Zeichnungen, die ich über die Jahre zum Thema Badezimmer gemacht habe. Die Skizzen im Katalog sind vor ein bis zwei Jahren entstanden. Ich wollte eine Kollektion entwerfen, die nicht nur feminin, sondern auch maskulin wirkt.

Was meinen Sie mit „maskulin"?

Hayon: Die Kollektion vermittelt einen „kräftigen" Eindruck. Das kommt durch die schwarze Farbe. Manchmal braucht ein Badezimmer dieses „fin noir". Dazu kommt der Marmor. Der Stein lässt die Kollektion kräftig, stabil und präzise wirken. Besonders mag ich die Untergestelle aus Kupfer, die extra für uns hergestellt werden.

Sind die Accessoires aus Holz Teil der neuen Produkte?

Hayon: Die Kollektion enthält viele Neuheiten. Die Schränke sind jetzt geschlossen, es gibt Regalsysteme - und auch Duschen, die ich besonders gelungen finde. Viele Leute interessieren sich für sie, weil sie so „supereinfach" wirken. Sie haben eine gewisse minimalistische Eleganz. Gleichzeitig bin ich kein Designer des Minimalismus. Ein bisschen Ausdruck darf schon sein. Schauen Sie sich das Waschbecken an. Die Facetten im Rand zeigen das Beckenvolumen und lassen ein Spiel aus Licht und Schatten entstehen.

Seit vielen Jahren wird über die Verbindung von Badezimmer und Wohnzimmer diskutiert. Weshalb ist es sinnvoll, sie fortzusetzen?

Hayon: Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass wir in dieser Frage bereits viel bewegt haben. Die Leute reagierten schockiert, als wir vor ein paar Jahren in Mailand die ersten Badezimmerentwürfe gezeigt haben. Einerseits ist es möglich, „Bisazza Bagno" heute als Neuheit zu präsentieren, aber Teile davon sind bereits mehrere Jahre alt. Sofort war das Besondere dieser Entwürfe damals in aller Munde. Es war das erste Produkt, das ich auf den Markt gebracht habe. Ich wurde damit bekannt. Heute sind einige meiner Entwürfe in Produktion. Wir haben viel gearbeitet. Umso schockierender ist, dass die Leute nicht „aufwachen"! Sie denken immer noch, dass das Badezimmer ein Ort ist, den man nicht herzeigt. Ich glaube, dass das Badezimmer ein Raum sein sollte, der sich sehen lassen kann.

In vielen Wohnungen steht für das Bad nur ein kleiner Raum zur Verfügung. In den Städten sind die Grundstückspreise hoch, in älteren Gebäuden wurde für das Badezimmer kaum Platz eingeplant. Inwiefern haben Sie diese Realitäten in Ihre Überlegungen einbezogen?

Hayon: Sie brauchen für unsere Badkollektion kein großes Badezimmer. Es sind kleine Produkte dabei. Einige Modelle lassen sich auch „halbieren". Außerdem bieten einige Kombinationen viel Stauraum und haben formal einen eher zurückhaltenden Charakter.

Haben Sie eine freistehende Wanne in Ihrem Bad?

Hayon: Ja, ich habe eine wunderschöne freistehende Wanne in meinem Badezimmer, ähnlich der Wanne aus unserer Kollektion Bisazza Bagno, nur verrückter. Es ist ein Prototyp. Ich habe viele Prototypen, ich lebe in Prototypen, sie stehen überall.

Halten Sie die Kollektion für zeitlos oder huldigen Sie dem Zeitgeist?

Hayon: Aus meiner Sicht sind die Entwürfe zeitlos. Die Leute betrachten die Produkte als wären sie gestern entstanden, dabei stammen sie teilweise von 2003. Wir befinden uns jetzt immerhin im Jahr 2011.

Was bedeutet Eleganz für Sie?

Hayon: Raffinesse. Modernes, zeitgenössisches Design ist meist nicht elegant. Dagegen hat alles, was ich entwerfe, eine gewisse Eleganz. Man sieht, dass sich jemand Gedanken gemacht hat und dass die Produkte gut umgesetzt sind. Man könnte beispielsweise einfach naturbelassenen Marmor verwenden. Für unsere Produkte wird die Oberfläche jedoch poliert, sodass sie besser zu reinigen ist. Selbst die Rückseite, die in Richtung Wand steht, wird behandelt. Es geht um die Details. Ich liebe Details.

Gelegentlich werden Bezüge zwischen „Bisazza Bagno" und dem Art déco hergestellt. Haben Sie sich vom Art déco inspirieren lassen oder ist der Vergleich konstruiert?

Hayon: In Zeiten des Art déco zählte die Qualität der Entwürfe. Materialien wurden miteinander kombiniert, die Produkte umgab ein gewisser Glanz. So etwas findet man heute selten. Wo immer man auch hinsieht, lassen sich nur rechtwinklige Gehäuse ausmachen, die dieser oder jener Funktion dienen. Ich denke nicht so. Ich mag Dinge, die Bestand haben. In den dreißiger Jahren wussten die Menschen Eleganz zu schätzen. Es war eine bestimmte Art von Glamour. Es ging nicht darum, besonders viel Aufmerksamkeit zu erregen, es ging nicht um Maßlosigkeit, nicht um Barock. Es ging um Raffinesse, und um eine Einfachheit, die eine ziemliche Gradwanderung ist. Es gilt viele Details zu beachten. Elegant zu sein, ist eine Herausforderung. Wenn man zu viel hineingibt, ist es zu viel, wenn man zu wenig macht, ist es zu wenig. Es geht auch nicht darum, sich selbst auszudrücken. Man muss sich behutsam herantasten. Schauen Sie sich die Zeichnungen im Katalog an, zum Beispiel diese hier (zeigt auf eine Zeichnung). Alles ist übertrieben, es sind zu viele Details. Zu diesem Zeitpunkt waren noch viele Fragen offen. Hier sind bereits einige Fehler behoben (zeigt auf eine andere Zeichnung). Heute kann ich sagen, dass wir alle Entscheidungen richtig gefällt und eine gute Balance gefunden haben. Sie sehen den Produkten an, dass ich sie entworfen habe und dass ihnen eine gewisse Raffinesse innewohnt. Der Prozess dahin ist holprig und braucht Zeit. Ich arbeite gerne so. Es ist das, was die Tätigkeit des Designers ausmacht. Ich lebe, ich mag Experimente, ich erreiche gerne, wovon ich träume.

Bad
Jaime Hayon, Foto © Dimitrios Tsatsas, Stylepark
Jaime Hayon, Foto © Dimitrios Tsatsas, Stylepark
The Hayon Collection von Jaime Hayon für Bisazza, Foto © Dimitrios Tsatsas, Stylepark
The Hayon Collection von Bisazza, Foto © Alejandro Mosquera, Stylepark
The Hayon Collection von Jaime Hayon für Bisazza, Foto © Dimitrios Tsatsas, Stylepark
The Hayon Collection von Jaime Hayon für Bisazza, Foto © Alejandro Mosquera, Stylepark
The Hayon Collection von Jaime Hayon für Bisazza, Foto © Dimitrios Tsatsas, Stylepark
The Hayon Collection von Jaime Hayon für Bisazza, Foto © Dimitrios Tsatsas, Stylepark