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Gefärbte Wolle aus dem Projekt "Waste not"

STYLEPARK TEXPERTISE
Eine neue Denkweise weben

Caroline Hyde Brown ist eine britische Textilkünstlerin und Designerin, die sich in ihrer Arbeit auf die Erforschung traditioneller Handwerkstechniken und natürlicher Materialien konzentriert. Im Interview gibt sie uns Einblick in ihre Forschungsarbeit.
22.05.2025

Anna Moldenhauer: Woran arbeiten Sie gerade?

Caroline Hyde Brown: Ich züchte auf meinem Weideland eine ausgewählte Sorte dürreresistenter Gräser, Blumen und Pflanzen, die ich für meine Arbeit verwenden möchte. Derzeit säe ich Samen aus und bereite die Blumenbeete und den Boden für den Rest des Jahres vor. Für die Flechtarbeiten ernte ich hauptsächlich Gräser wie Steppenschwingel und für die Ranken ziehe ich riesige Sedum- und Hartriegelbüsche auf. Wenn man mit Pflanzenfasern flechten möchte, ist der Zeitpunkt der Ernte entscheidend. Glücklicherweise ist die Entwicklung der dürreresistenten Pflanzen ziemlich vorhersehbar. Sie kommen sowohl mit Staunässe als auch mit extrem trockenen Böden gut zurecht und sind resistent gegen Krankheiten und Schädlinge. Sie überwintern auch wunderbar und zeigen ihre skulpturale Schönheit im schwachen Winterlicht. Ich habe Webstühle und Rahmen in verschiedenen Größen, von denen ich einige selbst gebaut habe. Auf diesen experimentiere ich mit dem Pflanzenmaterial, um es für die beiden Fadenläufe "Schuss" und "Kette" zu verwenden (Anmerkung der Redaktion: Der quer verlaufende Faden wird als "Schuss" bezeichnet, die längs verlaufenden Fäden als "Kette"). Der kleinste tragbare Webrahmen, der nur 15 Zentimeter misst, ist meine Lieblingsgröße. Bei diesem verwende ich entweder Hanf-, Brennnessel- oder Baumwollfasern für die "Kette", um die Festigkeit und Elastizität zu erreichen.

Haben Sie zunächst Tests durchgeführt, um herauszufinden, welche Gräser sich ideal für die Verarbeitung auf dem Webstuhl eignen?

Caroline Hyde Brown: Die Wachstumsstudien sind Beobachtungsstudien und in meinem Atelier stehen mehrere Regale, auf denen ich einige der Pflanzen überwintern und trocknen lasse. Die thematische Forschung wird durch meine botanische Studie der Pflanzen und ihrer Herkunft und ihres Verhaltens inspiriert. Je nach Jahreszeit und Wetter wachsen sie anders und es gibt keine Garantien. Ich versuche einfach, mich an das gemäßigte Klima im Vereinigten Königreich zu gewöhnen, und ich lebe an einem windigen und exponierten Standort. Nach der Ernte kann es bis zu sechs Monate dauern, bis die meisten Pflanzen getrocknet sind. Daher habe ich eine zyklische Vorgehensweise, die sich eng an den vier Jahreszeiten orientiert.

Sie arbeiten auch mit freiem Maschinensticken. Wie kann ich mir das vorstellen?

Caroline Hyde Brown: Ich habe mich auf eine Stickerei namens Vermicelli spezialisiert, der ich eine moderne Note verleihe. Die Stickerei ist in der Arbeit kaum sichtbar, da ich Transparentpapier verwende, sodass es aussieht, als würden die Fäden auf dem Tüll oder dem feineren Maulbeerbaumpapier schweben.

Diese Arbeiten sind sehr filigran. Wie lange dauert der Prozess von der Idee bis zur Fertigstellung?

Caroline Hyde Brown: Für die Fertigung benötige ich manchmal zwischen vier Stunden, bis hin zu Tagen oder Wochen für die größeren Stücke. Die Recherche und Vorbereitung meiner Materialien, bevor ich mit dem Sticken oder Weben beginne, ist besonders zeitaufwendig. Wenn man all dies zusammenzählt, kann der Prozess manchmal Monate dauern. Dann ist da noch die Liebe zum Detail: Ich habe Modedesign studiert und interessiere mich für Faltenwürfe und dafür, wie sich natürliche Materialien wie Moos und Flechten mit den verschiedenen Faden- oder Garnstärken verhalten. Im Laufe der Jahre habe ich mich an überraschende Ergebnisse gewöhnt und lasse mich von der natürlichen Art und Weise leiten, wie sich die Materialien unter der Nähmaschine verhalten.

Sie haben als Textildruckdesignerin und Textildesignerin in der Industrie gearbeitet. Wie haben Sie Ihre industrielle Perspektive auf Textilien mit Ihrer Wertschätzung für die Natur in Einklang gebracht?

Caroline Hyde Brown: 1995 nahm ich an der Ausstellung "New Designers" im Business Design Centre in Islington teil und stellte eine Reihe von bestickten Stoffen und Beleuchtungskörpern aus. Meine Arbeit wurde mit dem Graduate Showcase Award ausgezeichnet. Das gab mir den Anstoß, mich für ein Stipendium zu bewerben, um an den Knitting and Stitch Shows in Dublin, Harrogate und im Alexandra Palace in London teilzunehmen. Nach meinem Abschluss konnte ich über das Arts Council auch an einem Business-Seminar von Dr. Janet Summerton teilnehmen, was mir den Einstieg in die Selbstständigkeit sehr erleichterte. Ich begann schnell an einfachen Designideen mit Gerberablüten, Seide und Gypsophila zu arbeiten, um Oberflächen mit Pflanzenfasern nachzubilden, erstellte Valentinstag- und Frühlingskollektionen für Liberty PLC London und die John Lewis Partnership UK sowie Aufträge für das japanische Kaufhaus Takashimaya.

Vermicelli-gestickte Kamille

Sollte die Modebranche sich das traditionelle Wissen über Fasern und Pflanzen genauer ansehen?

Caroline Hyde Brown: Ich denke, es ist noch ein langer Weg. Die aktuelle Branche folgt der Regel, den Gewinn zu maximieren und den Zeitaufwand zu minimieren. Dennoch gibt es Nischen mit kreativen Menschen, die andere Wege beschreiten. Ich bin überzeugt, dass die nächsten Generationen diejenigen sein werden, die Pionierarbeit für nachhaltige Mode leisten, um ein Gleichgewicht und Harmonie in unseren natürlichen Ressourcen zu fördern. Perfekte Farben und große, preisgünstige Modeketten werden vorerst nicht vom Markt verschwinden, dafür sind sie zu fest etabliert.

Spielt KI in diesem Zusammenhang eine Rolle?

Caroline Hyde Brown: Bei einer Modenschau habe ich kürzlich ein von KI generiertes Outfit aus dem natürlichen Verbundwerkstoff Hanfbeton gesehen. Man könnte argumentieren, dass KI die Effizienz verbessert, Abfall reduziert und für nachhaltige Praktiken steht, aber ich bin nicht überzeugt. Mit diesem digitalisierten Ansatz verlagern wir nicht nur unseren Fokus weg von der Notwendigkeit nachhaltiger Praktiken, sondern laufen auch Gefahr, uns zu sehr auf die neuesten Entwicklungen zu konzentrieren, anstatt das Erbe handgefertigter Textilien und die Menschen, die sie herstellen, wertzuschätzen. Dies birgt die Gefahr einer Homogenisierung, die zu einer Verringerung der Individualität und Kreativität sowie der Qualität und Attraktivität führen könnte.

Sie interessieren sich für japanische Techniken, wie die Idee von "Mokume". Was fasziniert Sie daran?

Caroline Hyde Brown: "Mokume" beschreibt einen Stickstich mit "Holzmaserung". Ich hatte das Glück, während meiner Arbeit für Takashimaya die Ost- und Westküste Japans zu bereisen und mich in die Kultur zu vertiefen. Ich habe Ikebana studiert, was übersetzt so viel bedeutet wie "Blumen Leben einhauchen". Diese japanische Kunst des Blumenarrangierens hat mich zu meiner eigenen kreativen Praxis inspiriert und im Laufe der Jahre habe ich sie "Erholung durch Bewahrung" genannt. Ikebana-Blumendesigns werden in der Regel mit saisonalen Blumen und anderen natürlichen Materialien wie Blättern und Zweigen gestaltet, die sorgfältig nachgebildet werden, um eine ästhetische Form und Ausgewogenheit zu erzielen. Ich lernte auch einen Färbemeister in dritter Generation kennen und besuchte sein Atelier, um mir anzusehen, wie er eine Reihe alter Färbetechniken wiederbelebte, um ein ganzes Farbspektrum zu erzeugen.

Sammlung von Teebeuteln und Bananenschalenabfällen zum Färben von Textilien

Sie arbeiten mit Pflanzenwissenschaftlern zusammen, um beispielsweise Textilien aus der Kulturpflanze Graserbse herzustellen. Wie ist der aktuelle Stand?

Caroline Hyde Brown: 2017 gab es in Indien einen gewaltigen Wirbelsturm, der etwa eine Million Menschen betraf. Die einzige Pflanze, die die Salzwasserflut überlebte, war die Graserbse. Das hat mich dazu inspiriert, die Eigenschaften der Pflanze zu erforschen. Ich hätte die Ergebnisse zu alternativen Formen der Papierherstellung in den Sundarbans in Indien gerne vorgestellt, aber aufgrund der Pandemie war es mir nicht möglich, zusätzliche Mittel für meine Auslandsreise zu beschaffen. In der Zwischenzeit habe ich angefangen, Papier aus Linsen, Sojabohnen und Kichererbsen herzustellen und mein Wissen über die Produktion und Verarbeitung dürreresistenter Pflanzen durch Lehrtätigkeit weiterzugeben. In Norwich, nicht weit von meinem Wohnort in Norfolk entfernt, befindet sich das international renommierte John Innes Research Centre. Von 2019 bis 2021 hatte ich das Glück, mit zwei WissenschaftlerInnen zusammenzuarbeiten, deren Forschung sich auf Genom-Editierung und moderne Züchtungsmethoden konzentrierte, um ein Toxin in der Pflanze namens ODAP zu reduzieren. Diese wichtige Forschung ebnet den Weg für ein vielfältigeres und klimaresistenteres Nahrungsmittelsystem in der Zukunft.

Was ist das Ziel des Forschungsprojekts "Waste not"?

Caroline Hyde Brown: Das war eine fantastische Zusammenarbeit namens "New Landscapes", ein internationales Programm und ein Förderprogramm in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Mode, Textilien und Technologie der University of Arts London (UAL). Meine Kollegin Ummi Junid von Dunia Motif lebt in Malaysia und Großbritannien und ist Batikkünstlerin und Naturfärberin. Wir hatten bereits zuvor an einem Projekt namens "Trash to Treasure" gearbeitet, sodass es sich ganz natürlich anfühlte, sie für die Arbeit an dieser Studie über das Potenzial von Lebensmittelabfällen anzusprechen. Für das Projekt analysierten wir Lebensmittelabfälle aus Großbritannien und Malaysia, indem wir viele verschiedene natürliche Färbeverfahren durchführten. Wir hatten nur sechs Monate Zeit, aber in dieser Zeit realisierten wir mehrere Workshops und eine Ausstellung sowie einen abschließenden schriftlichen Bericht. Ich verwendete pflanzliches Beizmittel, um die Farbe auf dem Stoff zu fixieren, Ummi arbeitete mit Alaun und Salz. Es war ein Pilotprojekt und gab uns einige spannende Einblicke.

Könnten diese Erkenntnisse in industrielle Prozesse umgesetzt werden?

Caroline Hyde Brown: Die Farben waren für den industriellen Einsatz nicht perfekt genug, weil die von uns produzierten Chargen sehr klein waren. Außerdem hätte der Prozess der Sammlung und Verarbeitung der Lebensmittelabfälle in Bezug auf Gesundheit und Sicherheit geändert werden müssen. Die Technologie wurde entwickelt, sodass wir theoretisch Lebensmittelabfälle zum Färben von Kleidung verwenden könnten. Es gibt viele Start-ups und Forschungsarbeiten zu alternativen Abfallströmen sowohl für die Farbstoffe als auch für die Beschichtungen, die anschließend auf die Stoffe aufgetragen werden. Ich bin sicher, dass wir in den kommenden Jahren eine Verlagerung hin zur Verwendung innovativer Biomaterialien erleben werden. Doch die Modebranche bleibt stur linear, enorm verschwenderisch und umweltschädlich mit dem "Take-Make-and-Waste-Modell", das für zwanzig Prozent der globalen Umweltverschmutzung verantwortlich ist. Diese "Pilotphase" ist absurd, wenn man bedenkt, dass wir in der Lage sind, Menschen mit Erkenntnissen über Zellulosematerialien zum Mond zu fliegen, und dabei hauptsächlich wissenschaftlich und laborbasiert bleiben.

Handgefertigter Schuh aus Graserbsenabfällen

Gab es bei dieser Forschung ein Ergebnis, das Sie überrascht hat?

Caroline Hyde Brown: Oh ja, es gab viele Überraschungen. Vor allem in Bezug auf das Beizmittel. Ich habe viele Pflanzenarten untersucht, die reich an Zellulose und Tannin sind. Tannin als Zusatz zu einem Färbebad war etwas, das ich erforschen wollte. Pflanzen wie Brennnessel, Echtes Johanniskraut, Wiesenkerbel, Beinwell wurden mit Teebeuteln, Bananenschalen, Traubentrester und Zwiebelschalen gemischt, was eine interessante Farbpalette ergab. Raps-Extrakt gemischt mit Tannin. Obwohl das Projekt nun abgeschlossen ist, führe ich zu Hause in meinem Garten und im Atelier weitere Studien durch. Ich bin immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten und Finanzierungsquellen, um die Forschung voranzutreiben. Die Farbe aus Lebensmittelabfällen könnte beispielsweise auch bei der Herstellung von Möbeln verwendet werden. Holz ist reich an Tannin, was die Aufnahme und Fixierung von Pflanzenfarbe begünstigt. Es wäre daher fantastisch, eine Reihe von Möbeln mit dieser Färbetechnik zu entwickeln.

Was würden Sie in den nächsten zehn Jahren gerne erforschen?

Caroline Hyde Brown: Ich möchte meine Forschung im Bereich Botanik und Pflanzen fortsetzen und mein Diplom in Botanik abschließen. Hoffentlich wird mein Buch "Forage & Stitch", das 2023 veröffentlicht wurde, andere dazu ermutigen, die Wunder unserer natürlichen Ressourcen in der Textilverarbeitung zu erkunden. In den nächsten zehn Jahren würde ich es begrüßen, wenn Modehäuser Verfahren wie die Verwendung von Lebensmittelabfällen für Färbefarben einführen würden und wenn Architekten, Möbel- und Produktdesigner die Bedeutung von Energieeffizienz, erneuerbaren Materialien und ganzheitlichen Designansätzen betonen würden. Nachhaltigkeit ist ein wesentlicher Bestandteil der Bewältigung aktueller und zukünftiger globaler Herausforderungen. Ich bin davon überzeugt, dass meine eigene kreative Praxis ökologische, soziale und wirtschaftliche Herausforderungen widerspiegeln sollte.

Forage & Stitch
Verlag: Search Press
Ausgabe: BC-Taschenbuch mit Klappen
ISBN 13/EAN: 9781800920040
Größe: 216x280 mm
Seiten: 128
Sprache: Englisch
19,88 Euro

Caroline Hyde-Brown: Agri-Textiles