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Bank "Goken" für High-End-Heim-Audiogeräte, Audio Concept

Universell gedacht

Das schwedische Architektur- und Designstudio Claesson Koivisto Rune wurde 1995 von drei Studenten gegründet: Mårten Claesson, Eero Koivisto und Ola Rune. Das Trio lässt sich von vermeintlichen Grenzen zwischen den Disziplinen nicht beeindrucken: Ihre Arbeiten sind erfrischend vielseitig und schaffen stets neue Blickwinkel. Im Interview blickt Eero Koivisto zurück auf die Anfänge und voraus auf aktuelle Projekte.
14.02.2023

Anna Moldenhauer: Eero, gestartet seid ihr als Architekturbüro – eure Arbeiten bewegen sich allerdings stets zwischen Design, Architektur und Kunst. Ist dieser Ansatz in euren interdisziplinären Ausbildungen begründet?

Eero Koivisto: Als wir von der Universität kamen, war die Situation für ArchitektInnen in Schweden sehr schwierig, es gab nur wenige Aufträge in der Branche. Wir arbeiteten so zu Beginn in unseren kleinen Küchen oder in unseren Studierendenzimmern, bis wir endlich eine Fläche für ein Architekturbüro anmieten konnten. Wir haben nur einen Schreibtisch gemietet und an diesem gemeinsam entworfen. Parallel haben wir Vorlesungen an unterschiedlichen Hochschulen gegeben. Zu Beginn war die Multidisziplinarität sicher darin begründet auf unterschiedlichen Wegen ein Einkommen generieren zu müssen. Wir haben diese allerdings auch später nie hinterfragt, da es in Skandinavien nicht ungewöhnlich ist, dass DesignerInnen Häuser entwerfen oder ArchitektInnen Produkte. Es war eher eine Überraschung für uns zu erkennen, dass diese Überschneidungen nicht überall so selbstverständlich gehandhabt werden. Gerade wenn man bedenkt, dass es schon immer ArchitektInnen gab, die Möbel und Interiorkonzepte für ihre Projekte entwickelt haben. Das wir von der Basis her ein Architekturbüro sind, ist dennoch bedeutsam, denn der Raum steht für uns immer im Fokus. Auch wenn wir einen Stuhl entwerfen, denken wir an einen Raum, zu dem er passen könnte. Es geht um eine universelle Architektur, und die schließt das Produktdesign mit ein. Was uns darüber hinaus inspiriert ist Kunst, wir sind alle drei begeisterte Kunstsammler.

Ihr arbeitet als Studio an vielen Projekten gleichzeitig, haltet zudem Vorträge, bietet Kurse an Universitäten, veröffentlicht Fachbücher. Teilt ihr euch die Projekte untereinander auf?

Eero Koivisto: Wir arbeiten seit fast 30 Jahren zusammen, daher können wir meist schnell die Meinung des anderen gut einschätzen. Da wir uns über alles untereinander austauschen, ist eine klare Aufteilung nicht wirklich gegeben, auch wenn wir für die Kundinnen jeweils einen Hauptansprechpartner bestimmen. Im Grunde sind wir wie Geschwister und ich bin der Älteste. (lacht)

Ihr kennt euch seit dem Studium, was ist euer Rezept für eure starke Verbindung, die sowohl geschäftlich wie freundschaftlich ist?

Eero Koivisto: Die Arbeit in Gruppen und Teams war für uns bereits damals selbstverständlich, denn in Schweden ist es traditionell nicht gerne gesehen, wenn man ein zu großes Ego hat. Wir haben kein Rezept für die Zusammenarbeit, uns war es aber wichtig gesund zu wachsen, den Überblick zu behalten. Heute besteht unser Team aus circa zwölf Personen, die meisten arbeiten seit vielen Jahren mit uns zusammen. Kennengelernt haben wir drei Gründer uns tatsächlich im Studium, um genau zu sein in einem Vorbereitungskurs. Wirklich zusammengearbeitet haben wir aber erst nach zwei Jahren, vorher lag unser Fokus eher auf der Organisation von Bars für Studierende (lacht). Mit dem Geld könnten wir unsere Architektur-Recherchereisen finanzieren.

Simonsson house

Eure Projekte sind sehr unterschiedlich – dennoch musstet ihr nie Unternehmen selbst ansprechen um neue Aufträge zu akquirieren. Ist das richtig?

Eero Koivisto: Ja, das ist tatsächlich so. Im Grunde lehnen wir mittlerweile auch viele Anfragen ab. Wir haben in drei Jahrzehnten mit vielen tollen Unternehmen zusammenarbeiten dürfen und hatten sehr viel Glück, dass sich unsere Entwürfe gut verkauft haben. Das bot die Basis für eine weitere Zusammenarbeit und weckte in der Regel auch das Interesse der MitbewerberInnen. Wir arbeiten vorwiegend an Projekten, die sich über einen längeren Zeitraum strecken, da unsere Prozesse in ständiger Bewegung sind. Diese Art zu arbeiten gefällt mir sehr, da sie zulässt dass man für ein Problem unterschiedliche Lösungsansätze durchgeht bis man die perfekte gefunden hat. Zudem wirkt es sich auf das Ergebnis aus, wenn die Zusammenarbeit mit einem Unternehmen langjährig und familiär ist. Vielleicht stammt diese Arbeitsweise auch aus unserer Ausbildung in der Architektur. Bevor man etwas entwirft, muss man die Seele des Unternehmens verstehen, für das es erstellt werden soll, das ist uns sehr wichtig. Darüber hinaus haben wir eine skandinavisch-pragmatische Art. Wir mögen klare Gestaltung, die verständlich, nützlich und hoffentlich nicht langweilig ist.

Das "skandinavische Design" wird oft sehr eng gefasst, gibt es einen Aspekt, denn du gerne mehr beachtet sehen würdest?

Eero Koivisto: Ja, diese Kategorisierung ist in der Tat ein Problem, auch wenn sie gängig ist. Ich bin der Meinung, dass skandinavisches Design sehr vielfältig ist. Es kann stilistisch sehr unterschiedlich sein, ist aber im Kern pragmatisch. Es ist kein Schnickschnack, selbst wenn die Formen sehr frei sind.

Leuchtenkollektion "Hepburn" für David design

Was ist euer Standpunkt beim Thema Nachhaltigkeit?

Eero Koivisto: Für uns ist das Thema selbstverständlich, weil es in Schweden bereits im ersten Schuljahr Teil des Unterrichtes ist. Ich denke generell ist die Nachhaltigkeit Teil unseres Denkens in Skandinavien und so beeinflusst sie auch unsere Arbeit. Die hohe Dichte der Wälder auf unserem Fleckchen Erde bietet uns zudem die Möglichkeit, Holz als lokale, natürliche Ressource für die Architektur wie für das Design zu nutzen. Unser Standpunkt ist zudem, dass gut durchdachten Produkten eine andere Wertschätzung entgegengebracht wird. Das ist der beste Weg meiner Meinung nach. Selbst wenn man Materialien recycelt, verbraucht das noch eine Menge Energie.

Gibt es ein Projekt, dass ihr gerade fertiggestellt habt?

Eero Koivisto: Eines unserer aktuellen Projekte ist das "Simonsson House" im schwedischen Boden am Fluss Lule. Wir hatten recht strenge Bauschriften – die Gebäudehöhe durfte nur 4,2 Meter betragen und das Dach sollte in jedem Fall eine rote Farbe haben. Die einzige Möglichkeit, ein gutes Obergeschoss zu schaffen, die Aussicht auf den Fluss optimal zu nutzen und gleichzeitig die vorgeschriebenen Beschränkungen einzuhalten, war die Verwendung einer Pultdachkonstruktion. Das Haus besteht so aus zwei trapezförmigen Volumen, die in entgegengesetzte Richtungen weisen. Das größere Volumen bildet den Wohnteil, während im kleineren die Garage, eine Sauna und eine Dachterasse Platz finden. Wir haben die gesamte Geometrie des Hauses so gestaltet, dass wir ein zweites Stockwerk einbauen konnten. Da die Streckung in die Höhe nicht möglich war, lassen wir den Bau zu einer Seite breiter werden. In diese Richtung haben wir auch die meisten Fenster gesetzt, da das Gebäude von der Flusseite her nicht eingesehen werden kann. Das schafft für die BauherrInnen die gewünschte Privatsphäre. Dach und Fassade haben wir in das traditionell schwedische Falunrot getaucht, dass die Formen sehr schön betont.

Ein Projekt mit dem Schwerpunkt Produktdesign ist unsere neue Leuchtenkollektion "Hepburn". Diese haben wir für David design entworfen, ein kleines schwedisches Unternehmen, mit dem wir seit vielen Jahren zusammenarbeiten. Die Kollektion ist formell von den eleganten Hüten der Stilikone Audrey Hepburn aus den fünfziger Jahren inspiriert und aus Filz geformt. Die Leuchtenschirme haben so außergewöhnliche Formen und absorbieren den Schall. Aber sie funktionieren nicht nur als Leuchten! Anstelle der Lichtquelle kann man auch einen Lautsprecher einsetzen. Das heißt, wenn man sie in einer Gruppe aufhängt, können sie "versteckte" Lautsprecher bieten. Für die diesjährige Stockholm Furniture Fair haben wir auch den Stand von David design gestaltet. Spannend war für uns darüber hinaus das Re-Design einer Uhr für den ikonischen Schweizer Hersteller Ikepod. Unsere Uhr "Skypod pilot's chronograph watch" basiert auf einem klassischen Entwurf von Marc Newson aus dem Jahr 1994. Im Bereich Möbel haben wir einen neuen Stuhl für Skandiform entworfen, "Alba" sowie eine neue Bank für High-End-Heim-Audiogeräte für Audio Concept. Das war ebenfalls ein ungewöhnliches Projekt für uns, da das Design viel Gewicht aushalten muss, aber trotzdem in verschiedenen Umgebungen elegant aussehen soll. Allein an dieser kleinen Auswahl lässt sich ablesen, wie unterschiedlich unsere Projekte sind. Es macht uns wirklich Freude, bei jedem Projekt eine neue Herausforderung anzunehmen und zu versuchen, etwas Neues zu schaffen.

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