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Der Klang der Reduktion

Mit der "Cosmo" hat der Produktdesigner Robin Stummvoll eine Gitarre konzipiert, die mit den gestalterischen und funktionalen Codes herkömmlicher Modelle bricht. Wir sprachen mit ihm über neue Ansätze im Gitarrenbau und die Verbindung von Design und Klang.
22.07.2022

Alexander Russ: Robin, du bist studierter Produktdesigner, arbeitest mittlerweile aber als Gitarrenbauer und hast mit Verso Instruments eine eigene Firma. Wie kam es dazu?

Robin Stummvoll: Der Entwurf einer Gitarre war das Thema meiner Abschlussarbeit. Damit einher ging die Frage, ob ich nach meinem Abschluss als Möbeldesigner arbeiten möchte. Ich hatte im Vorfeld schon Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt, zum Beispiel in Form eines Praktikums bei Steffen Kehrle in München. Das war zwar eine tolle Zeit, aber gleichzeitig habe ich für mich gemerkt, dass ich nicht unbedingt Teil einer großen Produktmaschinerie sein will – auch wenn man sich als DesignerIn durchaus kritisch damit auseinandersetzen kann. Instrumentenbau resultiert in der Schaffung von Musik – etwas Immateriellem und Emotionalem. Diesen Gedanken finde ich sehr schön.

Warum gerade eine Gitarre?

Robin Stummvoll: Ich bin Gitarrist und mache seit meiner Schulzeit Musik. Ich hatte zwar nie vor, professioneller Musiker zu werden, aber das Ganze begleitet mich schon seit Langem und hatte einen entsprechenden Einfluss auf mein Studium. Mit meiner Abschlussarbeit und später mit der Gründung von Verso Instruments habe ich dann versucht, beides miteinander zu verbinden.

Mit dem Modell "Cosmo" hast du eine E-Gitarre entworfen, die sich nicht nur in der formalen Sprache, sondern auch in den funktionalen Möglichkeiten von anderen Gitarren unterschiedet. Kannst du uns mehr darüber erzählen?

Robin Stummvoll: Bei meiner Recherche bin ich auf eine Gitarre von Rickenbacker aus dem Jahr 1932 gestoßen, die den Spitznamen "Frying Pan", also "Bratpfanne", trägt. Daran fand ich spannend, dass die Gitarre komplett aus Aluminium gefertigt wurde. Gleichzeitig gilt sie als eine der ersten E-Gitarren. Zudem hat Rickenbacker 1935 eine Gitarre aus Bakelit auf den Markt gebracht. Ich fand die Erkenntnis, dass die allerersten E-Gitarren überhaupt nicht aus Holz waren, sehr interessant. Erstaunlicherweise haben diese Instrumente einen sehr warmen und weichen Klang, was man bei der Materialwahl gar nicht erwarten würde. Das hat mich fasziniert und so kam bei mir die Frage auf, wieviel es überhaupt braucht, um einen guten Klang zu erzeugen. Ich wollte mit etwas ganz Rohem beginnen, deshalb bin ich erstmal in den Baumarkt gefahren, um aus einer Dachlatte einen ersten Prototyp für meine Gitarre zu bauen. Daraus ist dann nach und nach die "Cosmo" entstanden.

Inwieweit hat dein Hintergrund im Produktdesign beim Entwurf der Gitarre eine Rolle gespielt?

Robin Stummvoll: Indem ich bei der Vorbereitung nicht nur von Gitarren beeinflusst war. Mein Hintergrund hat es mir ermöglicht, das Thema aus einer neuen Perspektive zu betrachten, andere Fragen zu stellen und mit ungewöhnlichen Materialien zu arbeiten. Eine Inspiration war auch die Arbeit von Ray und Charles Eames, die ebenfalls viel Materialrecherche betrieben haben, zum Beispiel mit Fiberglas oder Sperrholz. Dieter Rams und Konstantin Grcic waren sicherlich auch ein Einfluss.

Wie ging es nach der Dachlatten-Gitarre weiter?

Robin Stummvoll: Die Dachlatten-Gitarre war eine Reduktion auf das Notwendigste: den Gitarrenhals, den es für die Bespielbarkeit und den Klang der Gitarre nun mal braucht. Da schon die Dachlatte wirklich gut klang, habe ich den Korpus als einen rein ergonomischen Teil des Instruments betrachtet und dazu mit Materialien experimentiert, die erst mal gar nicht mit Klang assoziiert werden – wie etwa Filz, verschiedene Textilien oder Schaumstoff. Irgendwann habe ich dann begonnen Formvlies um den Hals zu legen, wodurch sich ein interessantes Spiel aus zweidimensionaler Fläche und dreidimensionalem Körper ergeben hat. Das Ganze war aber zu instabil, weshalb ich zu härteren Materialien wie Blech gewechselt habe. Daraus ist der Korpus der "Cosmo" schlussendlich entstanden. Wegen des Blechs kam ich erst auf die Idee, dass der magnetische Tonabnehmer, der die Gitarre akustisch verstärkt, ganz ohne Schrauben und flexibel, auf dem Stahlkorpus befestigt werden kann. Er hält aufgrund seiner integrierten Magnete von ganz allein auf dem Metallkörper.

Verschiedene Prototypen der "Cosmo"

Interessanterweise ist vor dir noch nie jemand auf die Idee gekommen, die Befestigung der Tonabnehmer auf diese Weise zu lösen – obwohl es eigentlich eine naheliegende Idee ist und aufgrund der flexiblen Positionierung neue klangliche Möglichkeiten bietet.

Robin Stummvoll: Ja, das stimmt. Allerdings war die Entwicklung der passenden Tonabnehmer sehr komplex.

Inwiefern?

Robin Stummvoll: Die Tonabnehmer müssen bei der "Cosmo" sehr flach sein, weil sie bei einer E-Gitarre aus Holz normalerweise zwei bis drei Zentimeter in den Korpus eingelassen sind. Bei der "Cosmo" befindet sich der Tonabnehmer stattdessen direkt auf der Oberfläche, was eine sehr kompakte Bauweise erfordert. Ich verwende deshalb starke, aber sehr kleine Neodym-Magnete und wickle die Kupferspulen um ein Vielfaches breiter und flacher als üblich. Diese Veränderungen haben mich auch klanglich überzeugt. Für das Gehäuse habe ich zunächst mit 3D-Druck experimentiert, mich dann aber für ein Gehäuse aus Holz entschieden, das aus demselben Holzblock stammt wie der Gitarrenhals.

Du bist eigentlich kein gelernter Gitarrenbauer. Wie schwer war es, sich die entsprechenden Fähigkeiten anzueignen?

Robin Stummvoll: Ich habe mit 15 eine Lapsteel-Gitarre gebaut. Das waren meine ersten Erfahrungen, aber bis zu meinem Diplom habe ich tatsächlich keine einzige Gitarre mehr gebaut. Das ging erst mit der "Cosmo" wieder los. Ich habe mir das Ganze dann über Bücher und Youtube-Videos angeeignet – und natürlich viel in der konkreten Anwendung. Mit der Zeit bin ich immer besser geworden. Es war aber ein sehr langer Prozess, bis ich das Gefühl hatte, dass ich die von mir gebauten Instrumente auch verkaufen könnte.

Du verfolgst beim Bau deiner Gitarren auch eine Nachhaltigkeitsagenda. Kannst du uns mehr darüber erzählen?

Robin Stummvoll: Das betrifft vor allem die Wahl der Hölzer – und das wäre auch meine größte Kritik am E-Gitarrenbau: Dass immer noch tropische Hölzer verwendet werden. Dafür gibt es meiner Meinung nach in unserer heutigen Zeit einfach keine Rechtfertigung mehr, ganz unabhängig davon, ob es um Klang oder Optik geht, und selbst wenn das Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt. Die Nachfrage ist schlicht zu hoch und die Forstwirtschaft betreibt viel Greenwashing. Viele dieser alten Bäume können nur aus intakten Wäldern, mit einer einhergehenden Zerstörung der Umgebung, geerntet werden. Deshalb verwende ich nur lokale Hölzer wie Ahorn, Esche, Nussbaum oder Kirsche.

Gitarren sind ein kulturelles Artefakt des 20. Jahrhunderts, das stark mit bestimmten gestalterischen und funktionalen Codes belegt ist, die du mit der "Cosmo" hinterfragst. Welche Reaktionen gab es bislang?

Robin Stummvoll: Es gibt sicher eine eher konservative Fraktion unter den GitarristInnen, die stark von den Codes, die du angesprochen hast, geprägt sind. Die lassen mich aber eher in Ruhe. Das liegt sicher auch daran, dass die "Cosmo" sich nicht an bestehende Modelle anlehnt, sondern etwas ganz Eigenes ist. Insofern war der Austausch bislang sehr positiv und produktiv.

Mich hat deine Arbeit an Produkte von Teenage Engineering erinnert, die bei der Gestaltung ihrer elektronischen Instrumente sehr designorientiert sind – wie etwa der Synthesizer und Controller OP-1, der mittlerweile ein Ausstellungstück in Designmuseen ist. Wie beurteilst du diese Entwicklung?

Robin Stummvoll: Teenage Engineering ist sicher eine große Inspiration für meine Arbeit. Ein Kritikpunkt ist natürlich, dass die Geräte wirklich teuer sind und den Beigeschmack einer künstlichen Exklusivität haben. Allerdings werden sie in Schweden hergestellt, sind wertig verarbeitet und eben auch sehr gut gestaltet. Das war im Übrigen etwas, worauf ich bei der Entwicklung der "Cosmo" sehr geachtet habe: Dass der Preis nicht zu astronomisch wird, obwohl es sich um ein in Deutschland nach individuellen Wünschen gefertigtes Instrument handelt. Am Ende soll die Gitarre kein Museumsstück sein, sondern von MusikerInnen gespielt werden.

Wie hast du das konkret umgesetzt?

Robin Stummvoll: Der Blechkorpus ist sehr günstig in der Herstellung. Hinzu kommt die fehlende Ornamentik auf der Gitarre, die zusätzlich Kosten einspart, da bestimmte Arbeitsschritte nicht notwendig sind. Das Ganze wurde aus der Bespielbarkeit, dem Klang und der Ergonomie heraus entwickelt. Alles, was diesen drei Parametern dient, findet auch Eingang in die Gitarre. Den Rest lasse ich konsequent weg.

Robin Stummvoll von Verso Instruments