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Das Arbeiten schaukeln
von Adeline Seidel | 27.10.2013
Foto links © Marcel van der Burg | Foto rechts © NS Stations
Arbeiten macht wieder Spaß! Zumindest, wenn man den „kreativen Wissensarbeitern“ von heute Glauben schenkt. Doch gerade diese brauchen andere Räume: Wo Wissen „vernetzt“ werden soll, kann man nicht in Büroräumen arbeiten, die aus einer Zeit stammen, in der es noch Arbeitszeit und Freizeit statt einer „Work-Life-Balance“ gab. Das Amsterdamer Architekturbüro „NL Architects“ hat mit dem Umbau der Zentrale der „Nederlandse Spoorwegen“, der niederländischen Bahngesellschaft, unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten und Arbeitsplatzqualitäten in ein „altens“ Bürogebäude implementiert. Das Gebäude aus den 1970er Jahren zeigt sich erstaunlich flexibel, wo es darum geht, die Anforderungen einer neuen, schönen Arbeitswelt zu erfüllen.
Zeichnung © NL Architects
Das 55 Meter hohe Gebäude schwebt gleichsam über dem Utrechter Bahnhof und wurde bereits 1999 umgebaut: Die markante Fassade des in den 1970er Jahren im brutalistischen Stil errichteten Gebäudes verschwand damals hinter einer Doppelfassade aus Glas. Was wie ein kosmetischer Eingriff aussieht, hatte erhebliche Konsequenzen auf die Bürogestaltung. Aus einem Großraumbüro wurden Einzelbüros. Und es entstand ein innerer Bereich mit wenig oder ganz ohne Tageslicht.
Zeichnung © NL Architects
Es war die Aufgabe von „NL Architects“, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das hell und übersichtlich ist und flexiblen Arbeitsstrukturen Raum gibt. Dafür entfernten die Architekten sämtliche Wände der Zellenbüros, verlegten Toilettenblock und Serverraum an die Schmalseiten des Hochhauses. So wird vor allem die Tiefe der Etagen erlebbar, ebenso wie die Struktur des Betonskelettes, das den Büros einen eigenen Charakter verleiht.
Zeichnung © NL Architects
„Thick Walls“, dicke, modulare Wandschränke mit vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten, strukturieren nun die 800 Quadratmeter große Fläche eines jeden Geschosses und schaffen Zonen, die sich unterschiedlich nutzen lassen. Auf diese Weise ist ein klarer, aufgeräumter Grundriss entstanden, der frei von monofunktionalen Möbeln und nutzloser Flurfläche ist – aber abwechslungsreiche Blickbeziehungen zwischen den einzelnen Bereichen schafft.
Fotos © Marcel van der Burg
In gemeinsamen Workshops mit den Mitarbeitern der Bahngesellschaft wurden die Grundrisse entwickelt und an die einzelnen Bedürfnisse angepasst. Dadurch unterscheiden sich die Geschosse in ihrer Zonierung von einander, abhängig vom Verhältnis flexibler und fester Arbeitsplätze sowie der Anzahl von Besprechungszonen und Rückzugs- und Gemeinschaftsbereichen. Dabei hatten die Workshops den zusätzlichen Effekt, den Mitarbeitern die neuen Möglichkeiten der offenen Grundrisse zu vermitteln – denn schließlich war man Jahrzehnte lang an das Arbeiten in Bürozellen gewohnt.
Fotos © Marcel van der Burg
Um jedem Geschoß eine eigene Identität zu geben, gestalteten die Architekten jeweils ein spezifisches Element. Dieses „Special“ ist mal eine Schaukel, mal eine ungewöhnliche Sitzgelegenheit, mal ein Objekt zum lässigem Anlehnen – aber auf jeden Fall ist es eine Maßanfertigung.
Fotos © Marcel van der Burg
Zusätzlich fügten NL Architects eine weitere Treppe auf jeder Etage ein, die jeweils zwei Etagen miteinander verbindet. Da die Position der Treppe wechselt, ergeben sich unterschiedliche Grundrisse und Aufenthaltsqualitäten.
Fotos © Marcel van der Burg
Das gemeinsame Essen ist ein wichtiger Bestandteil der niederländischen Arbeitskultur. Damit die Mitarbeiter einer Etage nicht unter sich bleiben, wurde eine der neun Etagen zum Gemeinschaftsbereich umgebaut. Hier befindet sich ein Cafeteria sowie unterschiedliche Sitz- und Aufenthaltsmöglichkeiten.