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Design zu Füßen
von Nina Reetzke | 15.01.2011

Muster aus geometrischen Formen, inspiriert von der Welt der Pflanzen oder gebildet aus figürlichen Darstellungen, zieren seit jeher die Böden von Hauseingängen, Geschäften und öffentlichen Bauten. Bei Mosaiken reiht sich Steinchen an Steinchen, bei gefliesten Böden fügt sich Kante an Kante, Fuge an Fuge und bei Laminat verbindet sich eine Platte mit der nächsten. Lange konnte deshalb nur mittels Einlegetechniken gearbeitet werden, da sich bedruckte Flächen am Boden zu schnell abrieben; an Muster mit Farbverläufen, Schattierungen oder besonderer Tiefenwirkung war nicht zu denken. Seit einigen Jahren ermöglichen jedoch deutlich verbesserte Druckmethoden die Herstellung von bedrucktem Laminat.

Bereits 2009 hat Parador international renommierte Architekten und Designer wie Konstantin Grcic, Matteo Thun und Ben van Berkel für die Laminatkollektion „No limits" verpflichtet. Offensichtlich erfolgreich, präsentiert man doch jetzt eine neue Laminatserie names „Experimental", zu der sechs namenhafte Vertreter ihr Zunft - Werner Aisslinger, Ronan und Erwan Bouroullec, Zaha Hadid, Piero Lissoni, Ross Lovegrove und Jean Nouvel - jeweils zwei Entwürfe beigesteuert haben.

Licht- und Schattenspiele mit ihren schemenhaften, flüchtigen Formen dienten für einige der neuen Entwürfe als Inspiration. So studierten die Gebrüder Bouroullec die Farbreflexe von Kirchenfenstern, wenn die Sonne durch die bunten Glasmosaiken scheint. Ein aus ihren Beobachtungen resultierendes Muster schmückt das Laminat „Church". Rote, blaue, grüne und schwarze Vierecke tanzen - in verschiedenen Größen, perspektivisch verzerrt und mit unscharfen Kanten - auf einem weißen Hintergrund. Auf der Wirkung von Licht beruhen auch die Entwürfe von Jean Nouvel. „Cedre" zeigt Schattenwürfe von Zedern und „Agbar" die Stimmung eines von Nouvel entworfenen Bürohochhauses in Barcelona.

Andere Muster der Kollektion „Experimental" sind räumlich angelegt. Für „Bone Structure" erzeugte Ross Lovegrove am Computer abstrakte Knochenstrukturen, die er ausdruckte und fotografierte. Der hellblaue Hintergrund erinnert an die Weite des Himmels und lässt den dargestellten Raum nahezu grenzenlos erscheinen. Flächig, aber dennoch dreidimensional kommen die Motive von Werner Aisslinger daher. „Mesh" präsentiert Textilwaben mit kräftiger Textur, „Gel" weist auf das gleichnamige Material mit seiner typischen Transluzenz und zahlreichen Lufteinschlüssen hin.

Geometrische Dekore komplettieren die Kollektion. „Krystal" von Zaha Hadid beruht auf einem mehrschichten Dreiecksmuster. Durch die verschiedenen Größen, Winkel und Positionen der Dreiecke ergibt sich ein oszillierender Eindruck. Wesentlich reduzierter erscheinen die Linienmuster bei „Optical" und „Domino" von Piero Lissoni.

Will man ein Motiv beurteilen, so darf man natürlich nicht nur ein einziges Laminatstück in die Hand nehmen. Wichtig ist die Wirkung des gesamten Musters, wenn man es im Verbund und in Bodennähe betrachtet. Kleinteilige Dekore wie etwa „Circuit Board" von Ross Lovegrove - einer Struktur, wie man sie von Computerplatinen kennt - wirken von weitem nur noch wie farbige Pixel. Großzügige Muster wie etwa die „Waves" von Zaha Hadid entfalten sich hingegen erst, wenn mehrere Platten nebeneinander liegen. Nicht zu vergessen die Anschlüsse der Muster über die Plattenkanten hinweg. Entweder das Muster setzt sich ohne Unterbrechung fort oder es entstehen optische Brüche, die dem Gesamteindruck zusätzlich Spannung geben.

Viele Architekten bevorzugen nach wie vor einfarbige Bodenbeläge. Werden gedeckte Farben wie Schwarz, Grau oder Braun eingesetzt, bleibt der Boden optisch im Hintergrund, der gestalterische Schwerpunkt liegt auf anderen Elementen der Einrichtung - den Möbeln, den Lampen oder möglichen Kunstobjekten. Sobald ein Laminat mit komplexen Mustern und leuchtenden Farben verlegt wird, gewinnt der Boden im Gesamteindruck des Raumes enorm an Bedeutung, nicht zuletzt wenn es sich um Motive wie leuchtende Prismen, Farbreflexe von Kirchenfenstern und in den Himmel ragende Netzwerke oder biomorphe Gerüste handelt. Was letzten Endes zählt, ist die stimmige Gesamtkonzeption eines Raumes. Jetzt ist es an den Architekten, die neue Fußbodengeneration in die Bauten der Zukunft zu integrieren.

Cicuit Board von Ross Lovegrove
Cloud von Jean Nouvel
Bone Structure von Ross Lovegrove
Waves von Zaha Hadid
Domino von Piero Lissoni
Flou von Ronan und Erwan Bouroullec für Parador
Cedre von Jean Nouvel
Mesh von Werner Aisslinger
Fineline von Ronan und Erwan Bouroullec
Krystal von Zaha Hadid
Optical von Piero Lissoni