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Die verborgene Schönheit der Schlaufen
von Markus Frenzl | 04.02.2010

Als auf der Suche nach Helligkeit zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Kohlefadenlampe von der Metallfadenlampe abgelöst wurde, war auch der heimelige, warm-rötliche Lichtschein dahin, der bis dahin eine Erinnerung an Lagerfeuer, aber leider nur wenig Licht in die Wohnung geholt hatte. Die neue Glühbirne gab zwar ein helles, gleichmäßiges Licht, doch sie schien den Menschen unerträglich grell. Schon bald verbargen Lampenschirme die unnatürlich anmutende Birne und erst die Maximen der Moderne nach offensiver Sichtbarkeit von Technologie und Funktion sollten Soffitten- und Glühlampe wieder sichtbar machen. Die Glühbirne, die so grell auf die Menschen gewirkt hatte, legte in den folgenden Jahrzehnten eine gewaltige Karriere hin und wurde zu einem so selbstverständlichen und symbolischen Alltagsobjekt, dass ihr seit kurzem drohender Untergang hoch emotionale Reaktionen auslöste.

Noch immer können sich die Verbraucher mit den energiesparenden Alternativen nur langsam anfreunden: Während sich Halogenbirnen und als Glühbirnen getarnte LED‘s mittlerweile aufgrund vertrauter Formen und Lichtfarben immer mehr durchsetzen, ist die Kompaktleuchtstofflampe - das Symbol für „Energiesparlampe" schlechthin - den meisten immer noch verhasst. Mit ihrem mitgebrachten Vorschaltgerät ist sie zu komplex, ihre Lichtfarbe wird noch immer als kalt und unangenehm empfunden. Anders als fast immer in der Natur üblich, erzeugt sie ihr Licht nicht über Wärme, sondern per Gasentladung. Und ist damit noch weiter entfernt von allem, was an das Lagerfeuer der Vorzeit erinnern könnte. Am schlimmsten aber scheint uns ihre gezwirbelte Schlaufenform zu sein, in die sie sich mit ihren zahlreichen Wendeln legt. Viele Leuchtenentwürfe der jüngeren Zeit, die das energiesparende Leuchtmittel einsetzen, verbergen es deshalb wie einst die Glühbirne: Sie packen es in vertraute Formen und Leuchtkästen, zwischen mattierte Diffusoren und hinter heimeliges Holzfurnier und zwingen den Benutzer nur beim Auswechseln, das Leuchtmittel auch anschauen zu müssen.

Naoto Fukasawa, einer der Hohepriester des Einfachen und Schlichten, hat nun für Belux eine Office-Leuchtenserie entworfen, die erstmals die Ästhetik der Kompaktleuchtstofflampe als Stilmittel einsetzt und sie bewusst sichtbar macht. Fukasawa baut uns dabei geschickt eine Brücke zum ungeliebten Produkt: Er setzt sie in eine schlichte, archetypisch anmutende Lampenschirmform aus metallbedampftem, halbtransparenten Acryl und lässt die Leuchtstofflampe nur im angeschalteten Zustand in Erscheinung treten. Dann wirkt sie wie in einem Quecksilbertropfen schimmernd, wie ein silbern leuchtender Fisch, der nur schemenhaft unter der Wasseroberfläche erkennbar ist. „KOI" spielt ein poetisches Spiel mit dem Sichtbaren und Verborgenen, das selbst der bisher so verachteten Leuchtstofflampe Schönheit verleiht: Plötzlich vermag man selbst dem stets für hässlich gehaltenen Leuchtmittel eine eigene Ästhetik und Unangepasstheit zuzusprechen. Schließlich lassen sich die Formen einer Leuchtstofflampe damit erstmals auch im leuchtenden Zustand wahrnehmen- gerade so wie wir bei einer Sonnenfinsternis die Form der Sonne nur durch eine der silbern beschichteten Brillen wahrnehmen können.

Der Entwurf lässt an Jurgen Beys „Light Shades" denken, bei denen kitschige Kronleuchter erst durch einen umhüllenden, halbtransparent verspiegelten Schirm wieder erträglich werden, aber auch an Ingo Maurers Leuchte „Wo bist Du, Edison..?", bei der die Schönheit des Leuchtmittels zelebriert wird, indem es entmaterialisiert wird. Gleichzeitig aber greift Fukasawa mit dem Entwurf Themen der Moderne wie Transparenz und Ehrlichkeit auf und vermeidet bewusst, das Leuchtmittel in allzu historisierenden Formen oder komplett geschlossenen Leuchtkästen zu verstecken oder ihm natürlich wirkende Materialien an die Seite zu stellen, die uns mit der Technik versöhnen wollen. „KOI" wirkt technisch und ehrlich, wie die Gameboys oder Uhren, die mit einem transparenten Gehäuse ihr Innenleben offensiv sichtbar machen.

Die Lichttechnik der einfach anmutenden Leuchte ist komplex: Durch Lichtgeometrie und Verspiegelung des großen, flachen Leuchtenkopfes lässt sich ein extrem hoher Wirkungsgrad erreichen. Mit vier Leuchtmitteln in einer Leuchte können vier Arbeitsplätze beleuchtet werden. Trotz der dafür erforderlichen großen Abmessungen (57,6 Zentimeter Durchmesser bei Tisch- und Stehleuchte, 62,5 Zentimeter bei der Pendelleuchte) bleibt ihre Anmutung schwebend und für den Bürokontext ungewöhnlich wohnlich. Vielleicht kann die sichtbare Leuchtstofflampe gerade deshalb zu einem spielerischen Element werden, weil sie sich mit „KOI" noch nicht im Wohnraum behaupten muss, sondern es sich um eine eher technische Leuchte für die Bürobeleuchtung handelt.

Naoto Fukasawa wollte mit dem durchscheinenden Leuchtmittel nach eigener Aussage erreichen, dass traditioneller Lampenschirm und modernes Leuchtmittel gemeinsam zu einem Abbild von Hightech werden. Wichtiger als das sichtbare Leuchtmittel aber war ihm, mit dem archetypischen Leuchtenkopf einen Schirm zu formen, unter dem man sich gerne versammelt - eine Abkehr also von den kastigen Leuchten für Großraumbüros, die ab den Neunzigern die deckenmontierten Lichtkästen ersetzt hatten und dabei zunächst ihre Formen aufgriffen. „KOI" vermittelt so zwischen den Welten von Büro und Wohnraum, zwischen technischer Anmutung und vertrauter Leuchtenform. Sie lässt das ungeliebte, aber sinnvolle Leuchtmittel zu einem Hightech-Statement und gleichzeitig zum Spiel mit der Transparenz der Moderne werden.

Vielleicht werden die Fortschritte in der LED-Technologie das Licht in unseren Wohnungen in ein paar Jahren endgültig immaterialisiert und ganz von eigenständigen Leuchten gelöst haben, die doch immer auch Möbelstücke waren. Dann werden wir vermutlich selbst der Kompaktleuchtstofflampe hinterhertrauern. Fukasawa hat dem Leuchtmittel der Übergangszeit mit der „KOI" aber schon jetzt einen silbern schwebenden Schrein gegeben und aufgezeigt, dass selbst in der Energiesparlampe mit ihren Schlaufen und Wendeln eine eigene, technisch-bizzare Schönheit stecken kann - wenn man sie nur durch den richtigen Filter betrachtet.

Einer der Entwürfe zu Koi
Alle Fotos: Leuchte Koi von Naoto Fukasawa für Belux