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Rainer Krause (1952 – 2013) vor Keramikobjekten „Indian Memories“, entworfen von Ettore Sottsass.
Foto © Michael von Jakubowski
Gilt als das erste postmoderne Gebäude Deutschlands: Rainer Krauses „Bahnhof-Apotheke“, Entwurf von Adolfo Natalini/Superstudio Florenz, 1976 bis 1979. Foto © Aldo Ballo
Aus der Keramikreihe „Indian Memories” von Ettore Sottsass: Teekanne „Cinnamon“, 1988. Foto © Peter Frank
Ebenso ein Sottsass-Modell der „indischen Erinnerungen“: Schale „Sugar“, 1987. Foto © Anthologie Quartett
Erfolgsmodell: „Cellula“ von Nunzia Carbone und Tiziano Vudafieri, 1996, für Anthologie Quartett.
Foto © Anthologie Quartett
Hochhäuser zum Streuen: „Frankfurter Salz und Pfeffer“ von den Architekten Berghof Landes Rang, 1987.
Foto © Anthologie Quartett
„Tony No. 3“ von Ettore Sottsass, 1997, für Anthologie Quartett. Foto © Kai Georg
Firmensitz der Anthologie Quartett: Schloss Hünnefeld bei Bad Essen. Foto © Anthologie Quartett
Eine Anthologie mit Freunden
von Michael Peters
16.03.2014

Am 6. Juni 2013 ist Rainer Krause im Alter von 60 Jahren gestorben. Mit seinem Tod hat die Designwelt einen großartigen Menschen, engagierten Unternehmer, Mäzen und Schöngeist verloren. Als er sich ganz der Welt des Designs zuwandte, hat er sich einen Kindheitstraum verwirklicht. Tag für Tag hat er diesen Traum gelebt, mit Haut und Haaren, mit allen Höhen und Tiefen. Rainer Krause war ein sensibler Überzeugungstäter wie es – mit diesem Wissen und dieser Kompetenz – nur wenige gibt. Ein Glücksritter, der im Verborgenen liegende Schätze hob, bevor andere sie entdeckten. Er folgte keinem Prinzip, es war seine Begabung. Er konnte nicht anders. Die Dinge flogen ihm zu. Sie haben ihn gefunden. Seine Gabe, der Öffentlichkeit die Welt des Designs zu eröffnen, bot anderen die Chance, sich zu etablieren. Er selbst hatte wenig Geduld. Bevor sich etwas verfestigen konnte, eilte er schon wieder einen Schritt weiter. Nicht immer hat er den Dingen die nötige Zeit gelassen, aber viele Tore aufgestoßen, durch die später andere gegangen sind.

Am 4. September 1952 als Sohn einer Apothekerfamilie in Lübbecke geboren, schien Rainer Krauses Weg vorgezeichnet. Er wurde ebenfalls Apotheker. Dabei faszinierte ihn die Welt des Designs schon als Kind, was bei seiner Familie nicht immer auf Verständnis stieß, etwa dann, wenn sich der Dreizehnjährige zu Weihnachten einen „Saarinen-Tisch“ wünschte. Dem Beruf des Apothekers blieb er trotzdem treu, bis 1996. Von da an widmete er sich seiner Leidenschaft und wurde Designunternehmer.

Bereits Ende der 1970er Jahre hatte Krause mit dem Neubau der Apotheke in Lübbecke seine Neigung für Design und Architektur unterstrichen und ein nicht zu übersehendes Zeichen gesetzt. Nicht irgendwen, sondern Adolfo Natalini von „Superstudio“ in Florenz hatte er mit der Planung betraut, und so entstand aus der Zusammenarbeit das erste postmoderne Gebäude in Deutschland. Über Natalini entdeckte er das italienische Design und knüpfte im Lauf der Jahre viele freundschaftliche Verbindungen. Etwa zu den Astoris von Driade, zu Antonio Citterio, Alessandro Mendini, Paola Navone, Ettore Sottsass, Matteo Thun und anderen Protagonisten der Memphis-Zeit. Sie alle waren oft in Bad Essen zu Gast. Ihre Entwürfe bildeten später den Kern der im September 1983 zusammen mit drei Partnern gegründeten „Quartett“, der Kollektion der Architektur-, Design-, Kunst- und Mode-Galerie „Quartett“ in Hannover. Vorgestellt wurde die erste Kollektion mit Entwürfen von Bellefast, Borek Sipek, Ginbande, Ettore Sottsass, Philippe Starck, Matteo Thun und Daniel Weil – viele dieser Gestalter standen damals noch am Anfang ihrer Karriere – aus Anlass der Kölner Möbelmesse im Januar 1984 und zum Mailänder Salone del Mobile im September desselben Jahres. Es war stets ein Genuss, Krauses Italienisch, das er fast akzentfrei sprach, zu lauschen, und noch schöner war es, mit ihm seine Lieblingsinsel Capri zu besuchen und ihn dort zu erleben.

Schon bevor er in der Designwelt unternehmerisch tätig wurde, initiierte er Projekte und warb für das Thema Design. Als Ausstellungs- und Museumsmacher hat er richtungsweisende Präsentationen kuratiert. Beispielhaft seien hier „Seitensprünge“ (1986) in der „Galleria“ der Messe Frankfurt erwähnt, sowie die umfassende Kindermöbelausstellung (1988) zur Messe „Ambiente“. Es versteht sich fast von selbst, dass er mit solchen Aktivitäten zum Moderator, Netzwerker und Vermittler wurde, der deutschen Verbrauchern italienisches Design näherbrachte.

Im Jahr 1987 hatte Rainer Krause mit Michael von Jakubowski seinen neuen Lebens- und Geschäftspartners kennengelernt und er gründete Anthologie Quartett als unabhängiges Unternehmen mit Sitz auf Schloss Hünnefeld bei Bad Essen, eine Produktions- und Vertriebsgesellschaft für hochwertige zeitgenössische Designprodukte und Produkt-Klassiker – handverlesen ausgewählt und professionell verlegt. 1988 folgte das Beratungsunternehmen „Design...Connections“, das er gemeinsam mit Michael von Jakubowski im Loft der Apotheke in Lübbecke ins Leben rief, ein Büro für Designmanagement und Designresearch, welches unter anderem für Rasch/Bramsche, die Messe Frankfurt (Designausstellung „Seitensprünge“), das „Comitée Colbert“, dem Zusammenschluss französischer Luxusfirmen, und andere designorientierte Unternehmen und Institutionen als Berater, Ausstellungsmacher und Designmanager tätig wurde. Einen Höhepunkt der Aktivitäten bildete 1992 die parallel zur Documenta 9 unter dem Titel „Zeitwände“ gezeigte Schau aktueller Tapetenentwürfe im Deutschen Tapetenmuseum in Kassel.

In Mailand wurde 1989 zudem die eigene Schmuckkollektion „Best Friends – Modern Jewlery“ mit Entwürfen von Ettore Sottsass, Massimo Iosa-Ghini, Nanda Vigo, Mattar und Kruger bis hin zu exklusiven Kollektionen von Garouste & Bonetti vorgestellt, deren Präsentationen „Anthologie Quartett“ im gehobenen Segment einen neuen Kundenkreis in Paris eröffneten. Und im Jahr 1990 wurden unter dem Titel „Der Knopf zwischen Schmuck und Funktion“ mehr als 30 Designer eingeladen, über das scheinbar banale Thema „Knopf“ nachzudenken. Die Ergebnisse wurden zum Salone in Mailand in einer wunderschönen alten Modeschmuckfabrik präsentiert. Im selben Jahr kam es auch zur Gründung des Designmuseums „Mus’ign“ im westfälischen Schloss Hollwinkel – mit wechselnden Ausstellungen, um den Stücken einen Rahmen zu geben und Design als Kulturgut zu präsentieren. Produkte von „Anthologie Quartett“ finden sich heute ebenso in der Sammlung des Museum of Modern Art in New York und des Victoria & Albert Museums in London wie in allen einschlägigen Design-Jahrbüchern. Zahlreich sind auch die Auszeichnungen, die sie erhalten haben.

Wer ihn kannte, bemerkte schnell: Rainer Krause war ein äußerst sensibler, gefühlvoller Mensch, was sich in allem ausdrückte, was er tat und wie er sich gab. Er war ein Mensch der leisen Töne, einer, so könnte man sagen, der über den „absoluten Geschmack“ verfügte, vergleichbar dem „absoluten Gehör“ bei Musikern, und der, was die kulturellen Seiten des Lebens betraf, ein stupendes Wissen besaß. Dafür sprechen auch seine Bibliothek, sein Wohn- und Lebensstil und seine mit Bedacht ausgewählte Kleidung. Fest und unerschütterlich in seiner Art und sicher im Urteil, besaß Krause große Überzeugungskraft. Rechthaberisch war er nie, konnte sich aber, wenn es seinem Gegenüber am Verständnis der Zusammenhänge mangelte, durchaus höflich distanziert geben. Sein Antrieb und sein Interesse, ja sein Herzblut waren darauf gerichtet, etwas Ordnung in die „große Welt des Designs“ zu bringen – bis hin zum persönlich-unternehmerischen Einsatz für die Sache. Dafür hat er „gebrannt“, konsequent bis zum Schluss. Ob als privater Sammler oder als Design-Unternehmer, Rainer Krause hat ein Stück Design- und Kulturgeschichte geschrieben.

Ruhe und sein persönliches Gleichgewicht fand er dabei nicht nur in Italien und auf Capri, sondern auch in Gärten und Parks. Was seine Liebe zu dem zu Schloss Hünnefeld gehörenden Refugium „Haus Sorgenfrei“ erklärt, das er zusammen mit seinem Partner zu einem zauberhaften Ambiente umgestaltete, in dem er bis zu seinem plötzlichen Tod lebte. Was er geschaffen hat, wird bleiben. Nicht zuletzt, weil Michael von Jakubowski eine Neuauflage der Klassiker mit Beginn April 2014 plant.


Der Autor Dr. Michael Peters ist nach seiner langjährigen Tätigkeit für die Messe Frankfurt als freier Unternehmensberater tätig. Von 1993 bis 2010 war Peters Mitglied der Geschäftsführung der Messe Frankfurt mit Schwerpunkt Konsumgüterindustrie. Michael Peters hat Betriebswirtschaftslehre in Düsseldorf und Frankfurt studiert.

www.anthologiequartett.de