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Klassiker erscheinen mittels Farbe in neuem Licht: „Chauffeuse“ von Living Divani. Foto © Martina Metzner, Stylepark
Farbgerichte, gut gewürzt
von Martina Metzner
20.01.2014

Wie viel Farbe darf’s denn sein? Oder wie viele Farben? Im Schlafzimmer, im Bad oder in der Küche? An der Wand, auf dem Boden – oder den Möbeln? Wie man Farbe gekonnt einsetzt, darüber haben sich schon viele Gestalter den Kopf zerbrochen. Le Corbusier etwa hat sein System aus 62 Farben streng komponiert, Sauerbruch Hutton setzen auf eine polychrome Fassadengestaltung, Designer wie Sebastian Herkner stellen die Farbgebung an den Beginn des Entwurfsprozesses. Fest steht, wer mit Farbe hantiert, der sollte ein feines Gespür für Tonwerte, Leuchtkraft und den Zusammenklang einzelner Töne entwickeln.

Farbe wird aktuell im Möbeldesign auf vielfältige Weise eingesetzt. Das ist für viele keine Überraschung mehr. Die Entwicklung begann etwa vor zwei Jahren und der Trend hat sich seitdem mehr und mehr ausgebreitet. Die Lust auf farbigeres Wohnen ist nach wie vor groß. Auch auf der imm cologne erschienen Möbel aller Art mittels Farbe in neuem Licht und wirkten durchweg aufgefrischt. Wie genau stellen sich also die neuen Farbwege dar? Wie wurden sie weitergedreht, weitergemischt?

Alles so schön bunt hier, vor allem in Halle 3.2. bei den Pure Editions. Hier sind es skandinavische Hersteller wie Gubi, Muuto und &tradition, die ihre Stände edel, aber auch fröhlich und bunt bestückt haben. Sitzgarnituren werden gern in Knallgelb („Mayor Sofa AJS“ von Arne Jacobsen und Flemming Lassen bei &tradition), Pink („Oslo“ Sofa von Andersson & Voll für Muuto) oder Orange (Sofa „Swell von Jonas Wagell, Normann Copenhagen) gezeigt. Womit sich starke Akzente im Wohnraum setzen lassen, der farblich komplett durchkomponiert erscheint, und in dem Weiß nicht einmal mehr als kleiner Fleck vorkommt. Weniger bunt geht es bei eher konservativen Anbietern in Halle 11.2. zu – dort herrscht immer noch gedämpfte Stimmung, allerdings nicht nur mehr allein in Grau und Braun. Hier und da funkeln Sitzgelegenheiten in Bordeaux, in dunklem Tannengrün oder Marineblau. Auch da also Farbe, wenn auch dezent und in Einklang mit den Materialien des gehobenen Standards, wie sie nicht nur in Hotels gerne eingesetzt werden. Wie sich in Köln beobachten ließ, existieren derzeit wenigstens sechs verschiedene Farbwelten nebeneinander.

Farbwelt Nummer 1: Gut eingeführte Modelle neu coloriert.

Das erscheint sinnvoll, wenn man bedenkt, dass wirkliche Innovationen Mangelware sind und nicht wenige Hersteller mit modernen Klassikern gute Geschäfte machen. Vitra etwa hat vergangene Saison begonnen, Möbelklassikern wie dem „Hang it all“ von Charles & Ray Eames oder Jean Prouvés „Standard Chair“ neue Farben zu verpassen. Das hat sich nun weiter durchgesetzt: Thonet etwa präsentierte auf der imm cologne den Klassiker „S 43“-Stuhl von Mart Stam in lackiertem Stahlrohr in sieben Farben. Und Classicon zeigt den „Pallas“-Tisch sowie den Beistelltisch „Diana“ von Konstantin Grcic in einer neuen Farbpalette.

Farbwelt Nummer 2: Farben eines orientalischen Gewürzmarktes.

Curry, Safran, Pfeffer, Paprika – selbst Konstantin Gricic konnte diesen Zutaten nicht widerstehen und hat seine Tische „Pallas“ und „Diana“ für Classicon in sieben Farben getaucht, die an die Pigmente von Gewürzen erinnern. Auch beim dänischen Teppichhersteller Kasthall schwelgt man in orientalischer Stimmung mit Ocker, Bordeaux, Orange zu Petrol und Braun. Und bei Vitra scheint uns das „Alcove“-Sofa der Bouroullec-Brüder mit seinem sonnigen Currygelb und kräftigem Magenta direkt zu einem Stoffhändler für indische Saris bringen zu wollen.

Farbwelt Nummer 3: Mittlere Töne als Zeitzeugen der 1950er Jahre

sind im Zuge des stilistischen Rückgriffs auf diese Epoche allgegenwärtig. Selten reine, vielfach gebrochene und gemischte Farbtöne besänftigen die Sinne und ermöglichen ein Wohnen mit dezenten Farbakzenten. Ein gedämpftes Pistaziengrün, ein milchiges Mittelblau oder ein nachgedunkeltes Orange. Beispielsweise bei „Cosse“, dem neuen soften Zweisitzer von Philippe Nigro für Ligne Roset, der in einem Grau-Beige-Grün-Gelb auf fragilen Holzfüßchen erscheint.

Farbwelt Nummer 4: Natürliche Farben skandinavischer Landschaften.

Nicht nur bei der Formensprache, auch bei der Farbgebung schaut man verstärkt gen Norden. Dänen, Schweden und Norweger haben viel Natur und viel Meer. Daher sind Grün und Blau aber auch Steingrau und Beige maßgeblich für diese Richtung. Bei Tolix etwa sind es die Stühle in Mittelblau und Schilfgrün, gar in matter Lackierung, wie bei den Autos. Besonders gut hat Eric Degenhardt für Böwer diese skandinavischen Farben umgesetzt. Auch wenn er immer noch „einen wahnsinnigen Drang zu Grau“ habe, wie er uns verrät, so zeigt er auch blaue Grundtonalitäten, wobei er mit wenigen Gegenständen wie einem grünen oder petrolfarbenen Tisch frische Akzente setzt.

Farbwelt Nummer 5: Mädchenträume in Pastellnuancen.

Von Modehäusern wie Chanel, Chloé, Dior und Céline in den letzten Saisons stark forciert, sind diese pastelligen Kompositionen mittlerweile zu einem veritablen Konzept im Wohnraum herangereift. Komplette Räume in weichem Babyrosa, zartem Himmelblau, frischem Lindgrün und edler Vanille. Zu sehen gibt es das – teils schon seit ein paar Saisons – bei Herstellern wie Zeitraum (dezent in punktuell eingesetzem Limonengelb an Tischkante und Hocker), bei GAN/Gandia Blasco, wo Patricia Urquiola ihre verträumte Farbspur hinterlassen hat und nicht zuletzt in Louise Campbells „Haus“, das mit seinen zarten Farben und Nuancen von Weiß und Rosé wie aus einem Märchen zu stammen schien.

Farbwelt Nummer 6: Farbblitzer in grellen Neon-Tönen

gibt es nach wie vor, auch wenn sie längst nicht mehr so jung, sportiv und dynamisch wirken. Wenn etwa bei Tom Dixon der neue „Y“-Chair oder bei Böwer die Holzbehälter „Container“ in Textmarkergelb als Akzent in einem Raum erscheinen, so sind sie das Pendant zum knalligen Sneaker, dem man zum schwarzen Anzug trägt. Wer aus dem Grau in Grau der Städte hervorstechen möchte, der braucht diese Leuchtfarben.

Mögen die Neunziger im Nachhinein betrachtet recht grau erscheinen und nachdem das neue Jahrtausend mit frischem und unverbrauchtem Weiß gestartet ist, so scheint es, als würden wir nun in eine bunte Phase eintreten. Doch wie fast immer, so gilt auch hier: Auf die Mischung kommt’s an. Überraschende Farbkompositionen eingeschlossen.

Die Reise in unterschiedliche Farbwelten indes geht noch weiter. Auf den Stoffmessen werden bereits die Farben von Überübermorgen verkündet. Folgt man der Mode, so wird uns bald ein einheitliches monochromes Farbbild beschert werden. Dann heißt es beispielsweise: ein roter Raum mit roten Möbeln, Lampen und Tischen in fein abgestufter Nuancierung. Wer weiß, vielleicht bekommt der Begriff der Eintönigkeit dann ja endlich eine positive Bedeutung.

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Die aufgeheiterte Moderne: Statt auf Neues setzt man auf ein Update des Bewährten und revitalisiert die Moderne.
(17. Januar 2014)

Farbe auch bei den Italienern, wenn auch dezent: „Febo“ bei Maxalto.
Foto © Sabrina Spee, Stylepark
Mut zur Monochromie! Am Stand von Vitra. Foto © Martina Metzner, Stylepark
Hier ist der Zitronenfalter vorbeigeflattert: „E8 Bank“ von Mathias Hahn für Zeitraum.
Foto © Martina Metzner, Stylepark
Puderträume bei Cor: „Conseta”. Foto © Martina Metzner, Stylepark
Jungdesignerin Joa Herrenknecht macht jetzt Teppiche in Sorbetfarben: „Isla”.
Foto © Martina Metzner, Stylepark
Pastellige Vanilleeiskompositionen bei Cor. Foto © Sabrina Spee, Stylepark
Chez Mademoiselle: bei Wogg. Rechts: am Stand von &tradition.
Fotos © Martina Metzner, Stylepark
Husk-Beistelltisch mit Corten-Finish bei B&B Italia Outdoor. Foto © Martina Metzner, Stylepark
Auf Senf lässt es sich gut sitzen: „Rest“ von Anderssen & Voll für Muuto. Foto © Sabrina Spee, Stylepark
Designer Philippe Nigro auf seinem Sofa „Cosse” für Ligne Roset. Foto © Martina Metzner, Stylepark
Midtones auch bei Pulpo. Foto © Leyla Basaran, Stylepark
Links: „Coral" von Softline. Rechts: „In Between SK” by Sami Kallio für &tradition. Foto © Sabrina Spee, Stylepark
Gut gewürzt: „Sharky” von Kristalia. Foto © Martina Metzner, Stylepark
„Unreine" Farben wie in den 50ern: Bei Tolix (unten) und „Gentle” von Eric Degenhardt für Böwer. Foto © Martina Metzner, Stylepark
Neon lässt blitzen: 1. bei Schönbuch, 2. bei e15 und 3. bei Böwer. Foto © Sabrina Spee, Stylepark
Erfrischende Sitzgelegenheit bei Piure. Foto © Sabrina Spee, Stylepark
„Starbuck M” von Supergrau – der Name ist Programm.
Foto © Sabrina Spee, Stylepark
Skandinavisch Blau: bei Acoustic Pearls (oben) und Tribù.
Fotos © Martina Metzner, Sabrina Spee, Stylepark
Blaues Sitzwunder: „Cut” von Lapalma. Foto © Sabrina Spee, Stylepark