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Zwischen Tannenzapfen und Kakteen: Am Stand von Cone Golben Lighting werden unterschiedliche Lichtobjekte der Designerin Ann Anerson präsentiert.

Formex Design Messe
Im Wohlfühl-Treibhaus

von Paula Pohle | 16.09.2016

In Stockholm wird der Besucher wie immer von prächtigen Stadthäusern und königlichen Palästen, gut gekleideten Menschen und durchdesignten Bäckereien, Restaurants und Bars empfangen. Was sich einem in dieser Stadt aufdrängt, ist das Gefühl, sich in einem umfassend gestalteten Lebensumfeld zu befinden, in einer Großstadt, der es an nichts zu fehlen scheint: Die gepflasterten Plätze in der „Gamla Stan“, der Altstadt, erinnern an eine spanische Plaza oder eine italienische Piazza, die großzügigen Straßenachsen im Norden der Innenstadt gleichen denen von Paris – während das Soho von Stockholm das ehemalige Arbeiterviertel „Södermalm“ sein könnte: Hier, wo sich die junge Kreative-Szene niedergelassen hat, trifft man zwischen trendigen Cafés und Shops auf viele kleine Ateliers und Designstudios.

Da Stockholm neben Kopenhagen und Helsinki zu den nordischen Designmetropolen zählt, findet hier alljährlich neben der Stockholm Furniture Fair auch die Formex Design Fair statt. Mit jährlich rund 25.000 Besuchern ist sie die größte Interieur Messe in Skandinavien. In diesem Jahr haben 988 Aussteller ihre Produktlinien präsentiert – von Möbeln, Textilien bis zu vielerlei Accessoires für den Wohnbereich. An den dicht gedrängten Messeständen konnte man allerlei skandinavisch inspirierte Wohnidyllen in diversen Erdtönen und floralen Formen bestaunen, wobei die Hersteller – wie auf solchen Messen üblich – ihre Produkte oft auf Tischen und Sofas zu ausladenden nordischen Stillleben arrangierten. Nicht selten hatte der Besucher das Gefühl, von einer geballten Ladung skandinavischer Heimeligkeit regelrecht überfallen zu werden.

An den Messeständen der zwanzig skandinavischen „Young Designers“ fanden sich eine Reihe unkonventioneller Produktentwürfe und skulpturaler Objekte.
Inspiriert von den Farben und Formen des Waldes: Vorhänge und Stoffmuster am Stand von Fondace.

Nordic Me! - Nature Me!

Tradition und Handwerk werden nach wie vor großgeschrieben und tauchen als Leitbegriffe in fast allen Broschüren der skandinavischen Manufakturen auf: In traditionellen Webtechniken hergestellte Vorhänge, Stoffe und Bezüge sind ebenso zu finden wie solide gefertigte Holzmöbel oder Stecksysteme aus hellen, einheimischen Hölzern wie Fichte, Birke oder Kiefer. „Nordisch“ meint hier noch immer „naturnah“, Motive aus Flora und Fauna sind unverändert en vogue – Muster, Formen und Materialien treten, von der Natur inspiriert, bildhaft auf und sollen eine angenehme Atmosphäre schaffen. Selbst für neue Produkte werden Formen aus der Natur adaptiert: Bei Skultuna etwa kann man von vergoldeten Blättern als Topfuntersetzer bis zu vergoldeten Blumenkübeln jede Menge Dinge finden, die sich ausdrücklich an dem Formenreparetoire der Natur bedienen. „Nordic Me“, das Thema einer Ausstellung im Eingangsbereich, bedeutet eben immer auch „Nature Me“. So gibt es denn auch dekorative Objekte wie ein Tisch-Gewächshaus für kleine Pflanzen vom Design House Stockholm oder Pendelleuchten, die gleichzeitig als hängende gläserne Blumenkübel fungieren. Ein Teelicht wird in einen Tannenzapfen aus mundgeblasenem Glas der Målerås Glasfabrik gebettet – und das Salatbesteck aus Edelstahl, das die Designerin Monika Förster für die schwedische Besteck-Manufaktur Gense entworfen hat, trägt ein Lochmuster, das an Blattstrukturen erinnert.

Dekoratives Tisch-Gewächshaus „Grow“ von Caroline Wetterling für Designhouse Stockholm.

Von den Wäldern bis in die Tropen

Die skandinavischen Hersteller präsentieren sich aber nicht nur naturverbunden, sondern auch weltoffen. Sie schlagen einen weiten Bogen und mischen das herkömmliche Repertoire an nordischen Mustern neuerdings mit allerlei exotischen Pflanzen, woraus zuweilen ein wild wucherndes Arrangement erwächst, in dem es buchstäblich kreucht und fleucht: Kissen werden von Käfern besiedelt, mit bunten Federn geschmückt oder in erdigen Tönen mit Motiven von Laubbäumen und Palmen bedruckt. Bei dem schwedischen Textilhersteller Jakobsdals legt sich Samt sogar wie Moos in einem Farbspektrum elegant über Sofas, das von Grün über Braun bis Blau reicht und eine ganze Kollektion prägt.   

Neben vielen kleineren nordischen Herstellern und Manufakturen sind freilich auch global agierende Firmen vertreten, etwa die dänische Marke Stelton mit weißen Porzellanserien und den Thermoskannen LS 900. Wie die Stockholm Furniture Fair setzt auch die Formex bewusst auf Jungdesigner. Und auch hier fällt auf: Ihre Kreationen sind sichtbar weniger konventioneller gestaltet und oft skulpturaler gedacht: Die sandige Struktur der Keramikschalen aus der Serie „Fossilien“ von Studio Ektableware und die brüchige Struktur der Ton-Ringe von Matilda Beckmanns Kerzenständer werden zum dekorativen Ornament und verleihen den Objekten einen amorphen Ausdruck.

Wildes Getümmel und buntes Gefieder am Messestand von Lulu Carte Design.
Moosgrün und Erdtöne bei Jakobsdals aktuellen Polstermöbeln, Kissenbezügen und Stoffen.

Es regieren die Varianten

Womöglich gerade deshalb, weil die Bandbreite dessen, was die skandinavischen Aussteller auf der Formex präsentiert haben, auch in diesem Jahr recht groß war, entwickelte sich unter dem Motto „Nordic Me“ kein klares Profil. Die Verbindung von Naturbezug und Produktgestalt blieb oft zufällig und vage – wobei das Repertoire an wiederkehrenden Formen und Farben sich zwar gut für dekorative Accessoires, aber weniger für das Design durchdachter und überzeugend gestalteter Alltagsgegenstände eignet. So regieren den Markt in Skandinavien derzeit eher Varianten von Altbewährtem statt Überraschungen. Persönliche Wohnträume lassen sich damit aber trotzdem erfüllen.

Von Bambus-Lampions bis Palmenwedel: Die Produktpalette des niederländischen Einrichtungshauses HK Living auf der diesjährigen Formex Designmesse.
Die Pendelleuchte „Hole“ von Tess Palm für Globen inszeniert Pflanze und Lichtobjekt gleichermaßen.
Ebenfalls für Globen: die Leuchte “Acorn“ von Patrick Hall.
Tropische Tarnkleidung: Die neue Kollektion von Clinton Friedman ist bedruckt mit Bildern exotischer Pflanzen und Tiere.
Vergoldetes Blattwerk: Topfuntersetzer „Trivet-Lands-End“ von dem schwedischen Designbüro Objecthood für Skultuna.
Schwedische Naturlandschaft auf dem Tisch? Die neue Produktlinie des Design-Duos Kylberg und Bernadotte für Stelton heißt „Stockholm –Aquamatic“.
Außen sandig, innen seidig glatt: Die Objekte aus der Serie „Fossilen“ von Studio Ektableware.
Mundgeblasen und biomorph geformt: Nina Johanna Christensens Glasvasen.
Gewachsene Muster: Tablets der Jungdesigner von Studio Formata.
Brüchige Angelegenheit: Matilda Beckers Kerzenständer aus der Serie „Craft Kiosk“.