top
„Schwerer Ausnahmefehler in Piiiepfrz.exe - möchten Sie neu starten?" – ein Exemplar des „R2D2" aus den Star Wars-Film begrüßt die Besucher in der Ausstellung „Hello, Robot“ im Vitra Design Museum – leider nicht mehr als ein Filmkostüm.

Wir sind die Roboter

Das Vitra Design Museum zeigt „Hello, Robot“. Eine Frage der Ausstellung lautet: Werden die Maschinen uns oder wir ihnen dienen?
von Sophie Lovell | 20.02.2017

Eines der ersten Exponate, das der Besucher in der neuen Ausstellung „Hello Robot: Design zwischen Mensch und Maschine“ im Vitra Design Museum zu Gesicht bekommt, ist ein „R2D2“-Modell aus einem „Star Wars“-Film. Das ist bemerkenswert, denn schließlich handelt es sich hierbei gar nicht um einen richtigen Roboter, sondern um eine Requisite mit anthropomorphen Merkmalen, für die es Schauspieler, Fernbedienungen und eine großzügige Berieselung mit CGI-Feenstaub braucht.

Die anspruchsvolle und sehr umfangreiche Ausstellung widmet sich unserer bis heute ambivalenten Haltung gegenüber „Robotern“ und auch der Frage wie sich diese Beziehung in der Zukunft entwickeln könnte. Tatsache ist, dass die Schnittstelle zwischen Mensch und Roboter mehr mit Theater als mit echter Wissenschaft zu tun hat – auch heute noch. Der Cyberpunk-Autor und Zukunftsforscher Bruce Sterling, der einer der Berater für die Ausstellung war, erklärt: „Ein Roboter ist eine theatralische Apparatur, die ein tschechischer Dramatiker erfunden hat“. Der eigentliche Begriff „Roboter“ stammt vom tschechischen Wort „robota“ ab, was so viel bedeutet wie „Zwangsarbeit“. Geprägt wurde er von dem Bühnenautor Karel Čapek, der ihn 1920 für sein Stück R.U.R. erstmals benutzte. Darin ging es um roboterhafte Arbeiter, die für die Erfüllung von Arbeitsaufträgen konzipiert sind, am Ende aber die Menschheit zerstören. „Die äußerst finstere Herkunft von Robotern fanden wir doch schon immer gut“, so Sterling. Der Grundgedanke ist so alt wie die Domestizierung oder die Sklaverei und es geht dabei stets um die zentrale Frage: Werden sie uns angreifen oder werden sie uns dienen?

Szene aus dem Film „The Man Machine“: Der Begriff Roboter geht auf das Tschechische „robota“ zurück, was so viel bedeutet wie „Zwangsrbeit“.
Viele, viele kleine Blechbüchsen: Spielzeug-Roboter aus einer privaten Sammlung.

Die Kuratorin Amelie Klein möchte uns aber zu einer wesentlich breiter gefassten Betrachtung von Robotern auffordern. „Es geht nicht um Technologie, es geht um Ideologie“, sagt sie. „Wir gehen immer davon aus, dass Roboter eine humanoide Form haben. Sie sollen sich so bewegen, denken und kommunizieren wie wir.“ Wenn wir aber akzeptieren, dass Roboter „nicht von einem Körper umschlossen sein müssen“ und laut Carlo Ratti, Direktor des Senseable City Lab des MIT, nur drei Dinge benötigen: „Sensoren, Intelligenz und Antriebselemente“, dann heißt das auch, dass „jedes Haus und jede Umgebung ein Roboter sein kann“. Von Software-Bots, die im Internet unsere Fragen beantworten, bis zu den Cyborg-ähnlichen Systemen, die unsere Smartphones beziehungsweise den Verkehr in unseren Städten steuern. „Ich habe kein Problem mit Robotern“, sagt Klein, fährt aber fort „ich finde riesige Netzwerke bedenklich. Denn wer weiß welche Interessen sich eigentlich dahinter verbergen?“

Das übergreifende Thema des ersten Teils der in vier Abschnitte gegliederten Ausstellung ist: Wissenschaft und Fiktion. Es geht darum, in welchem Maße die Populärkultur unsere Vorstellung von Robotern geprägt hat – angefangen vom berühmten Androiden aus Fritz Langs „Metropolis“ bis zu „K.I.T.T.“, dem intelligenten Sportwagen aus der Fernsehserie „Knight Rider“ aus den 1980er Jahren, japanischen Sci-Fi-Gundam-Serien und der egozentrischen Biegeeinheit Bender aus „Futurama“ zusammen mit Beispeilen von alten Spielzeugrobotern aus der Privatsammlung vom ehemaligen Vitra Vorstandsvorsitzenden Rolf Fehlbaum. In einem nächsten Schritt wird der Besucher in das weniger vertraute Terrain des spekulativen Designs eingeführt. In dem 2015 veröffentlichten Film „Uninvited Guests“ von Superflux kontrollieren fiktive intelligente Objekte jede Bewegung eines älteren Mannes, obwohl sie ihm eigentlich nur Hilfe leisten sollen. In der Studie „Ethical Autonomous Vehicles“ von Matthieu Cherubini werden hingegen auf der Basis von Algorithmen Unfälle zwischen Menschen und selbstfahrenden Autos simuliert.

Der Hersteller ist sich sicher: „YuMi“ ist der „erste und absolut sichere kollaborative Roboter“. Einen Kopf besitzt er leider nicht.
Keiner kennt ihre Bedeutung: Eine Maschine der Künstlergruppe Robotlab schreibt in der Ausstellung fleißig Manifeste.

Im zweiten Teil der Ausstellung Industrie und Arbeitswelt geht es um die Veränderung der Beziehung zwischen Mensch und Industrieroboter. „YuMi“ ist ein von der Schweizer Firma ABB entwickelter Industrieroboter für die Montage von Kleinteilen, der aufgrund seiner Sensoren mit Menschen zusammenarbeiten kann. Es sei, so propagieren die Erfinder, der „weltweit erste und absolut sichere kollaborative Roboter“. Er ist wegbereitend, weil eine derartig leistungsstarke und auch potenziell gefährliche Apparatur, die bislang nur mit Schutzvorrichtungen in der Fabrikumgebung eingesetzt werden konnte, nun Seite an Seite gemeinsam mit dem Menschen eine Aufgabe erfüllen kann. In diesem Abschnitt der Ausstellung finden sich zudem Möbel und Objekte, die von Maschinen gedruckt und in manchen Fällen auch entwickelt wurden, wie der Freischwinger von CurVoxels, der an der Bartlett School of Architecture in London im 3D-Druck gefertigt wurde.

Ein anderer Industrieroboter in diesem Raum, der von der deutschen Künstlergruppe Robotlab programmiert wurde, schreibt fleißig Manifeste. Diese Manifeste werden zufällig generiert und machen Sinn, allerdings kennt der Roboter ihre Bedeutung nicht, das heißt Semantik spielt hier keine Rolle. Insofern ist „die menschliche Fantasie der Wirklichkeit immer noch weit voraus“ erklärt Ulrich Speisshofer, der CEO von ABB, der „YuMi“ gebaut hat. Obwohl es scheint, als ob die vierte industrielle Revolution schon weit fortgeschritten sei, muss der Hype doch erst einmal Realität werden. Werden Roboter uns unsere Arbeitsplätze wegnehmen? „Diese Frage treibt die Menschen bereits seit der ersten industriellen Revolution um“, so Klein, „vielleicht entstehen durch sie aber einfach nur neue Formen von Jobs“. 

Was wird eigentlich aus einem elektronischen Haustier, wenn die Ersatzteile fehlen? Das haben sich auch die Besitzer von „Aibo“ gefragt, nachdem Sony die Produktion des Roboter-Hunde eingestellt hatte.

Im dritten Teil der Ausstellung mit dem Titel „Freund und Helfer“ geht es um den Uncanny-Valley-Effekt. Dieser beschreibt das Phänomen, dass ein möglichst menschenähnlich konzipierter Roboter ab einem gewissen Punkt nicht mehr als ansprechend, sondern als unheimlich empfunden wird. Im Mittelpunkt steht hier das emotionale Erleben von Robotern: Roboter als Pfleger, als Gefährten, als Babysitter oder für Cybersex. „Es braucht nur wenig, um einen Roboter zu humanisieren“, erklärt Klein, bevor sie sich umdreht und eine kleine weiße Gelenkarmleuchte anschreit, die sich daraufhin, offensichtlich eingeschüchtert, zusammenduckt – „Kip“ von Guy Hoffman und Oren Zuckerman. Die Leuchte reagiert auf die erhobene Stimme und zittert, was wiederum eine empathische Reaktion der Personen im Raum bewirkt, die bestürzt „Ooooh“ rufen.

Auch Amazons „Alexa“ ist zur Stelle, ein Objekt, das zuhause als Interface fungiert. Es verfügt über Sprachsteuerung und Audioerkennung, um den Nutzer mit dem Smart Home und dem Internet der Dinge zu verbinden. An diesem Punkt kommen die kommerziellen Interessen und die Kontrolle durch große Konzerne ins Spiel, allerdings sind wir nicht etwa Konsumenten, sondern „Nutztiere“ wie Bruce Stirling es formuliert. 

Als filmische Beispiele sehen wir hier Szenen aus „Her“ von Spike Jonze und „All is Full of Love“ von Björk und Chris Cunningham, denen Filmstills einer Trauerzeremonie für den Roboterhund „AIBO“ in Japan gegenübergestellt werden. Nachdem Sony die Produktion 2014 eingestellt hatte, gab es einen großen Aufruhr unter den „AIBO“-Besitzern, die den Konzern beschuldigten ihre langjährigen Haustiere zu töten, weil keine Ersatzteile mehr gefertigt wurden

Deine blauen Augen machen mich so sentimental: „Musio K" von Gina Leon und Zos Lee.

Amelie Klein geht davon aus, dass Design für unser zukünftiges Verhältnis zu künstlicher Intelligenz eine wesentliche Rolle spielen wird. Denn durch Design können wir jene dystopisch/utopische Dialektik aufbrechen, die wir um unsere Roboterschöpfungen aufgebaut haben. Wenn jedoch der emotional ansprechend konzipierte Roboter bereits moralische Bedenken hervorruft, weil wir ihm nur allzu gerne menschenähnliche Eigenschaften zusprechen, dann müsste der Roboter, der unseren eigenen Körper optimiert oder erweitert, doch eigentlich als noch gefährlicher empfunden werden.

Im letzten Teil der Ausstellung geht um diese Verschmelzung von „Mensch und Robotik“, hier findet sich beispielsweise die wunderschön anzuschauende Skulptur „Hylozoic Grove“ des kanadischen Architekten Philip Beesley, ein natürlich wirkendes, aber im Prinzip rein dekoratives, kinetisches korallenähnliches Gewebe. Oder Anouk Wipprechts nicht weniger spektakuläre und dekorative Spielerei „Spider Dress 2.0“. Mehr Wissenschaft als Theater sind allerdings die Fortschritte bei intelligenten Prothesen und Exoskeletten, mit deren Hilfe gelähmte Personen laufen können oder die dem Träger übermenschliche Kräfte verleihen. Es ist wirklich bemerkenswert, dass wir derart kybernetische Eingriffe bereitwillig akzeptieren, auch wenn das Implantate in unsere Körper oder Gehirne einschließt. Die künstlichen Bienen „NewBees“ des spekulativen Designprojekts von Greenpeace empfinden wir hingegen schnell wieder als unheimlich. Dabei sollen sie die Bestäubung (und damit den Erhalt des Planeten) sicherstellen, da es durchaus vorstellbar ist, dass es in naher Zukunft aufgrund unserer Ignoranz keine lebenden Bienen mehr geben wird.

Unsere Ambivalenz angesichts der von uns selbst entwickelten künstlichen Intelligenz scheint, trotz aller Bemühungen der Kuratoren, nicht weichen zu wollen, denn sie reflektiert in gewisser Weise auch die ambivalente Beziehung zu uns selbst. Die Zukunft naht und wir haben sie selbst gestaltet. Wir sollten uns also wappnen, oder uns zumindest mental auf die Auswirkungen einstimmen.


Ausstellung:
Hello, Robot. Design zwischen Mensch und Maschine
Vitra Design Museum
Weil am Rhein
bis 14.05.2017

Katalog:
Hello, Robot. Design zwischen Mensch und Maschine
Hrsg. von Mateo Kries und Amelie Klein
324 Seiten, 253 Abbildungen
Vitra Design Museum
ISBN 9783945852101
49,90 Euro

Vision autarken Lebens: Bei den „EcoPods“ von Höweler + Yoon setzen Roboterarme Algen, die Energie liefern, in eine Fassade ein.
Mensch trifft Roboter: Im letzten Teil der Ausstellung werden intelligente Exoskelette (links) oder zukünftige Kleidung wie das „Spider Dress 2.0“ von Anouk Wipprechts gezeigt (ganz rechts).