Wenn Paola Antonelli durch die Designabteilung des Museum of Modern Art (MoMA) in New York führt, fangen ihre Augen an zu funkeln. Zu jedem Objekt kennt die Kuratorin für Architektur und Design eine Geschichte, zu den meisten Designern hat sie einen persönlichen Draht. Die Begeisterung, mit der sie Ideen, Konzepte und Hintergründe erläutert, ist ansteckend. Design widme sich natürlich dem Nützlichen, lässt sie in einen Nebensatz einfließen und setzt dann zu einem Aber an: „Das alleine reicht nicht. Design muss immer auch ästhetisch sein“, sagt sie überzeugt und fokussiert den nächsten Gegenstand. „Born out of necessity“ heißt die derzeitige Designausstellung im MoMA. Für sie hat die Kuratorin und studierte Architektin Gegenstände aus dem Fundus der permanenten Sammlung des Museums zusammengestellt.
Der gemeinsame rote Faden dieser Objekte: Sie alle lösen ein Problem und verbessern den Alltag. Oft unterscheiden sich die ausgestellten Objekte radikal von der gängigen Formensprache des modernen Funktionalismus. Manche kommen simpel und einfach daher, andere wiederum sind Meisterleistungen der Ingenieurskunst. Sie alle greifen Bedürfnisse und Notwendigkeiten auf, widmen sich drängenden Fragen der Ökologie oder Technologie, oder sogar der Überbevölkerung und des Kleidungskodex für gläubige Muslima. „Capsters“ nennen sich die Kopfbedeckungen der jungen belgischen Designerin Cindy van den Bremen. Sie ersetzen die klassische Hijab, die Kopfbedeckung von Muslima beim Sport, sind einfach zu handhaben und können sogar zum Schwimmen oder Surfen eingesetzt werden. „Das ist eines meiner Lieblingsobjekte“, schwärmt Paola Antonelli und bleibt vor einem einfachen, durchsichtigen Kunststoffzylinder stehen. Die Vorrichtung heißt „Watercone“ und verwandelt Grauwasser oder Salzwasser mit Hilfe der Kondensation durch die Sonne in Trinkwasser. „1,6 Liter frisches Wasser können so pro Tag gewonnen werden“, sagt Antonelli – in wasserarmen Regionen sei das lebenswichtig.
Etwa 5.000 Gegenstände umfasst die permanente Designsammlung des Museum of Modern Art. Viele der Objekte sind die meiste Zeit im Archiv in Queens gelagert – zum Beispiel der Truck Utility ¼ Ton Jeep – ein robustes, unverwüstliches Fahrzeug – der klassische amerikanische Jeep. „Wir haben einige Autos in der Sammlung“, so Paola Antonelli. „Ich hätte gerne auch eine Boeing, aber dafür reicht leider der Platz im Archiv nicht aus.“
1929 wurde das Museum of Modern Art gegründet. Die Non-Profit-Institution finanziert ihre Aktivitäten mithilfe von Sponsoren, die ab einer Spende von 500 amerikanischen Dollar in der „Annual List of Donors“ aufgenommen werden. Das Spendensystem selbst ist ebenso einfach und durchschaubar wie differenziert. Denn gespendet wird für konkrete Projekte. Ausstellungen beispielsweise, Events, das MoMa PS1 in Queens oder der Education Support können finanziell unterstützt werden. Den in Europa oft üblichen Papierkram haben die Organisatoren des Funding-Systems am MoMA auf ein simples Online-Formular reduziert. So einfach kann spenden sein. Es geht natürlich auch größer: Die Kraftwerk-Konzerte, mit denen die Düsseldorfer Pioniere der elektronischen Musik erst kürzlich überwältigende Erfolge im Foyer des Museum of Modern Art feierten, wurden durch Volkswagen als Sponsor ermöglicht. Eine umfangreiche Partnerschaft des Wolfsburger Autokonzerns mit dem MoMA ist auf mehrere Jahre angelegt.
„Als ich 1997 eine Ausstellung kuratierte, hatte das MoMA noch keine Internetseite“, erinnert sich Paola Antonelli zurück an ihre ersten Eigenversuche im Webdesign. Heute profitiert die Kunstinstitution wie kaum eine andere von den vielseitigen Online-Möglichkeiten und hat längst eine weltweite Online-Community hinter sich versammelt. Natürlich ist auch das Archiv der Designabteilung digitalisiert und als Datenbank abrufbar. Die Erläuterungen der einzelnen Gegenstände von unterschiedlichen Kuratoren sind manchmal sogar als Audiofiles hinterlegt – und natürlich können sie auch als Link auf Facebook oder Twitter eingebettet werden. Die MoMA-Community, soviel steht fest, wird ganz sicher noch wachsen – und auch dank Paola Antonellis Engagement weiter gedeihen.
Born out of Necessity
Von 02. Mai 2012 bis 28.01. 2013
MoMA, New York
www.moma.org