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ISH 2023 – Review
Zwei Welten

Vier Jahre ist es her, dass die Weltleitmesse für Wasser, Wärme, Luft ihre Tore in Frankfurt am Main öffnen konnte. Vom 13. bis 17. März 2023 durften die Gäste nun eine ISH erleben, deren AusstellerInnen verstärkt autarke, nachhaltige Alternativen boten sowie für eine effizientere Nutzung von Wasser und Energie forschen.
von Anna Moldenhauer | 20.03.2023

Wie dringend die Suche nach neuen Ansätzen angesichts von Krieg, Pandemie und Wirtschaftskrise auch in der SHK-Branche geworden ist, ließ sich bereits an den völlig überfüllten Messehallen des Bereiches ISH Energy ablesen. "Wann können Sie liefern?" war eine der Fragen, die mit Blick auf die neuen Produkte und Systeme am häufigsten auf den Messeständen zu hören war. 2.025 AusstellerInnen aus 54 Ländern brachte die ISH in Frankfurt am Main zusammen und bot somit ideale Voraussetzungen für den Austausch innerhalb der Branche zugunsten marktfähiger, nachhaltiger Lösungen. "Alleine in Europa entfallen rund 40 Prozent der insgesamt verbrauchten Energie auf den Gebäudesektor. Das zeigt die große Hebelwirkung des Bereichs bei der Erreichung der Klimaziele und die gesellschaftspolitische Relevanz der damit verbundenen Themen. Sie stehen im Mittelpunkt der ISH und machen die Weltleitmesse zu dem Treffpunkt, um sich über innovative Lösungen zu informieren und die Weichen für eine nachhaltige Zukunft zu stellen", so Wolfgang Marzin, Vorsitzender Geschäftsführer der Messe Frankfurt.

Zu den vorgestellten Lösungen gehörten somit aktuelle Hybrid-Wärmepumpentechnologien wie intelligente Automationssysteme; die Beimengung von Wasserstoff wurde ebenso diskutiert wie eine Optimierung der Solartechnologie. Energie sparen, Kosten senken und CO2 reduzieren waren die Leitthemen der ISH Energy. Der Heizungsexperte Stiebel Eltron fasste diese in drei Zonen: "Wärmepumpe und Lüftung im Neubau", "Dekarbonisierung in der Immobilienwirtschaft" und "Heizungsmodernisierung mit Wärmepumpe". Siemens stellte neben IoT- und Cloud-basierten Lösungen für intelligente Gebäude auch sein Wasserstoff-Portfolio für Heizkessel in Wohngebäuden vor, die den künftigen Energiebedarf nachhaltig und sicher decken sollen. Abora Solar bot ein Solarmodul mit einem Wirkungsgrad von 89 Prozent und erreichte damit einen zertifizierten Weltrekord: Das Hybrid-Solarmodul mit aHTech-Technologie erzeugt die gleiche Energie wie vier Photovoltaikmodule. Bosch zeigte mit der Luft-Wasser-Wärmepumpe "Compress 6800i AW" eine energiesparende, vollelektrische und leise Wärmepumpe, die mit dem natürlichen Kältemittel R290 betrieben wird und sich sowohl für Sanierungen wie Neubauten eignet. Interessant ist zudem der Energiemanager des Herstellers, der den selbstproduzierten Solarstrom intelligent im Smart Home verteilt und somit Stromkosten spart. Viessmanns Programm auf der ISH umfasste sowohl technische wie ästhetische Lösungen: Für die "Vitocal" Wärmepumpen muss kein Brennstoff wie Öl oder Gas verbrannt werden, stattdessen wird die Umweltenergie aus der Umgebungsluft, dem Grundwasser oder dem Erdreich genutzt. Das spart Ressourcen und verringert die Kohlenstoffdioxid-Emission. Parallel hat Viessmann den Technikraum neu gedacht und präsentierte mit "Viessmann Invisible" ein kompaktes System, das mit der Optik eines Wandschrankes und drei unterschiedlicher Aufstellvarianten in jeden verwinkelten Grundriss eingefügt werden kann.

Bestehende Systeme zugunsten der Nutzungsfreundlichkeit wie der Nachhaltigkeit zu optimieren, dieser Anspruch war auch im Bereich ISH Water deutlich zu spüren: Burgbad, erster klimaneutraler Badmöbelhersteller weltweit, zeigte den Prototypen eines neuen Siphons, der direkt unterhalb des Waschtisches ansetzt und die Entstehung wie Freisetzung potenziell gesundheitsgefährdender Keime drastisch reduziert. Das klassisch platzraubende und reinigungsunfreundliche U-Rohr entfällt, eine Verstopfung durch normalen Gebrauch kann praktisch ausgeschlossen werden. Aerosole können kaum entstehen, da das stehende Wasser nicht aufgewirbelt, sondern lediglich verdrängt wird. Roca stellte das "In-Wash Insignia" vor, ein Premium-Dusch-WC, das über eine Fernbedienung wie über die passende App gesteuert werden kann und als Teil des Roca Connect IoT-Service Informationen über die Nutzung des WCs und den Wasserverbrauch liefert. Die Status- und Warnmeldungen erleichtern somit die lückenlose Bewirtschaftung der sanitären Anlagen. Das Modell ist mit der In-Tank-Technologie von Roca erhältlich, bei der der Spültank in die WC-Keramik integriert ist, wodurch ein platzsparendes Design ohne zusätzliche Installationen möglich wird. Auch mit Blick auf die Hygiene hat das Modell eine Menge zu bieten: Spülrandlose Keramik, schmutzabweisende Glasur, selbstreinigende Duschdüse mit UV-Licht-Funktion, einen Kohlefilter zur Neutralisierung von Gerüchen sowie eine Entkalkungsfunktion.

Eine optimierte Leistung, die mehr Hygiene mit weniger Wasser schafft, mehr Komfort für die NutzerInnen und eine einfachere Montage bietet, zeigte auch das Geberit WC-System "Acanto" – bei diesem Modell sind sowohl Unterputzspülkasten wie WC-Keramik aus einer Hand. Das Konzept "Geberit Connect" ermöglicht zudem eine digitale Vernetzung der unterschiedlichen Sanitärprodukte, um ein ganzheitliches und wirtschaftliches Management der Anlagen sicherzustellen. Toto stellte eine neue smarte Toilette mit integrierten Washlet vor: Den Prototyp "Neorest WX" mit einem reduzierten Wasserverbrauch von 4,5 Litern und der von Toto entwickelten Hygienetechnologie Ewater+, die bewirkt, dass sich die Stabdüse zur Intimreinigung automatisch mit elektrolytisch aufbereitetem Wasser reinigt. Des Weiteren wird die WC-Keramik nach jeder Nutzung mit EWater+ besprüht, um ein Höchstmaß an Hygiene zu gewährleisten. VitrA zeigte mit "QuantumFlush" ein Spülsystem, das dank der laminaren Strömung die größtmögliche Leistung erreicht. Und bei Woodio Block konnten die BesucherInnen die erste Toilette aus wasserfestem Holzkomposit entdecken – gefertigt in Finnland aus Holzspänen und einer Resinmischung.

Messestand von Burgbad

Die Hansgrohe Group hatte für die ISH ein Ass im Ärmel: Die Konzeptstudie "Green Vision Beyond Water: Rethinking Bathroom Culture“, entwickelt in Zusammenarbeit mit Phoenix Design, zeigte ein Bad mit einem um 90 Prozent reduzierten Wasser- und Energieverbrauch und damit auch 90 Prozent weniger CO2-Emissionen, die durch das Erhitzen des Wassers entstehen. "Unsere Vision, die "Green Vision Beyond Water: Rethinking Bathroom Culture" wird mit dem Konzeptbad konkret. Individuelle Elemente der Studie werden bereits jetzt in unseren Innovationen eingesetzt, andere werden wir weiterentwickeln und in unsere Technologien und Serienprodukte einfließen lassen. Wichtig ist uns, damit ein größeres Bewusstsein für unseren Umgang mit Wasser im gesamten Bad zu schaffen", so Hans Jürgen Kalmbach, Chief Executive Officer der Hansgrohe Group.

Ganzheitlich denken – dieser Anspruch leitete überwiegend die Gestaltung der neuen Kollektionen für das Badezimmer: Kaschkasch entwickelte so in Kooperation mit Villeroy & Boch die Badkollektion "Antao", und ließen sich für die organische, leicht asymmetrische Formensprache von Tautropfen inspirieren. Mit "Antao" greift das Designerduo ebenfalls gleich zwei weitere aktuelle Themen in der aktuellen Badezimmergestaltung auf: Natürliche Farben, allenfalls kontrastiert von einem tiefen, matten Schwarz, und Möbel, die mit perfekt aufeinander abgestimmten Elementen, viel Stauraum und zahlreichen Individualisierungsmöglichkeiten auch in jeden anderen Raum der Wohnung passen. Die Idee für "Antao" erläuterten die Designer während der ISH dem Publikum in einem Live-Talk von Stylepark in Kooperation mit Villeroy & Boch. Ein Fingerspitzengefühl für die Details im Design, welches auch Besau Marguerre zu beherrschen wissen: Ihre Kollektion "b:me" für Burgbad ist inspiriert vom Licht- und Schattenspiel der Sanddünen, bietet eine weiche Formensprache wie angenehme Haptik. Zudem sind die Elemente komplett individualisierbar und gewähren mit schlauen Lösungen selbst in sehr kleinen Bädern viel Stauraum und ausreichend Platz bei der Nutzung – wie als Gästebad-Ecklösung, bei der die Armatur seitlich auf dem Waschtisch platziert ist. Die stimmige Lösung für ein Kompaktbad von Besau Marguerre konnte parallel auf Branchenplattform "Pop up my Bathroom" im Bereich "Tiny Bathroom" erkundet werden. Als weitere aktuelle Strömungen wurde der "Sustainable Bathroom", der "Wellbeing Bathroom" mit gesundheitsfördernder Wirkung, und der "Emotional Bathroom" vorgestellt – eine emotionale Badgestaltung durch Farbe, Licht, Sinnlichkeit, welche mittels smarter sanitärer Ausstattung erzielt wird, während die Technik selbst unsichtbar bleibt.

Eva Marguerre und Marcel Besau hatten passenderweise neben "b:me" auch gleich das angenehm frische Farbkonzept und Styling des Messestands von Burgbad erdacht, das mit luftigen Textilbahnen perfekt zu der Standarchitektur von Henning Erhardt von bottega + erhardt architekten passte. Dieser entwickelte ein geradliniges Regalgerüst aus Birkensperrholz, das mehrfach wiederverwendet werden kann und in Kooperation mit der Baumpflanz-Initiative WaldLokal von Burgbad realisiert wurde. In puncto nachhaltiger Standinszenierung überzeugte ebenso die Hansgrohe Group unter dem Motto "reduce – re-use – recycle": 2000 Quadratmeter Fläche bespielte diese mit den Marken Axor und hansgrohe in der Festhalle, zum ersten Mal seitens Hansgrohe auch mit der Präsentation von Sanitärkeramik und Badezimmermöbeln. Dank wiederverwertbaren Materialien, der Anmietung von Mobiliar, Pflanzen, Beleuchtung und Strukturen konnte die Baumasse und somit auch das Müllaufkommen nach Ende der Messe seitens der Hansgrohe Group erheblich reduziert werden. Zwei leuchtende Beispiele für eine nachhaltige Standarchitektur auf der ISH 2023, die leider noch zu Ausnahmen gehörten. Viele andere Präsentationen wirkten hingegen mit klassischen Szenerien und dem großzügigen Einsatz von Auslegeware wie aus der Zeit gefallene Statussymbole.

Leichte Formen mit sanften Rundungen durften derweil auch bei den freistehenden Badewannen entdeckt werden: Mit "OYO DUO" präsentierte Kaldewei ein Design von Stefan Diez mit Egg Shape Formgebung, gefertigt aus Stahl-Emaille. Trotz des robusten Materials wirken die Linien angenehm fließend. Neben dem hohen Komfort für die NutzerInnen ermöglicht der Freiraum unter der Badewanne den InstallateurInnen eine Vorgehensweise ohne Estrichaussparung, da die Ablaufgarnitur im Badewannenkörper versenkt werden kann. Zum ersten Mal auf einer ISH konnte auch die Badserie "Zencha" von Sebastian Herkner für Duravit erlebt werden, dessen weiche Verläufe in einem nach außen gewölbten Rand münden. Peter Wirz entwarf mit "Meda" für Laufen eine modulare Badserie, die mit rechteckigen Profilen und weiten Rundungen im inneren Verlauf den universellen Mittelweg findet. Sehr praktikabel sind darüber hinaus die Ablageflächen an den Waschtischen und Armaturen von "Meda". "Etwas zu schaffen, das einer Mehrheit gefällt, ist die höchste Kunst des guten Designs.", so Wirz.

Während die Zeichen im Baddesign so auf vielen Ständen im angenehmen Schein der gedimmtem Spiegelbeleuchtung in Richtung natürliche Inspirationen und die Suche nach dem inneren wie äußeren Einklang zeigten, setzte Philipp Starck wie gewohnt auf die stilvolle Gegenrichtung: Mit der Badewanne und dem Waschbecken der Kollektion "AXOR Suite" hat er eine luxuriöse Ausstattung mit glänzenden Einfassungen und Ablagen aus Metall erdacht. Der zur Seite stellt er mit der "ShowerComposition" ein Duschensemble, dessen Körper und Kopf mit ultraschlanken Profilen, breiten vertikalen Paneelen und präzisen Winkeln architektonische Strukturen in das Design übersetzen. Maximale Reduktion – ein Trend, der beim Gang durch die Hallen ansonsten vor allem bei den Armaturen zu sehen war: Sei es bei der schlanken Waschtischarmatur "Genesi" vom DSB Design Studio für Bruma, der charaktervollen "Cento" von Alessandro Zambelli für Guglielmi, oder der extrem geradlinigen Armaturenserie "Opus" von Bruno Erpicum für Cea Design. Die KWC Group kombinierte für die neue "F5 Hybrid" Küchenarmatur einen hohen, eleganten Auslauf mit den Vorteilen einer Elektronikarmatur: Integriert in das Wassermanagementsystem "AQUA 3000 open" ist eine regelmäßige, automatische Hygienespülung im gesamten Trinkwassernetz des Gebäudes möglich. Die Statistikdaten können über zur Kontrolle eine bidirektionale Fernbedienung ausgelesen werden. Die schlanke Silhouette aus recycelbaren, hygienischem Edelstahl der ebenfalls vorgestellten KWC "Bevo E" schützt dank zweischaliger Konstruktion vor Verbrennungen, da die Brause außen kühl bleibt. Da sie ohne Umgebungsluft auskommt, ist der Betrieb zudem äußerst leise.

Hansgrohe's Green Vision Beyond Water

Im Bereich der Dusche unterstrichen indes Bette und Dallmer ihre Voreiterposition: Bette zeigte mit "BetteLevel" einen Montagefuß, mit dem sich während des Einbaus jede Duschwanne oder -fläche von 700 x 700 Millimeter bis 1800 × 1000 Millimeter ohne Werkzeug ausrichten lässt. Dallmer präsentiere die erste schwarze Edelstahl-Duschrinne "CeraFloor Select Duo", die in bis zu zwei Metern Länge hergestellt werden kann sowie die gemeinsame Entwässerungslösung von Dallmer und Jung Pumpen, die das Gefälle-Problem bei Badmodernisierungen löst: die Bodenablaufpumpe "Plancofix Connect" ist außergewöhnlich flach und leitet das Duschwasser automatisch in das oft höher liegende Abwasserrohr. Auch Ideen für das barrierefreie Bad waren auf der ISH zu entdecken, die über die klassischen Handläufe hinaus gingen – wie bei Kermi, die für die Beschlagduschkabine "Mena" eine Pendel-Falt-Lösung vorstellte, die für Einstiegsfreiheit sorgt und platzsparend ist. KWC zeigte mit den "Medcare" Waschtischen eine unterfahrbare Lösung mit Haltegriffen, die in den kunstharzgebundenem Mineralwerkstoff integriert sind. Zudem konnten in einer Sonderschau des Zentralverbandes Sanitär Heizung Klima zahlreiche pflegegerechte Badkonzepte in Virtuell- und Augmented-Reality erlebt werden.

Die ISH 2023 bot so viele spannende Prototypen und Produkte, die mit Bedacht auf den Klimaschutz entwickelt wurden, wie Baddesigns, die das Badezimmer als Wohnraum unterstreichen und den NutzerInnen eine holistische Entspannung bieten. Man konnte spüren, das sich die mitunter konservativen Strukturen der SHK-Branche in den letzten vier Jahren gelockert haben – zugunsten eines nachhaltigen Zusammenwirkens, das Zukunft hat.

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